Laumann stellt Krankenhausreform vorIn NRW gibt es zu viele Kliniken

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Krankenhaus

In fast allen Gebieten der NRW-Krankenhauslandschaft gibt es Überangebote.

  • NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann legt das zentrale Gutachten für seine Krankenhausreform vor.
  • In fast allen Gebieten des Landes gibt es Überangebote. Auch rund um Köln.
  • Das sorgt für Probleme. Deshalb soll bis 2022 mit der Umsetzung der Reform begonnen werden.

Düsseldorf – Der von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) angeschobene Umbau der NRW-Krankenhauslandschaft wird wohl umfassender ausfallen als bislang gedacht. Das zentrale Gutachten, das der Reform zugrunde liegen soll, hat für fast sämtliche stationären Angebotsfelder in NRW deutliche oder sehr deutliche Anzeichen für eine Überversorgung ausgemacht – und das in nahezu allen Gebieten des Landes.

Die Frage, wie viele der rund 340 Krankenhäuser in NRW diesem Befund zum Opfer fallen sollen, ließ Laumann am Donnerstag bei der Vorstellung des Gutachtens offen. Die Konkretisierung sei einer neuen Krankenhausplanung vorbehalten, die ihre Arbeit unter der Regie des NRW-Gesundheitsministeriums im kommenden Jahr abschließen soll. Mit der Umsetzung der neuen Krankenhauslandschaft will Laumann noch vor der nächsten Landtagswahl im Jahr 2022 beginnen.

In 30 Minuten mit dem Auto zum Krankenhaus

Der NRW-Gesundheitsminister will das in weiten Teilen defizitäre Angebot ausdünnen, zugleich aber über eine bessere Zusammenarbeit von neuen Klinikverbünden die Versorgungsqualität steigern. Am Ende des Prozesses soll trotzdem jeder Patient im Notfall binnen 30 Minuten ein Krankenhaus per Auto erreichen können.

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Schlüssel für die Verbesserung der Qualität soll eine neue Planungsgrundlage sein, die sich bislang an regionalen Bevölkerungsdichten und dem örtlichen Gesundheitsniveau orientiert. Stattdessen soll in NRW als erstem Bundesland künftig das sogenannte Züricher Modell gelten: Dieses rückt die medizinisch erbrachte Leistung in den Mittelpunkt. Das Gutachten schlägt nun vor, in NRW 70 verschiedene „Leistungsgruppen“ einzuführen. Solche wären zum Beispiel Unfallchirurgie, Endoprothetik oder Eingriffe am Herzen. Krankenhäuser, die auf diesen Gebieten zu wenig Erfahrung haben, sollen entsprechende Behandlungen künftig nicht mehr anbieten dürfen.

Nicht einmal zwei Operationen pro Woche

Beispiel Knie-Prothesen: 2017 gab es in NRW laut Gutachten mehr als 30.000 solcher Operationen an 233 Krankenhäusern. Über die Hälfte der Eingriffe erfolgte in Häusern, die weniger als 100 solcher Fälle im Jahr haben. „Das sind im Schnitt nicht einmal zwei Operationen pro Woche“, sagte Laumann und deutete an, dass die vergleichsweise geringe Erfahrung der Operateure auch ein Gesundheitsrisiko für die Patienten bedeuten kann.

NRW hat zu viele Krankenhäuser

Statistik

In kaum einem anderen Flächenland herrscht eine so hohe Ballung von Kliniken wie in NRW. Auf rund 100.000 Einwohner kommen 670 Betten.

Regionen

Laut Bertelsmann-Stiftung gibt es allein  im Großraum Köln/Leverkusen 24 Krankenhäuser zu viel.

Ähnlich ist es bei der Behandlung von Schlaganfällen: Von den rund 64.000 jährlich zu behandelnden Schlaganfällen werden etwa 11.000 in Krankenhäusern behandelt, die keine spezielle Ausstattung dafür haben. 165 NRW-Krankenhäuser führten 2017 komplizierte Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse durch, obwohl 66 Kliniken die dafür jetzt schon vorgeschriebene Mindestfallzahl nicht vorweisen konnten.

Köln mit kardiologischen Angeboten „extrem überversorgt“

Der Mangel an Erfahrung hängt oft mit einem ähnlichen Parallelangebot vieler benachbarter Häuser zusammen. Gutachter Jens Peukert von der Beratungsgesellschaft Lohfert und Lohfert nannte als Beispiel den Großraum Köln, der mit kardiologischen Angeboten „extrem überversorgt“ sei. Ebenfalls in Köln, aber auch im Ruhrgebiet und in Düsseldorf gibt es wiederum ein unvernünftig großes Angebot an orthopädischen Behandlungen und ebenso an Geburtshilfen.

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Allerdings identifizierten die Gutachter auch unterversorgte Regionen. So gibt es in großen Teilen des Landes zu wenig stationäre Angebote für Alters- und Schmerzmedizin. Auch die Angebote für psychische und psychiatrische Behandlungen sind landesweit zu dünn. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht die Pläne zur Krankenhausreform in NRW als Vorbild auch für andere Bundesländer. „Das ist eine Blaupause für kluge Krankenhausplanung“, sagte Spahn. Patienten bräuchten für den Notfall eine Klinik in der Nähe. Für gute Qualität bei planbaren Eingriffen seien die allermeisten Menschen aber auch bereit, etwas weiter zu fahren.

Reform bietet Chancen und Risiken

Die Krankenhausgesellschaft NRW sieht Chancen und Risiken in der geplanten Reform und will sich „offen und konstruktiv“ an der weiteren Gestaltung beteiligen, sagte Präsident Jochen Brink. Nicht Schließungen seien das Ziel, sondern die Verbesserung der Patientenversorgung. „Wir fordern aber auch die Übernahme von politischer Verantwortung ein, wenn es zur Schließung von Abteilungen oder Standorten kommt.“

Matthias Moormann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, ist aufgeschlossen: „Wir haben in den Ballungszentren im Rheinland ein deutliches Überangebot an Krankenhäusern mit erheblichen Mehrfachstrukturen. Eine wohnortnahe Versorgung wäre sicher auch mit weniger Häusern möglich.“

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