TreibhauseffektDarum ist der Klimawandel so gefährlich

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Der CO2-Ausstoß muss ab 2020 deutlich sinken.

Köln – Für den Laien ist der Klimawandel schwer durchschaubar. Die Klimaforscher werden nicht müde, seit Jahrzehnten vor der Nutzung fossiler Brennstoffe (Öl, Kohle, Gas) zu warnen; die Politiker haben jahrzehntelang gestritten, ob und was dagegen zu unternehmen ist; einige Medien provozieren gerne Aufmerksamkeit, indem sie „eine andere Meinung“ zitieren, auch wenn die nicht von einem Klimaforscher, sondern - zum Beispiel - von einem Dr. med. stammt. Wie soll der Laie da noch durchblicken?

Verständlicher wird es, wenn man die „einschüchternde Komplexität des Klimas“ (Forscherzitat) einmal vergisst und sich grob vereinfacht die Dinge anschaut. Die Sonne scheint auf die Erde. Daraus wird aber erst Wärme, wenn die kurzwelligen Sonnenstrahlen irgendwo auf der Erde „aufschlagen“, um sich in langwellige Wärmestrahlen zu verwandeln.

Dazu kommt es in drei von sieben Fällen erst gar nicht, weil unser Planet mit seinen Wolken und Eis-/Schneeflächen gleich wieder 30 Prozent zurück ins All reflektiert. Aus den restlichen 70 Prozent entsteht Wärmestrahlung. Die strahlt die Erde auch wieder ins All zurück, aber nicht alles. Ein Teil wird von Spuren-/Treibhausgasen (Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan) zurückgehalten.

Treibhauseffekt: So kommt die Erde auf einen Temperaturgewinn von etwa 33 Grad. Dieser natürliche Treibhauseffekt ist eine Art Wollpullover und ein Segen, denn nur er ermöglicht auf der Erde flüssiges Wasser und Leben: Bakterien, Pflanzen, Tiere, Menschen. Alle profitieren von diesem unsichtbaren Gasflaum mit den wärmenden Eigenschaften.

Seit 10.000 bis 12.000 Jahren herrscht die Warmzeit des Holozäns, in dem die menschliche Zivilisation sich auf dem Globus ausbreitete und die Zahl ihrer Individuen (Bevölkerungsexplosion) vervielfachte. Voraussetzung dazu war eine Landwirtschaft mit wachsenden Ernten, die wiederum erst durch das weitgehend verlässliche Holozän-Klima ermöglicht wurde.

Gas-Pullover: Seit etwa 150 Jahren verbrennt der Mensch fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung. Dabei werden Treibhausgase freigesetzt, vor allem Kohlendioxid. Der Ausstoß ist größer als das, was Meere und Pflanzen aufnehmen können. So sammelte sich ein CO2-Überschuss in der Lufthülle und sorgt für zusätzliche Wärme - und die Welt spricht vom zusätzlichen Treibhauseffekt und einer Warm-Warmzeit. Aus der Klima-Vergangenheit weiß die Forschung, dass der atmosphärische Treibhausgas-Gehalt und die mittlere Erdtemperatur gekoppelt sind.

In einer Kaltzeit lag der CO2-Gehalt nie tiefer als 180 ppm (parts per million/Teile pro Million), in einer Warmzeit nie höher als 280 bis 300 ppm. 1958 lag dieser bei 315 ppm und hat im Jahr 2016 die 400-ppm-Schwelle überschritten. Die Wollfäden im „Gas-Pullover“ liegen immer dichter. Auch die mittlere Erdtemperatur ist, wie vorhergesagt und weil das Klimasystem arg träge reagiert, stark verzögert gestiegen, seit 1850 um rund 0,95 Grad Celsius.

Zwei-Grad-Ziel: Das Wissen um die Klima-Vergangenheit und die aktuellen Messwerte legen nahe, den menschengemachten Klimawandel ernst zu nehmen. Dabei muss der Laie sich bewusst machen, dass es sich bei Kohle und Öl letztlich um jenen wärmenden Kohlenstoff handelt, der vor Jahrmillionen von den Pflanzen aus der Lufthülle gesaugt worden ist. Auch ohne Physik-Diplom lässt sich plausibel befürchten, dass das Ausbuddeln und Verbrennen von Kohlenstoff-Toten („den Sonnenschein vergangener Zeiten“) nicht ohne Nebenwirkungen ablaufen wird.

