Nicht nur zum Muttertag5 tolle Serien und Filme mit Müttern in der Hauptrolle

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Workin Moms

Kate alias Catherine Reitman ist der überragende Star von „Workin’ Moms“.

Köln – Frauen sind im Film immer noch unterrepräsentiert. Nicht so krass, wie in den Vorstandsetagen von DAX-Unternehmen. Doch von einem 50:50-Verhältnis von Frauen zu Männern sind wir weit entfernt. Von diverseren Filmstoffen vermutlich noch weit mehr. Das hat zuletzt Jan Böhmermann aufgezeigt, der sich in seiner Sendung den deutschen Film vorgeknöpft hat. Sein Fazit: Unser Oscar-Konzept sei Nazi, Weltkrieg, DDR. Frauen würden in der Regel nur in Nebenrollen stattfinden und meistens als Problem.

Das ist natürlich überzogen, aber wahrscheinlich nur ein bisschen. Sind die Frauen auch noch Mütter, wird es jedenfalls nicht einfacher mit abwechslungsreichen Filmrollen. Zum Glück gibt es immer mehr Ausnahmen. Immerhin ist auch die Hälfte der Zuschauer weiblich. Vor allem Streaming-Anbieter haben verstanden, dass diese eine interessante Zielgruppe sein könnten. Fünf spannende, bewegende und zum Teil auch lustige Beispiele für neue Mütterrollen im Film, von denen es hoffentlich in Zukunft immer mehr geben wird.

Workin’ Moms

Als Werberin Kate nach der Babypause voller Tatendrang zurück in ihre Agentur kommt, steht ihr ein grinsender, breitbeiniger Konkurrent gegenüber – selbstverständlich kinderlos und extrem ambitioniert. Er muss abends keine Windeln mehr wickeln oder Pausen in der Firmentoilette zum Milchabpumpen nehmen, sondern ackert bis zum Morgengrauen an der neuen Kampagne. Kate, die um ihre vor der Babypause angekündigte Teilhaberschaft in der Firma fürchtet, nimmt die Fehde auf, mit Stillflecken auf der Bluse bei wichtigen Business-Meetings.

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Catherine Reitman als Kate in „Workin’ Moms“ mit ihrem Mann Nathan (Philip Sternberg), der auch in echt ihr Partner ist.

Überragend komisch und extrem unterhaltsam spielt die kanadische Serie „Workin’ Moms“ mit sämtlichen Klischees, die das Thema zu bieten hat. Die Handlung: Vier sehr unterschiedliche Mütter, verbunden vor allem durch den Besuch einer Krabbelgruppe mit einer unerträglich harmoniebedürftigen Leiterin, versuchen Ehe, Kinder und Job irgendwie gewuppt zu bekommen. Natürlich ist die Unperfektheit glamourös inszeniert, samt dicker Autos und Top-Figuren. Doch die Serie – mit herrlich bösen Dialogen ausgestattet – stellt die großen Fragen, die sich viele berufstätige Mütter stellen dürften: Wann drehe ich durch im Spagat zwischen Küche und Büro? Wie soll ich mich auch noch als liebende Partnerin beweisen? Vor allem aber: Bin ich eine Raben-Mutter? Der Konkurrent in der Werbeagentur bedient Kates schlechtes Gewissen jedenfalls gnadenlos: „Nennt dein Sohn seine Nanny eigentlich schon Mama?“, fragt er einmal gespielt unschuldig. Kate bricht in Tränen aus.

Die gnadenlos lustige, fulminante Hauptdarstellerin Catherine Reitman hatte die Idee zur Serie mit ihrem Mann Philip Sternberg, der auch in „Workin’ Moms“ den Ehemann spielt – passenderweise nach der Geburt ihres ersten Kindes. Beide führen auch Regie. Doch auch die anderen Mütter-Darstellerinnen überzeugen: Kates beste Serien-Freundin, die Psychologin Anne, ist schwanger mit dem dritten Kind, obwohl ihr zweites gerade erst geboren wurde und füllt ihre Rolle herrlich neurotisch aus. (Sarah Brasack)

Vier Staffeln der Serie sind bei Netflix zu sehen. Die fünfte Staffel ist in Arbeit.

Little Fires Everywhere

Wie sieht eigentlich eine gute Mutter aus? Und wie viel sollte sie opfern für ihre Kinder? Dass es auf diese großen Fragen keine einfachen Antworten geben kann, zeigt eindringlich die US-Miniserie „Little Fires Everywhere“ (Amazon Prime) über vier Frauen, die sich aus Mutterliebe und Verzweiflung in Geheimnisse und Katastrophen verstricken.

