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Wie er die EU retten willEmmanuel Macron warnt vor „Bürgerkrieg“ in Europa

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Emmanuel Macron im EU-Parlament.

Straßburg – „Wir leben in einem Europa der Zweifel und Trennungen.“ Es war der düstere Auftakt jener Rede im Europäischen Parlament, die mit großer Spannung erwartet wurde. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte nicht vor, eine Lobeshymne auf Europa zu singen. Wohl aber kam er mit einem Plan, wie man es retten kann.

Der Gemeinschaft drohe „eine Art Bürgerkrieg“, in dem „nationale Egoismen“ überlagerten, was „uns eint“.

Dem will der französische Staatschef entgegentreten: „Wenn wir uns nicht klar zur europäischen Demokratie bekennen, sind wir auf dem Holzweg“, mahnte er. Er sieht die Lösung deshalb in mehr Europa, nicht weniger. Mittels einer neuen europäischen Souveränität soll die EU wieder stark werden. Der Staatschef warnte vor einem Kontext, in dem die „Faszination für das Illiberale von Tag zu Tag größer“ werde. „Gegenüber einer autoritären Grundeinstellung ist die Antwort nicht autoritäre Demokratie, sondern Autorität durch Demokratie“, sagte er - ohne Polen oder Ungarn namentlich zu nennen, die sich immer weiter von europäischen Grundwerten und dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit entfernen.

Die europäische Demokratie sieht Macron als „Trumpfkarte“, er will sie stärken. Erstmals sprach sich der Präsident neben transnationalen Listen bei der Europawahl 2019 für Spitzenkandidaturen aus: „Machen wir doch mal ernst“, forderte er. Man müsse zumindest einen Teil der Mandate über europäische Sitze verteilen, um die Wahlbeteiligung der Bürger zu erhöhen, „genauso wie die Parteien sich für die berühmten Spitzenkandidaten aussprechen.“

Mehr Solidarität

Dabei ließ der Präsident nach wie vor offen, wie er sich selbst im Europa-Wahlkampf positionieren will. Nach dem Vorbild seiner Bewegung „En marche“ könnte auch eine europäische Fraktion entstehen.

Viel wichtiger aber war dem Präsidenten, die großen Herausforderungen Europas anzugehen. Mit dem Stichwort „europäische Solidarität“ will Macron die „vergiftete Debatte über Dublin-Verordnung und Umverteilung endlich“ lösen. Neben einem von der EU finanzierten Programm, das „europäischen Gebietskörperschaften, die Flüchtlinge aufnehmen“, direkt unter die Arme greift, verlangte Macron auch ein Ende der Blockaden innerhalb der EU.

Bislang werden Entscheidungen im Rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, einstimmig getroffen – obwohl die EU-Verträge Abstimmungen nach qualifizierter Mehrheit erlauben: „Wir brauchen pragmatische Regeln“, verlangte er stattdessen: „Es ist wichtig, dass die, die nicht vorankommen wollen, die anderen nicht blockieren können“, betonte er. Während sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für eine „glaubhafte Beitrittsperspektive für die Westbalkanstaaten“ einsetzte, kündigte Macron seinen Widerstand an. Die EU müsse sich erst selbst reformieren. „Ich möchte kein Europa der 27, das nur noch schwer funktioniert. Wir können uns nicht der Illusion hingeben, dass es dann mit 32 besser funktioniert.“ Voraussetzung sei eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion – inklusive eines Eurohaushalts.

Doch nicht nur Haushaltskommissar Günther Oettinger, sondern nun auch die Bundesregierung haben diesem Ansinnen eine Absage erteilt. Wohl auch deshalb vermied Macron es, über den deutsch-französischen Motor zu sprechen. Damit konfrontiert, wurde der französische Staatspräsident deutlich: „Ich bin natürlich mit Deutschland verbunden, aber ich habe nie gedacht, dass damit die europäische Zusammenarbeit abgehandelt ist.“ Ein Versuch, Brücken zum erwartungsgemäß bremsenden Partner Deutschland zu bauen? Schon am Donnerstag wird Macron auf Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin treffen. 

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