Unterdessen schafft das vielzitierte Zwei-Grad-Ziel in der Öffentlichkeit falsche, verharmlosende Vorstellungen, weil nicht immer "im Durchschnitt" davor steht. Und selbst mit diesem Hinweis unterschätzt der Klimalaie („Was sind schon zwei Grad mehr?“), was solch ein Durchschnittswert auf einem Wasserplaneten bedeutet, denn die riesigen Ozeanflächen, die drei Viertel der Erdoberfläche einnehmen, sind kühler als die Landflächen, folglich senken sie die Durchschnittstemperatur erheblich.

Diese ist seit 1850 um etwa 0,95 Grad Celsius gestiegen, in Deutschland aber um 1,2, in den Alpen um 2,1 und in der Arktis um 5,5 Grad Celsius. Zwei Grad mehr im Durchschnitt bedeuten regional ein Vielfaches davon. „Zukünftig könnte sich das Klima im Mittleren Osten und in Nordafrika derart verändern, dass die Existenz der Bewohner in Gefahr ist“, sagt Professor Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Sein Team hat die Zwei-Grad-Welt analysiert. Ergebnis: Zur Mitte des Jahrhunderts würden die Temperaturen in den heißesten Phasen nachts nicht unter 30 Grad sinken und tagsüber 46 Grad erreichen.

Kaltzeit naht: Ein grundsätzliches Verständnisproblem für den Menschen, Klimawandel und Treibhausgase einzuordnen, ergibt sich auf dem Zeitpfeil, auf denen das gesamte Geschehen spielt. Während die Lebenserwartung des Menschen mehrere Jahrzehnte beträgt, spielen externe Faktoren (Himmelsmechanik) im Bereich von 100.000 Jahren und verursachen mehr oder weniger Sonneneinstrahlung.

So naht in 30.000 bis 50.000 Jahren eine Kaltzeit, aber Forscher halten es für möglich, dass der wärmende „Gas-Pullover“ vom Menschen dann so dicht gewebt ist, dass sie ausfällt. Prima, könnten wir sagen, dann macht der Mensch ja gerade genau das Richtige. Erst auf den zweiten Blick schrumpft das „Prima“, weil der Zeitpfeil uns verrät, dass es bis zur Kaltzeit noch viel länger dauert als unsere Zivilisation samt Holozän alt sind.

Ein Gedankenexperiment: Alles, was seit dem Urknall bis heute passierte, pressen wir in ein Kalenderjahr. Also 1. Januar - Urknall. Erst Anfang September bildet sich die Erde. Bereits am 20. September tauchen die ersten Bakterien auf. Bald werden sie die Photosynthese entdecken, CO2 verbrauchen und als „Abfallgas“ Sauerstoff produzieren. Doch bis das Leben in großer Vielfalt explodiert, dauert es bis Mitte Dezember.

Um den 19. Dezember „gehen“ die Pflanzen an Land. Am 23. Dezember bilden sich die ersten Kohlelager im Untergrund. Ab dem 23. Dezember mittags streifen Dinosaurier über die heißen Kontinente, die etwas kleiner waren als heute, weil der Meeresspiegel rund 150 Meter höher lag. Dann schlägt am 30. Dezember ein Meteorit ein und löscht nicht nur die Dinos aus.

In der Nacht zum 30. Dezember entstehen die ersten affenartigen Wesen, bald die ersten Vorfahren des modernen Menschen. Um 22 Uhr beginnt ein Eiszeitalter, der Wechsel von Kalt- und Warmzeiten, etwa 23 Sekunden in der letzten Nacht des Jahres vor Mitternacht beginnt unser Holozän. Etwa zehn Sekunden vor Mitternacht werden die ägyptischen Pyramiden gebaut. Und nun, etwa eine Sekunde nach Mitternacht, leben rund 7,4 Milliarden Menschen auf der Erde.

Gefährlicher Klimawandel: Zwei, drei Sekunden zuvor hatte der Mensch Kohle und Öl entdeckt und was man damit alles anstellen kann. Wärme für den Winter produzieren, Maschinen für sich arbeiten lassen, schneller mit einem Verbrennungsmotor von A nach B fahren, mit Kunstdünger die Ernten vermehren - also eine rundum fantastische Sache, gäbe es da nicht den wärmenden Gasabfall.

Das Ende 2015 in Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen, folgt der wissenschaftlichen Empfehlung, dass danach „gefährlicher Klimawandel“ beginnt und der Mensch nichts mehr beeinflussen kann. „Gefährlich“ bedeutet zum Beispiel den kompletten Verlust des Grönland-Eises.

Eine dunkle Fläche bliebe übrig, was noch mehr Wärme verursacht. Forscher nennen das eine „positive Rückkopplung“. Das Klimasystem spränge dann in einen neuen, wärmeren Gleichgewichtszustand, der fernab aller historischen Klima-Erfahrung des Menschen läge.

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