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„Ein Vater greift zur Flasche“Die aberwitzigen Erfahrungen eines Vaters in Elternzeit

Lesezeit 5 Minuten
Christian Hanne_klein

Christian Hanne ist ein Vater in Elternzeit. Wie ungewöhnlich das ist, merkt er nicht nur an der Reaktion seines Chefs, sondern auch daran, dass er meist als einziger Mann auf dem Spielplatz sitzt.

Köln – Drei Monate nach der Geburt seines Kindes, geht Christian Hanne in Elternzeit und bleibt zu Hause, während seine Frau arbeiten geht. Wie ungewöhnlich das immer noch ist, merkt er nicht nur an der Reaktion seines Chefs, sondern auch daran, dass er fortan meist als einziger Mann auf dem Spielplatz sitzt. 

Seine „sagenhaften“ Erfahrungen aus der Elternzeit hat der 43-jährige Kommunikationsberater nun in seinem Buch „Ein Vater greift zur Flasche“ zusammengefasst. Dass er sich in den Texten selbst am meisten aufs Korn nimmt, wissen diejenigen, die ihm in den letzten Jahren auch schon auf seinem Blog „Familienbetrieb“ gefolgt sind. 

Herr Hanne, Sie schreiben, dass Sie sich nicht als moderner Vater abfeiern lassen wollen, weil sie mehr Elternzeit genommen haben als Ihre Frau. Vielmehr habe Ihre Elternzeit vor allem egoistische Gründe gehabt…

Christian Hanne: Da ich zu der Zeit einen recht stressigen Agenturjob hatte, dachte ich – etwas naiv –, die Zeit mit meiner Tochter könnte mir Abwechslung oder sogar Entspannung bringen. Nach der Elternzeit kann ich sagen, dass der Unterschied zwischen eine Nacht durchzumachen, um am nächsten Tag eine Wettbewerbspräsentation abzugeben, oder einem Baby mit Durchfall die Windel zu wechseln, gar nicht so groß ist. Beides ist kacke!

Wie reagierten denn die Kollegen, als Sie Ihnen mitteilten, dass Sie für die nächsten Monate ausfallen?

Hanne: Insgesamt recht positiv. Wobei mich ein paar Kollegen um meinen bezahlten „Urlaub“ beneideten. Keine Ahnung, was die Kollegen so in ihrem Urlaub treiben, aber ich finde es schmälert den Erholungsfaktor doch beträchtlich, wenn du nachts ständig aus dem Schlaf gebrüllt wirst oder dich ein 60 Zentimeter kleines Menschlein anpinkelt.

Sind Sie nach der Elternzeit zurück zum alten Arbeitgeber? 

Hanne: Eigentlich wollte ich während der Elternzeit im Lotto gewinnen und mich dann als Privatier zur Ruhe setzen. Da ich aber vergessen habe, Lotto zu spielen, musste ich notgedrungen doch wieder arbeiten gehen. Der alte Arbeitgeber war die naheliegendste Lösung. Vor allem weil du keine anständigen Bewerbungsfotos machen kannst, wenn du Augenringe wie ein Panda hast.

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Was meinen Sie fehlt in Deutschland noch, damit mehr Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen?

Hanne: Das ist ganz einfach: Die Lohnungleichheit muss sich zugunsten der Frauen verschieben, dann macht es finanziell Sinn, dass Väter die Elternzeit übernehmen. Und wenn Frauen sogar so viel verdienen, dass Personal angestellt werden kann, das sich um Haushalt und Kinder kümmert, dann bleiben alle Väter Zuhause.

Welche Erwartungen hatten Sie an die Elternzeit?

Hanne: Möglichst viel Zeit mit meinem Kind zu verbringen, damit es später nicht sagt: „Papa? Das war doch dieser Mann, der bei uns am Frühstückstisch saß.“ Außerdem wollte ich alle Staffeln von „Star Trek Next Generation“ schauen, während das Kind tagsüber schläft.

Und hat das geklappt?

Hanne: Nicht wirklich, weil so ein Baby doch wesentlich weniger schläft, als gedacht. Ein paar Folgen haben wir dann zusammen geschaut. Das ist pädagogisch zwar nicht besonders wertvoll, aber dafür kann sie jetzt Klingonisch.

Was hat Sie die Elternzeit gelehrt? Außer das Babys nicht dann schlafen, wenn man es möchte?

Hanne: Karottenbrei-Kotze geht selbst bei 90 Grad nicht aus den Klamotten raus.

„Ohne Kinder wäre die Welt eine Wüste.“ zitieren Sie Jeremias Gotthelf im Prolog und antworten dann gleich selbst mit einem „Und die Wohnung wäre aufgeräumt.“ Gibt es dazu eine tiefergehende Geschichte?

Hanne: Es ist ein Phänomen, dass sich Baby- und Kindersachen in einer Wohnung unaufhaltsam wie Schimmel ausbreiten, bis sie von allen Zimmern Besitz ergriffen haben. Im Schlafzimmer steht der Stubenwagen, in der Küche fliegen unzählige Fläschchen, Sauger und Beißringe rum, auf dem Wohnzimmerboden liegt Unmengen an Spielzeug, mit dem das Baby gar nichts anfangen kann, und den Flur blockiert der Kinderwagen. Da sieht die Wohnung eigentlich immer aus wie das Vorher-Szenario beim Messie-Team von RTLII.

Sie schreiben von unheimlichen Begegnungen der dritten Art, von wabbelnden Muttermilchbeuteln, die Sie erwärmen mussten, von der schier wahnsinnigen Suche nach einer Tagesmutter. Trotzdem haben Sie sich bald fürs zweite Kind entschieden…

Hanne: Leichtgläubig wie viele Eltern dachten wir, es ist gut, zwei Kinder zu haben, weil die sich dann miteinander beschäftigen können. Dabei haben wir übersehen, dass du ab zwei Kindern als Eltern nicht mehr in der Überzahl bist. Und weil Kinder nicht vor Folter durch Schlafentzug zurückschrecken, bist du als Eltern ohnehin chancenlos.

Nun ist Ihr Buch kein Ratgeber für Elternzeit-Väter geworden, sondern eher ein Glücklich scheitern-Erfahrungsbericht. Gibt es trotzdem etwas, das Sie Vätern raten würden, die in Elternzeit gehen?

Hanne: Ich erteile anderen Eltern oder Väter prinzipiell keine Ratschläge, weil das ja voraussetzen würde, dass ich Ahnung habe, wie das mit Kindern und Erziehung und so funktioniert. Habe ich aber nicht. Einen Tipp habe ich aber doch. Aus „Per Anhalter durch die Galaxie“ von Douglas Adams: „Keine Panik und hab‘ immer ein Handtuch dabei!“ Feuchttücher gehen auch.

Buchtipp: Christian Hanne: „Ein Vater greift zur Flasche – Sagenhaftes aus der Elternzeit“, Seitenstraßen Verlag, Oktober 2018.

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