Rundschau-Debatte des TagesMuss die Gewerbesteuer reformiert werden?

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Bayer Leverkusen

Die Stadt Leverkusen will die Gewerbesteuer deutlich senken.

Köln – Nach dem Beschluss der Stadt Leverkusen, die Gewerbesteuer deutlich senken zu wollen, um für Unternehmen attraktiver zu werden, ist eine breite Diskussion entstanden.

Worum geht es?

Unlängst hat der Leverkusener Stadtrat die Senkung der Gewerbesteuer ab 2020 beschlossen – der sogenannte Hebesatz sinkt von 475 auf 250 Prozent, er halbiert sich also in etwa. Damit kommt Leverkusen auf das gleiche, niedrige Level wie das nahe Monheim (s. Grafik) – so wenig verlangt in NRW keine andere Kommune. Ganz in trockenen Tüchern ist die Leverkusener Steuersenkung aber noch nicht – es fehlt noch die Zustimmung der Kommunalaufsicht.

Wie funktioniert die Gewerbesteuer?

Jeder Unternehmer, der ein Gewerbe angemeldet hat und betreibt, muss in Deutschland Gewerbesteuer zahlen. Dazu gehören zum Beispiel Handwerksbetriebe, Einzelhandelsgeschäfte, Dienstleister und Industriebetriebe. Die Gewerbesteuer wird von den Kommunen erhoben und kann daher je nach Gemeinde unterschiedlich ausfallen. Die Gewerbesteuer orientiert sich an Gewinnen der Firmen. Am Ende einer Rechnung bleibt ein gewisser Betrag, der anhand des Hebesatzes erhöht – also gehoben – wird, zum Beispiel bei 250 Prozent um das Zweieinhalbfache.

Wer hat in NRW den höchsten, wer den niedrigsten Satz?

In NRW erhebt laut Statistischem Bundesamt Oberhausen mit 580 Prozent den höchsten Hebesatz, Monheim mit 250 Prozent den niedrigsten. In der Köln-Bonner Region liegt Waldbröl mit 575 Prozent vor Erftstadt mit 550 Prozent vorne. Günstig ist hier Odenthal mit 424 Prozent.

Was sagen Landespolitiker zum Steuerwettbewerb?

Nach Ansicht von Mehrdad Mostofizadeh, kommunalpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, muss das System der Gewerbesteuer vorerst nicht verändert werden. „Ich sehe da keinen Reformbedarf, weil es noch keine vernünftigen Möglichkeiten dafür gibt.“ Eine Anhebung des Mindesthebesatzes, der in Deutschland bei 200 Prozent liegt, sei keine Lösung, wie der Landtagsabgeordnete meint.

Was meint der Deutsche Städtetag

Verena Göppert, stellvertretende Geschäftsführerin des Städtetages NRW, sagt: „Der Städtetag NRW bedauert, wenn ein Wettbewerb über die Höhe der Gewerbesteuer unter ungleichen Bedingungen entsteht. Wir müssen vermeiden, dass finanziell gut gestellte Städte andere Städte, wie in diesem Fall Leverkusen, in Zugzwang bringen.“

Was sagen die Kommunen?

Dass die Gewerbesteuer neben dem schnellen Autobahnanschluss und dem Breitband-Zugang zum Internet ein Kriterium im Wettbewerb um Gewerbebetriebe ist, sieht auch der Sprecher der Kämmerer im Rhein-Sieg-Kreis und Kassenwart im Eitorfer Rathaus, Klaus Strack, so. Der Krefelder Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD) glaubt daher, das Beispiel Leverkusen mache deutlich, dass die Gewerbesteuer in Deutschland dringend reformiert werden müsse: „Derzeit besteht ein immenser Wettbewerb zwischen den Kommunen – und zwar unter teilweise erheblich unterschiedlichen Voraussetzungen“, so der SPD-Politiker. „Das kann niemals ein fairer Wettbewerb sein.“ Der Kämmerer der Stadt Bergheim, Matthias Esser, argumentiert: „Insgesamt ist ein interkommunaler Wettbewerb um die niedrigsten Gewerbesteuersätze als kritisch anzusehen, weil es dabei innerhalb der kommunalen Familie nur wenige Gewinner und viele Verlierer geben kann.“

Auch der Chef der Kölner Wirtschaftsförderung, Manfred Jansen, sieht den Steuerwettbewerb skeptisch: er führe „letztlich nur zu Umverteilungen zwischen den Kommunen“ und sei „insbesondere für die Metropolen in Deutschland kein nachhaltiges Mittel der Struktur- und Wettbewerbspolitik.“

Aktuelle Überlegungen, die Hebesätze zu verändern, gibt es in Köln ebenso wenig wie in Bonn. Da die Stadt in der Haushaltssicherung sei, gebe es hier keinen Handlungsspielraum, so eine Sprecherin der Bundesstadt. Allerdings seien Gewerbesteuerhebesätze nur einer von vielen Standortfaktoren, meint sie. Die Akzeptanz der Unternehmen sei nach Studien vom Institut der Deutschen Wirtschaft Consult gerade an solchen Standorten vorhanden, wo die kommunale Infrastruktur in allen Bereichen gut sei. Ähnlich argumentiert Christian Joisten, SPD-Fraktionschef im Kölner Rat: „Köln ist für Unternehmen ein attraktiver Standort. Wir brauchen uns darum nicht verstecken.“ Daher müsse man in den Verdrängungswettbewerb erst gar nicht einsteigen. Auch in Bergisch Gladbach sieht man die Diskussion eher gelassen. „Wir haben überlegt, ob es ein wichtiges Unternehmen in der Stadt gibt, das wegen der angekündigten Steuerentlastung nach Leverkusen umsiedeln würde – und unsere Antwort lautet Nein“, so Gladbachs Kämmerer Frank Stein.

Wie reagiert die Stadt Leverkusen?

Leverkusen verteidigt den Beschluss: „In der direkten Konkurrenz mit Nachbarkommunen mit extrem niedrigen Gewerbesteuersätzen ist Leverkusen mit einem Gewerbesteuersatz von 475 Punkten auf Dauer nicht konkurrenzfähig“, sagte eine Sprecherin der Stadt. Durch die Absenkung erhoffe man sich eine Neuansiedlung von Firmen. (EB)

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