Projekte von Schwarz-GelbLandesregierung im Ampel-Check der Redaktion

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G9

Megathema Schule: Neben der Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit sind auch Inklusion und die Verringerung des Unterrichtsausfalls große Herausforderungen.

Vor einem Jahr herrschte Aufbruchstimmung im politischen Nordrhein-Westfalen. Die SPD hatte ihre katastrophale Niederlage bei der Landtagswahl vom 14. Mai noch gar nicht begriffen. Aber in einer Jugendherberge am Fuß der Düsseldorfer Rheinkniebrücke steckten Ex-Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) und Nach-wie-vor-FDP-Chef Christian Lindner bereits die Köpfe zusammen, um eine schwarz-gelbe Koalition zu schmieden. Sechs Wochen später war ihr Koalitionsvertrag unterschriftsreif.

„Zuhören. Entscheiden. Handeln“ – nicht nur Laschet hatte mit diesem Slogan die Erwartung auf schnelle Politikerfolge geschürt. Auch Lindner ließ im Wahlkampf ein Versprechen für zügige Reformen plakatieren: „Nichtstun ist Machtmissbrauch“. Haben CDU und FDP geliefert?

Die fünf spannendsten Projekte der Landesregierung im Ampel-Check.

Innere Sicherheit

Die Innere Sicherheit war Laschets wichtigstes Wahlkampfthema. Ihre wesentlichen Versprechen haben CDU und FDP auf diesem Gebiet eingelöst: Die Polizei wird mit jährlich 2300 neuen Anwärtern kräftig aufgestockt und zusätzlich von neuen Polizeiverwaltungsassistenten unterstützt. Zudem soll noch vor der Sommerpause ein neues Polizeigesetz in Kraft treten, das den Polizisten mehr Befugnisse gibt.

So werden die Möglichkeiten der Telekommunikations- und Videobeobachtung ausgeweitet, Gefährder sollen auch ohne Urteil länger in Haft genommen werden können und die Schleierfahndung wird auch in NRW eingeführt. Damit können Polizisten zum Beispiel Autos auch ohne konkreten Verdacht durchsuchen. Im weiteren Jahresverlauf wird die Polizei eine erste „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ bekommen, die besonders robust auftreten wird und zum Beispiel gewalttätige Störer im Umfeld von Demos oder Fußballspielen festsetzen soll. Kritikern geht das alles zu weit. Aber NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) arbeitet den Koalitionsvertrag präzise und zügig ab.

Gesundheit

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann legt den Finger in die klaffendste Wunde: Es gibt zu viele Krankenhäuser in NRW, und nicht alle machen gute Arbeit. Laumann will sie zu mehr Zusammenarbeit zwingen. Mittelfristig soll es größere und besser spezialisierte Zentren geben, die in der Summe trotzdem die medizinische Versorgung auch auf dem Land gewährleisten. Obwohl er es selbst nicht so deutlich sagt: Etliche Krankenhäuser werden diese Entwicklung nicht überleben. Deshalb wird Laumann auch auf viel örtlichen Widerstand stoßen.

Er setzt die Betreiber und Kassen mit Geld und Fristen unter Druck, zügig eigene Vorschläge für diese Vision einer künftigen NRW-Krankenhaus-Landschaft zu entwickeln. Wenn die nicht kommen, muss er sich mit einem eigenen Masterplan selbst unbeliebt machen. Sein fester Wille ist erkennbar, und der Plan ist gut. Aber noch ist sein Erfolg nicht bewiesen.

Schule

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat die wohl anspruchsvollste Aufgabe in der Landesregierung übernommen. Drei Megathemen muss sie angehen: die Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit, die Inklusion und den Unterrichtsausfall. Das erste Jahr ihrer Amtszeit widmete sie insbesondere dem Thema G9. Hierzu hat sie einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Das muss er auch, Lehrer, Eltern und Schüler im Land warten dringend auf Informationen zu Lehrplänen, Übermittagsbetreuung etc.

Die Kosten schätzt die Ministerin auf rund eine halbe Milliarde Euro. Darüber, wer welche Kosten trägt, dürfte noch so mancher Kampf mit den Kommunen auszufechten sein. Fazit: Das G9-Gesetz ist auf dem Weg – ob es dem Praxistest standhält, wird sich frühestens im nächsten Jahr erweisen.

Wirtschaft

Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) machte kurz nach der gewonnenen Wahl vieles von dem rückgängig, was Rot-Grün gerade eingeführt hatte: die Hygiene-Ampel für Restaurants zum Beispiel und Teile des Tariftreuegesetzes, in dem es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht. Eine griffige Bezeichnung war dafür schnell gefunden: Entfesselungspaket I. Das zweite gleichnamige Gesetz folgte sogleich – binnen sechs Monaten brachte die Landesregierung 39 neue Maßnahmen auf den Weg, die die Wirtschaft beleben sollen.

Doch manches davon trifft auf rechtliche Probleme: Ob die neue Regel, dass Windräder nur mit einem Abstand von 1500 Metern zu Wohngebieten gebaut werden dürfen, wirklich unter Landesrecht fällt, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch bei der Ausweitung der Sonntagsöffnung von vier auf acht pro Jahr gibt es rechtliche Probleme. Zuletzt entschieden Gerichte häufig nicht im Sinne des Wirtschaftsministers.

Finanzen

Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) hat bisher leichtes Spiel. Wenn es so kommt wie erwartet, wird der Landeshaushalt zwei Jahre früher als durch die Schuldenbremse gefordert auf neue Kredite verzichten können. Dank sprudelnder Steuereinnahmen, die deutlich höher ausfallen als erwartet, legte Lienenkämper für 2018 erstmals seit 1973 einen Haushaltsplan vor, der ohne neue Schulden auskommt.

Doch es gibt noch viel zu tun: Mit 144 Milliarden Euro ist NRW das Bundesland mit dem höchsten Schuldenstand. Um tatsächlich Schulden zu tilgen, wird Lienenkämper wohl nicht umhin kommen, Projekte durch Einsparungen gegenzufinanzieren. Ein weiteres Wahlkampfversprechen bestand darin, die Investitionen zu erhöhen. Die Investitionsquote stagniert jedoch.

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