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Streit um RechtschreibungNRW-Ministerin will „Schreiben nach Gehör“ nicht verbieten

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Hat sichtlich Spaß am Schreiben: Lina hat im ersten Schuljahr gelernt, alles nach Gehör auf Papier zu bringen.

Hat sichtlich Spaß am Schreiben: Lina hat im ersten Schuljahr gelernt, alles nach Gehör auf Papier zu bringen.

Düsseldorf – NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will trotz negativer Studien-Ergebnisse an der Methode „Schreiben nach Gehör“ im ersten Schuljahr festhalten. Nach dem neuen Masterplan Grundschule, der noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll, werde es weiterhin kein Verbot der Methode geben, die auch „Lesen durch Schreiben“ genannt wird. Zurzeit wird danach in den Klassen eins bis vier in NRW unterrichtet. Künftig sollen Lehrer aber die Anwendung auf „die Anfangsprozesse des Lesen- und Schreibenlernens begrenzen und von Anfang an zum normgerechten Schreiben hinführen“. Es soll zudem ein Grundwortschatz eingeführt werden, der eine Liste von Lernwörtern enthält und eine verbindliche Zielmarke für die Vermittlung von Deutschkenntnissen in den Grundschulen sein soll. Ansonsten aber sollen Schulen und Lehrer über die Methoden frei entscheiden können.

Andere Bundesländer verbieten die Methode

NRW schlägt damit einen anderen Weg ein als Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg oder Hamburg, wo Lehrer die umstrittene Methode gar nicht mehr anwenden dürfen. Vergangene Woche waren erste Ergebnisse einer Studie der Universität Bonn bekannt geworden. Danach machten Kinder, die mit „Lesen durch Schreiben“ gelernt hatten, am Ende der vierten Klasse 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als jene, die mit der Fibel gelernt hatten. Bei der anderen untersuchten Methode, der „Rechtschreibwerkstatt“, lag die Fehlerquote sogar um 105 Prozent höher. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte, die Ergebnisse der Studie müssten nun schnell in der Praxis Anwendung finden. Der Deutsche Lehrerverband verlangte daraufhin ein bundesweites Verbot der Methode.

Unterschiedliche Meinungen bei Lehrern und Eltern

Eltern und Lehrer in NRW sind jedoch anderer Auffassung. „Es ist sicherlich nicht der richtige Weg, die Methode ganz zu verteufeln“, sagte Regine Schwarzhoff vom Elternverein NRW. Sie forderte aber, dass dabei die Rechtschreibung von Anfang an korrigiert wird. „Kinder nehmen es nicht übel, wenn sie auf Fehler aufmerksam gemacht werden - sie wollen von Anfang an richtig schreiben lernen.“ Anne Deimel vom Lehrerverband VBE in NRW sagte: „In Reinform wird die Methode nur extrem selten eingesetzt.“ Sie warnte vor voreiligen Schlüssen, bevor die Bonner Studie nicht in Gänze veröffentlicht sei. Eine Fibel mit ihrem kleinteiligen Ansatz und statischen Vorgehen sei heute nicht mehr das richtige Lehrmittel.

Nur eine Lehrmethode herauszugreifen, werde dem Problem nicht gerecht: „Grundschulen in NRW sind in ganz Deutschland die Schulform, in die am wenigsten Geld fließt.“ Da könne es nicht verwundern, dass Kinder im Leistungsvergleich schlechter abschneiden. Entscheidend für den Erfolg einer Lehrmethode sei, dass die Pädagogen hinter ihr stünden. Genau das ist aber offenbar häufig nicht mehr der Fall. So berichten erfahrene Grundschullehrer, dass die Rechtschreibleistung von Viertklässlern früher besser war und per Diktat getestet wurde, dies aber heute nicht mehr üblich sei. Auch diagnostizierten Deutschlehrer bei Schülern immer häufiger eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Was laut Erlass dazu führt, dass die Rechtschreibung nicht mehr in vollem Umfang in die Benotung einfließen darf. „Wir fordern Diktate“, pflichtete Elternvertreterin Schwarzhoff bei. Die zunehmende Diagnose von LRS sei auch eine Folge des „Schreibens nach Gehör“.

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