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Nur noch StreitWarum es manchmal besser ist, wenn Eltern sich trennen

Lesezeit 8 Minuten
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Wenn Eltern sich nur noch streiten, leiden Kinder sehr. 

  • Christina Rinkl hat sich vor zwei Jahren von ihrem Mann getrennt und hätte damals gern Tipps bekommen. Jetzt arbeitet sie selbst als Coach.
  • Natürlich falle es Eltern nicht leicht, sich zu trennen. Doch bei einigen Punkten gebe es keine andere Wahl.
  • Den Kindern zuliebe sollten Eltern nach der Trennung auf eine Sache unbedingt achten.

Köln – Christina Rinkl hat vor zwei Jahren eine harte Krise erlebt. Sieben Jahre nach der Hochzeit trennte sie sich von ihrem Mann. Ihr Sohn war damals fünf Jahre alt. Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, vor allem, weil sie selbst ein Scheidungskind ist und genau weiß, was es bedeutet, zwischen den Stühlen zu sitzen.

In ihrer eigenen Trennungszeit hätte sie sich gewünscht, dass ihr jemand Tipps gegeben hätte, der diese Situation auch erlebt hat. Jetzt will sie selbst andere Mütter unterstützen. In ihrem Blog getrenntmitkind.de schreibt sie über ihre Erfahrungen und gibt Tipps. Außerdem bietet sie Online-Coachings an. Wir haben mit ihr über die wichtigsten Ratschläge rund um die Trennung gesprochen.

Frau Rinkl, welche Tipps hätten Sie selbst gerne gehört, als sie mitten in der Trennungsphase steckten?

Christina Rinkl: Den Neustart auch als Chance zu begreifen. Sich zu überlegen, wie man wirklich leben will, was einem wichtig ist und welche Werte man seinem Kind vermitteln möchte. Natürlich ist es gerade anfangs eine heftige Erfahrung, alleinerziehend zu sein. Das ist krasser als jedes Manager-Seminar, weil du selbst sehr mit deinen eigenen Ängsten konfrontiert wirst. Du überlegst dir, wie komme ich finanziell hin, wie geht das alles weiter? Wie kann ich gut für mein Kind sorgen? Aber das bietet auch die große Chance, sich selbst weiterzuentwickeln, zu wachsen und sich mit seinen eigenen Themen auseinander zu setzen, die man sonst oft vor sich herschiebt. Und da darf man sich ruhig Hilfe holen, psychologisch und bei der Kinderbetreuung. Viele Alleinerziehende schämen sich und glauben, sie müssten alles alleine schaffen, aber das ist Quatsch. Niemand muss das alleine schaffen. Viele Frauen trauen sich nicht, um Hilfe bei der Betreuung zu bitten, weil sie denken, sie fallen anderen zur Last. Ich sage: Nimm jede Hilfe an, die du kriegen kannst! Das ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.

Gerade mit Kindern ist eine Trennung noch schwieriger als ohnehin schon. Wann sollte man bleiben und wann muss man gehen?

Rinkl: Ich glaube, das fällt keiner Mutter leicht. Gerade wenn man Kinder hat, trennt man sich ja nicht leichtfertig. Ich bin ja selber Scheidungskind und wollte es unbedingt vermeiden, dass mein Sohn das auch alles durchlebt, was ich damals durchlebt habe. Deswegen fiel es mir sehr, sehr schwer, da eine Entscheidung zu treffen. Letztendlich kann einem niemand diese Entscheidung abnehmen. Doch wenn das Leid die guten Momente in einer Beziehung dauerhaft und eindeutig überwiegt, dann sollte man meiner Meinung nach handeln. Konkret merkt man das daran, wenn man sich gegenseitig einfach nicht mehr gut tut. Ich meine jetzt keine schlechte Phase, die jeder mal in einer Beziehung mit Kind hat. Mit Kindern ist es einfach stressig und man hat wenig Zeit für sich als Paar. Es ist total normal, dass es da Hochs und Tiefs gibt. Aber wenn man dauerhaft keine Basis mehr hat und einer von beiden nicht bereit ist, an der Beziehung zu arbeiten, ist es ein großes Alarmzeichen. Wir alle haben nur ein Leben und die Zeit kommt für uns alle nicht zurück. Gewalt, Alkohol und Drogen in einer Beziehung sind ebenfalls Gründe, sich zu trennen.

Die Umbruchsituation ist auch sehr schwierig für die Kinder. Wie geht man am besten mit ihnen um?

Rinkl: Eine Trennung ist eine riesige Veränderung für alle Beteiligten, vor allem auch für die Kinder. Ich finde es wichtig, mit dem Kind nach der Trennung sehr viel Qualitätszeit zu verbringen. Sich gemeinsam also richtig viel Zeit für schöne Dinge zu nehmen. Und trotzdem sich selbst nicht dabei vergessen. Die Zeit danach ist nicht leicht, das will ich überhaupt nicht verschweigen. Aber wenn Kinder dauerhaft inmitten einer lieblosen Beziehung aufwachsen, ist das für sie auch nicht gut.

Und nach der Trennung? Was ist am wichtigsten für die Kinder?

Rinkl: Ich kenne viele Alleinerziehende, die vor den Kindern sehr schlecht über ihren Ex-Partner reden. Das darf einfach nicht sein. Themen wie schon wieder nicht gezahlter Unterhalt oder die neue Geliebte des Ex gehen das Kind nichts an. Für diese Trennungsthemen sollte man sich erwachsene Gesprächspartner suchen. Wenn das Kind zum Vater geht, können Mütter sagen, auch wenn es ihnen vielleicht nicht leicht fällt: „Ich wünsche dir viel Spaß und eine gute Zeit“, so dass das Kind in Frieden und Freude gehen kann. Kinder lieben immer beide Eltern.

