NRW-Schulministerin Gebauer über G9„Der Zeitplan ist sehr ambitioniert“

Lesezeit 4 Minuten
Ivonne Gebauer

Yvonne Gebauer

Bonn – Die Ministerin fährt selbst – zumindest an diesem Tag. Vor dem NRW-Schulministerium steht ein bronzefarbener VW Beetle mit Kölner Kennzeichen. Manchmal finde sie das ganz entspannend, selbst hinter dem Steuer zu sitzen, sagt Yvonne Gebauer. Mit ihr sprachen Kirsten Bialdiga und Frank Vollmer.

Frau Gebauer, im Sommer können die Gymnasien wieder auf die neunjährige Schulzeit wechseln. Wie viele Schulen bleiben beim G8?

Das wissen wir noch nicht. Die Schulkonferenzen haben bis Ende Januar Zeit, sich zu entscheiden.

Haben Sie überhaupt von einer Schule gehört, die bei G8 bleibt?

Konkrete Schulen können wir im Moment nicht nennen, aber wir wissen, dass es Schulen gibt, die einen Verbleib bei G8 anstreben.

Bekommen die Schulen, die nur noch teilweise Ganztagsbetreuung anbieten, weniger Zuschlag?

Am Grundsatz, dass Gymnasien Ganztagsschulen bleiben können und die entsprechenden Stellenzuschläge bekommen, wird sich nichts ändern. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es hier generell zu großen Verschiebungen kommt. Im Ministerium beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit allen praktischen Fragen im Zusammenhang mit der Umstellung auf G9, auch zum Beispiel damit, was die Hausaufgaben und die Mittagspause anbelangt.

Gibt es neue Richtzeiten für die Hausaufgaben? Das können ja angesichts des kürzeren täglichen Unterrichts nur längere Zeiten sein.

Darüber denken wir nach, ja, aber eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.

Und die Mittagspause?

Viele Schulen haben den Wunsch an mich herangetragen, ob es ermöglicht werden könnte, die Mittagspause zu streichen, wenn es nur noch eine siebte Stunde am Nachmittag gibt. Das prüfen wir, aber richtig und wichtig ist, dass Kinder Pausen brauchen und dass es hier nur um enge Ausnahmen im Rahmen einer Flexibilisierung gehen kann.

Meistens wird es ja nur noch eine siebte Stunde geben und danach keinen Unterricht mehr.

Richtig, im Regelfall werden es nicht mehr als sechs Unterrichtsstunden am Tag sein. In den höheren Klassen wird es aber dennoch auch manchmal Nachmittagsunterricht geben müssen, vorzugsweise dann, wenn Schülerinnen und Schüler besondere Profile wählen wollen.

Also werden viele Kinder ohne Mittagessen nach Hause kommen.

Den Schulen geht es nicht darum, sich von einer lästigen Pflicht zu befreien. Wenn sich der Nachmittagsunterricht stark reduziert, dann braucht es flexiblere Lösungen. Ich möchte verhindern, dass der Schultag unnötig in die Länge gezogen wird. Wir werden sehen, wie die Schulen das gestalten, auch was etwa die Nutzung der Mensen anbelangt. Malen Sie bitte nicht so ein negatives Bild von den Schulen. Auf dem Land zum Beispiel ist eine Stunde, auch mit Blick auf den öffentlichen Schülertransport, häufig ein großer Gewinn. Und die Schulen, die weiter den Ganztag anbieten wollen, sollen das künftig genauso tun können wie bisher auch. Der Ganztag, auch an den Gymnasien, ist und bleibt ein wichtiges Feld der Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Die Schulen bekommen neue Lehrpläne, und für G9 gilt eine neue Stundentafel mit dem Wochenstundenpensum der einzelnen Fächer. Historiker klagen, dass der Geschichtsunterricht gegenüber früher eine Stunde verloren hat. Generell habe die Geschichte eine schlechte Lobby.

Es ist nicht richtig, dass die Stundenzahl für das Fach Geschichte in der Stundentafel gekürzt wurde. Richtig ist, dass das Fach Geschichte im alten und neuen G9 mit mindestens sieben Stunden unterrichtet werden muss. Damals haben Gymnasien vielfach acht Stunden Geschichte angesetzt, das bleibt auch in Zukunft mithilfe der Ergänzungsstunden möglich. Ich bin die Letzte, die dem Fach Geschichte seine Bedeutung abspricht. Deshalb sind wir mit den Historikern schon seit geraumer Zeit in einem engen Austausch. Zudem haben sie mit dem Ministerpräsidenten einen großen Fürsprecher.

Von Schulen mit besonderem Schwerpunkt, also etwa bilingualen Schulen, ist die Sorge zu hören, es werde mit der Stundentafel schwierig, das Profil zu pflegen, weil die Zahl der Stunden nicht reiche.

Das ist eher eine Frage der Verteilung von Unterrichtsstunden auf die Jahrgangsstufen als ein grundsätzliches Problem. Hier müssen wir gegebenenfalls nachschärfen: Manche bilinguale Schulen brauchen in den unteren Klassenstufen bei den Wochenstunden für ihr Konzept mehr Flexibilität. Da könnte es sinnvoll sein, eine Stunde mehr Unterricht zu erlauben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Könnte es sein, dass die Unsicherheit an den Schulen auch so groß ist, weil Ihr Zeitplan so sehr ambitioniert ist?

Der Zeitplan ist in der Tat ambitioniert. Wir haben nur ein Jahr für die Erarbeitung der neuen Lehrpläne; dafür brauchte man in der Vergangenheit deutlich mehr Zeit. Detailfragen sind noch zu klären – das setzt alle Beteiligten tatsächlich unter Druck. Aber ganz nebenbei: Viele wollten noch schneller zurück zu G9. Das wäre aber unverantwortlich gewesen.

3,8 Prozent ersatzloser Unterrichtsausfall, die für das letzte Schuljahr erhoben wurden, klingen vielen Eltern immer noch unglaubwürdig.

Ich habe immer gesagt: Die durch eine Stichprobe erhobenen 1,8 Prozent der Vorgängerregierung stimmen nicht. Das hat sich bewahrheitet. Wir wollen es genauer wissen und sind jetzt gespannt auf die schulscharfe Erhebung im laufenden Schuljahr.

Rundschau abonnieren