NRW-Verkehrsminister Wüst im Interview„Mit dem ÖPNV ist das schwierig“

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Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU)

Mit mehr Planern und viel Geld vom Bund, so hofft NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst, wird Nordrhein-Westfalen eines Tages nicht mehr Stauland Nummer eins sein. Mit dem CDU-Politiker sprachen Bernd Eyermann, Philipp Königs, Jörg Manhold und Helge Matthiesen.

Ihr Vorgänger Michael Groschek hat von einem Jahrzehnt der Baustellen gesprochen, das bevorsteht. Hat er recht gehabt?

Es können auch zwei Jahrzehnte werden. Wir müssen jetzt nachholen, was bei der Infrastruktur jahrzehntelang versäumt worden ist.

Müsste man die Verkehrsmittel nicht viel besser vernetzen?

Richtig. Deshalb dürfen wir im Verkehrsministerium eine neue Fachabteilung einrichten, die sich um vernetzte Mobilität kümmert. Heute ist es möglich, Reisen in alle Welt online zu buchen, aber wenn ich versuche, mit dem ÖPNV eine Fahrt von Bonn in meine Heimat Rhede im Netz zu buchen, ist das schwierig. Wenn ich für manche Abschnitte noch einen Leihwagen und ein Leihfahrrad einbeziehen will, dann geht das erst gar nicht. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Auch beim Baustellenmanagement tut Vernetzung not. Unser Gefühl ist: Die Kommunikation zwischen Land, Straßen NRW, den Kommunen und der Bahn funktioniert nicht.

Ich wundere mich manchmal auch, wer alles nicht miteinander spricht. Das geht besser. Die Verkehrszentrale in Leverkusen wird so weiterentwickelt, dass sie alle Straßen-Baumaßnahmen des Landes, der Kommunen, aber auch der Bahn koordinieren soll. Ein Beispiel: Wenn demnächst auf der Bahnstrecke Duisburg-Essen digitale Stellwerkstechnik eingeführt wird, dürfen nicht gleichzeitig die A40 und die A42 saniert werden.

Bei den Baustellen selbst hat man oft den Eindruck, es geht zu langsam vorwärts.

Wir arbeiten daran, dass zum Beispiel häufiger im Schicht-betrieb gearbeitet werden kann. Wir brauchen aber auch einen fairen Umgang mit der Bauindustrie. Ich zahle auch Boni für Firmen, die schneller fertig werden. Dafür brauchen wir realistische Bauzeiten.

Die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken hat gesagt: Das Geld ist da. Jetzt müssen wir es verbauen. Stimmt das?

Ja. Unser Problem ist eher, dass wir nicht genug Planungskapazitäten haben. Wir dürfen in diesem Jahr 50 zusätzliche Planer einstellen - so viele wie noch nie. Dazu gibt es 13 zusätzliche Planfeststeller bei den Bezirksregierungen. Jetzt wird die große Herausforderung sein, die Stellen zu besetzen.

In Bonn ist das Projekt Südtangente mit Venusbergtunnel und Ennertaufstieg wieder zum Thema geworden. Welche Chancen hat es?

Es ist weder in der Kategorie "Vordringlicher Bedarf/Engstellenbeseitigung" noch im Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgeführt. Bis 2030 wird es daher nicht kommen können. Darüber hinaus wird das Projekt in Bonn kontrovers diskutiert. Die Meinungen in den beteiligten Kommunen gehen auseinander.

Der Rhein-Sieg-Kreis würde das Projekt gern schnell realisieren.

Das kann ich verstehen. Wir fangen dort an, wo die Probleme am größten sind und halten uns an die Prioritäten, die der Bund festgelegt hat. Wenn dann Planungskapazitäten vorhanden sind, gehen wir die nächsten Bauprojekte an.

Die Bahn will den Bau der S13 offenbar nach hinten schieben. Werden Sie der Bahn Druck machen?

Die Bahn hat mir zugesichert, kurzfristig Klarheit zu schaffen, ob eine weitere Verzögerung droht.

Die Bahn sagt, sie könnte schneller sein, wenn das Geld früher käme.

Mir wäre es auch lieber, wenn sie schneller bauen könnte und dann auch schneller fertig würde. Die S13 darf nicht zum neuen Stuttgart 21 werden.

Zum Flughafen Köln/Bonn: Braucht man auf Dauer den Nachtflug für Fracht und Passagiere?

NRW braucht einen Flughafen für Fracht. Das hilft der wirtschaftlichen Entwicklung der Region und des Landes. Der Flughafen hat die Berechtigung zum 24-Stunden-Betrieb und die Anwohner das Recht auf Lärmschutz. Der Flughafen ist sehr gut unterwegs, was den freiwilligen Lärmschutz angeht. Er gibt sich größte Mühe, An- und Abflug so schonend wie möglich durchzuführen.

Viele Anwohner sehen das anders. Gerade die Nachtruhe wird oft durch laute Maschinen gestört.

Wir nutzen unsere Möglichkeiten über die Entgelte, um einen Anreiz für leise Maschinen zu setzen. Unternehmen, deren Maschinen weniger Lärm verursachen, zahlen weniger. Aber man darf die Mobilitätsinteressen der Region nicht völlig ausblenden.

Das wird die Anwohner des Flughafens kaum trösten, die jede Nacht aufwachen.

Der Staat steht bei jeder Art von Lärm - Straßen-, Bahn- oder Fluglärm - auf der Seite der Anwohner, damit sie den ihnen rechtlich zustehenden Lärmschutz bekommen.

Das Planfeststellungsverfahren zu Um- und Ausbauplänen des Flughafens läuft. Wagen Sie eine Prognose, ob diese genehmigt werden?

Das Verkehrsministerium wird nach Recht und Gesetz entscheiden. Die Mobilitätsansprüche von Wirtschaft und Gesellschaft sowie die wirtschaftlichen Wünsche des Flughafens werden sehr genau mit Lärmschutzinteressen der Anwohner abgewogen.

Die Fluglärmkommission fordert ein Lärmminderungskonzept.

Alles, was an Einwendungen und Vorstellungen auf den Tisch kommt, wird in dem Verfahren sauber abgewogen.

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