Ist es manchmal schwierig, sich vor dem Kind zusammenzureißen und nicht zu lästern?

Rinkl: Ich finde das nicht schwierig. Wenn ich doch weiß, dass es mein Kind schwächt und verletzt, wenn ich schlecht über den anderen Elternteil spreche, dann ist es nicht schwierig. Es sind die eigenen emotionalen Wunden, die Eltern da raushalten müssen. Die Paar-Ebene muss man nach der Trennung ganz klar von der Eltern-Ebene trennen. Darum geht es konkret. 

Sollte man sich dem Kind zuliebe nochmal gemeinsam treffen oder als Familie gemeinsam etwas unternehmen?

Rinkl: Das kommt ganz darauf an. Ich habe Freundinnen, die sich noch gut mit dem Ex-Partner verstehen und auch noch gemeinsam etwas mit dem Kind unternehmen. Bei vielen geht das aber nicht, weil zu viel vorgefallen ist oder der Streit zu groß ist. Da würde dann auch das Kind die Spannung merken und dann ist das für alle Beteiligten nicht gut.

In Ihrem Blog beschäftigen Sie sich ausführlich mit getrennten Familien. Wie kam es dazu?

Rinkl: Familienblogs gibt es wie Sand am Meer, aber über Trennung gibt es noch nicht so viele. Deswegen war das für mich als Familienjournalistin eine große Motivation, das zu machen. Mein Ziel war es, das Thema ein bisschen präsenter zu machen. In meiner eigenen Trennungszeit habe ich im Internet nicht viel Nützliches dazu gefunden.

Wie wichtig ist es, sich mit anderen in derselben Situation auszutauschen?

Rinkl: Extrem wichtig. Nach einer Trennung dreht sich alles komplett auf links. Auch der alte Freundeskreis kann das nicht immer so nachvollziehen, was man durchlebt. Die wollen das manchmal auch gar nicht so im Detail wissen oder verstehen vieles nicht. Deshalb haben wir in Köln unseren Stammtisch gegründet, denn mir war es sehr wichtig, Gleichgesinnte zu treffen. Wir sprechen über Dinge, die uns in unserem Alltag beschäftigen. Und wir lachen viel. Generell geht es darum, gemeinsam nach vorne zu schauen und eine gute Zeit zu haben.

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Mittlerweile geben Sie Ihre Erfahrungen auch als Coach weiter. Wie kam es dazu?

Rinkl: Ich habe durch den Blog immer mehr Anfragen bekommen: „Was rätst du mir, was würdest du machen?“ Ich hätte während meiner eigenen Trennungszeit gerne jemanden gehabt, der diesen Weg schon gegangen ist, der mich da an die Hand genommen hätte und mir gesagt hätte: „Auf das und das musst du achten.“ Durch das Coaching möchte ich meine Erfahrungen teilen und aus dem, was ich erlebt habe, etwas Gutes machen. Trennung ist noch immer ein sehr schambesetztes Thema. Viele reden nicht offen darüber, weil sie es immer noch als Makel empfinden.  Es tut sehr gut, mit jemandem zu reden, der das alles schon durchgemacht hat.

Wie funktioniert das Coaching genau?

Rinkl: Mütter schreiben mich an und dann telefonieren oder skypen wir. Nach dem sie mir ihre individuelle Situation geschildert haben, wird das Coaching kostenpflichtig. Aber so etwas lohnt sich mehr, als nach der Trennung Geld in die zehnte Handtasche oder in die neuen Schuhe zu stecken, die man gar nicht braucht. In einer Situation, in der es einem nicht gut geht, macht es viel mehr Sinn, in sich selbst zu investieren, anstatt immer wieder im Außen oder im Konsum das Glück zu suchen.

Eine Trennung ist nicht nur emotional schwierig. Gerade Frauen werden sich wahrscheinlich denken, dass sie sich zum Beispiel eine eigene Wohnung gar nicht leisten können. Was raten Sie denen?

Rinkl: Mein Tipp ist da, sich auf jeden Fall eine Wohnung zu suchen, die man auch ohne Unterhalt bezahlen kann, denn oft ist es ja bekanntlich leider so, dass die Ex-Partner keinen Unterhalt zahlen. Es darf am Anfang ruhig eine kleine Wohnung sein. Ich zum Beispiel bin aus einem Einfamilienhaus in eine Zwei-Zimmer-Wohnung gezogen. Das geht alles für eine Zeit. Eine Alternative wäre aucheine WG mit einer anderen Alleinerziehenden. Wichtig ist, das Ganze als eine Übergangszeit zu sehen. Es muss nicht für immer sein.

Also eher an jeden Tag einzeln denken und nicht gleich das komplette restliche Leben durchplanen?

Rinkl: Man muss sich die richtigen Fragen stellen. Was kann ich konkret für die nächste Zeit tun? Gleichzeitig bietet eine Trennung auch die große Möglichkeit, sein Leben noch einmal komplett neu auszurichten. Alleinerziehend zu sein ist nicht nur trauriges Schicksal, man hat da sehr viel selber in der Hand. Du kannst dein Leben so gestalten, wie du es willst und hast plötzlich wieder viel mehr Entscheidungsfreiheit. Klar ist das kein Zuckerschlecken, aber es bietet auch eine Chance, wenn man bereit ist, sie zu ergreifen.

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