Präses Rekowski im InterviewErlebnisse in Malta „beklemmend und empörend“

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In einem Schlauchboot auf dem Weg zur "Sea-Watch": Der EKD-Flüchtlingsbeauftragte Manfred Rekowski besucht zur Untätigkeit verurteilte Seenotretter im Hafen der maltesischen Hauptstadt Valetta.

Seitdem Malta und Italien die private Seenotrettung im Mittelmeer blockieren, ertrinken dort wieder Menschen. Manfred Rekowski, Flüchtlingsbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland und Präses der rheinischen Landeskirche, ist auf Malta. Mit ihm sprach Benjamin Lassiwe.

Wie verläuft Ihr Besuch bei den Flüchtlingshelfern auf Malta?

Für mich ist das, was ich hier erlebe, eine beklemmende und empörende Erfahrung. Als ich durch den Hafen von Malta fuhr, habe ich dort drei zivile Rettungsschiffe gesehen, die alle für Einsätze bereitstehen, aber am Auslaufen gehindert werden. Ebenso ist es mit dem Flugzeug „Moonbird“: Es darf sich nur im Luftraum über Malta bewegen und nicht Richtung Libyen fliegen. Hier sind Menschen, die verhindern könnten, dass andere Menschen ertrinken – doch sie werden daran gehindert. Das ist für mich nicht nachvollziehbar, und ein unglaublicher Vorgang mitten in der Europäischen Union.

Warum fördert die Evangelische Kirche in Deutschland die Einsätze des Rettungsschiffes „Sea-Watch“ und des Suchflugzeuges „Moonbird“?

Dazu haben wir uns schon vor drei Jahren entschieden. Wir denken, dass eine unmittelbare Hilfe zur Rettung von Menschenleben schlicht eine Christenpflicht ist. Wir helfen den Menschen ja auch, wenn sie nach Deutschland kommen, aber im Mittelmeer retten wir Leben.

Wie nehmen Sie die Debatte zur Flüchtlingshilfe wahr?

Ich finde, die Debatten, die in den letzten Monaten in Deutschland geführt wurden, haben etwas Irrationales. Um welche Frage ging es denn da: Weisen wir vier bis sieben Flüchtlinge pro Tag an der bayerisch-österreichischen Grenze zurück? Wie kann das reichen, um in Deutschland eine Staatskrise auszulösen? Wir müssen uns dringend fragen, was die eigentlichen Probleme sind, und zu einer Rationalität in der Debatte zurückkehren. Dass sich Menschen auf der Flucht befinden, ist ein weltweites Problem, das uns dauerhaft beschäftigen wird, und das wir anders lösen müssen. Vor allem brauchen wir mehr Mut, wirklich nach Lösungen zu suchen.

Eine Frage, die man sich in Deutschland stellt, ist, warum die Geretteten nicht nur gerettet, sondern auch unter allen Umständen nach Europa übergesetzt werden müssen. Immerhin machten im vorigen Jahr rund 181 000 Deutsche Urlaub in Tunesien....

Ich kann gut nachvollziehen, wenn man sagt, dass es nicht nur eine Form humanitärer Hilfe geben kann und die dann alternativlos ist. Das wäre in der Tat ein Fehler. Es gibt auch die Möglichkeit, anderswo humanitäre Politik zu gestalten. Es ist nicht illegitim, zu fragen, wo wir wem helfen. Falsch und nicht hinnehmbar sind für mich aber alle Forderungen, die darauf zielen, sich die Menschen, die in Not sind, einfach aus dem Blick zu schaffen.

Das heißt, Sie könnten sich auch vorstellen, dass die Schiffbrüchigen im Norden Afrikas angelandet werden?

Auf dem EU-Gipfel wurden ja Pläne zu Flüchtlingszentren in Nordafrika diskutiert. Dabei hat das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, solche Zentren für grundsätzlich möglich gehalten – wenn einige Bedingungen erfüllt werden. Zum Beispiel die Einhaltung der Menschenrechte und die Möglichkeit, dass Migranten von dort einen Zugang nach Europa erhalten.

Ich denke, dass es bei dieser Frage keine Denkverbote geben darf – aber im Moment hat auch noch kein Land im Norden Afrikas erklärt, dass es zu solchen Aufnahmeeinrichtungen bereit wäre.

Zur Person

Der 60-jährige Manfred Rekowski ist seit 2013 Präses, also Leitender Geistlicher der Evangelischen Kirche im Rheinland, der zweitgrößten unter den 20 Landeskirchen. Im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ist er Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration. Als Pfarrer war er rund 25 Jahre in Wuppertal tätig. Der in Masuren geborene Rekowski wuchs in Gladbeck und Lohmar-Honrath auf. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. (ye)

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