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Vorzeigemutter Elena Richardson (Reese Witherspoon)

Da ist Elena Richardson (Reese Witherspoon), eine „Vorzeigemutter“ par excellence, die verheiratet mit vier Kindern in einem Herrenhaus lebt, stets adrett gekleidet ist und sich übertrieben ins Zeug legt für ihre Mitmenschen. So vermietet sie ihre Eigentumswohnung auch an eine Fremde: Mia Warren (Kerry Washington) ist Künstlerin und geheimnisvoll, sie trägt vornehmlich schwarz und zieht ihre Tochter alleine groß. Während Elena mit der Bilderbuchgemeinde Shaker Heights verschmolzen ist, führt Mia seit Jahren ein Nomadenleben.

Der plakative Kontrast der beiden Lebenskonzepte und Mutterfiguren bröckelt schnell, genauso wie der schöne Schein. Und die Frage, was es wirklich bedeutet, eine gute Mutter zu sein, wird in den Geschichten von Mia und Elena und noch zwei weiteren tragischen Mutterfiguren auf so viele Arten durchgespielt, dass am Ende vor allem Grauzonen und schmerzhafte Wahrheiten bleiben. Alle Mütter in dieser Serie lieben ihre Kinder und geben vieles für sie auf – unabhängig von ihren Lebensumständen. Und doch entscheiden jene sehr wohl darüber, ob sie überhaupt Mutter sein dürfen. Das Glück der Kinder wird dabei im Drehwolf der Emotionen und Entscheidungen zerrieben. (Isabell Wohlfarth)

Borgen

Birgitte Nyborg, Vorsitzende der „Moderaten“, wird über Nacht zur ersten dänischen Premierministerin gewählt. Ja, eine 40-Jährige mit zwei Kindern kann Regierungschefin sein. Im Film war das schon vor mehr als 10 Jahren vorstellbar. 2010 wurde die erste Staffel der dänischen TV-Serie „Borgen“ (Burg nennen die Dänen ihren Regierungssitz Schloss Christiansborg) ausgestrahlt. Nyborg (Sidse Babett Knudsen) ist taff, zielstrebig, empathisch, doch sie verändert sich und verliert mit wachsendem Machtbewusstsein ihre Unschuld.

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Sidse Babett Knudsen als Birgitte Nyborg

Kaum eine Serie erzählt parlamentarische Entscheidungsprozesse so komplex und spannend. Dafür wurde „Borgen“ von der „Washington Post“ als „beste Fernsehserie aller Zeiten über Politik“ gelobt.

Daneben wird das Privatleben der ersten Frau im Staat erzählt. Hätte die Vereinbarkeit von Amt und Elternsein bei einem jungen Vater so viel Raum eingenommen? Vermutlich nicht. Doch der Handlungsstrang ist ein Gewinn. All die Fragen: Kann eine Mutter das? Was macht das mit ihr, den Kindern, der Beziehung? In „Borgen“ werden sie verhandelt.

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Das anfangs so schön gleichberechtigt klingende Arrangement des Paares, jeder kümmert sich je fünf Jahre um die Kinder, während der andere Karriere macht, scheitert. Gatte Phillip will nicht zurückstecken, die Ehe zerbricht. Die psychischen Probleme der pubertierenden Tochter sieht die Mutter lange nicht. Das geht einem beim Zuschauen näher als die gemeinen Intrigen im Politikbetrieb. Für 2022 hat Netflix eine vierte Staffel angekündigt. Ob die Realität die Fiktion dann mit einer Mutter im Kanzleramt eingeholt hat? (Eva Fiedler)

WandaVision

Wanda Maximoff, einzig verbliebenes weibliches Mitglied von Marvels Avengers, findet sich in der Disney+-Serie „WandaVision“ in einer heilen Vorstadtwelt wieder. Nachbarn bringen Klatsch und Kuchen vorbei, der Chef kommt zum Abendessen und schwuppdiwupp toben zwei Kinder durchs Einfamilienhaus. Von Folge zu Folge springt Wanda in eine neue Ära amerikanischer Familien-Sitcoms, von den späten 1950ern bis in die Gegenwart, es sind keine Parodien, sondern liebevolle Hommages. Nach und nach durchfurchen Risse die heile Vorstadtwelt und ziemlich bald erfahren wir, was wir längst ahnten, nämlich dass es sich nur um eine von Wandas Hexenkräften aufrecht erhaltene Scheinwelt handelt. In der rauen Wirklichkeit ist ihr Geliebter Vision längst tot, soweit man als Androide tot sein kann, es gibt keine Kinder und auch kein Kleinfamilienglück.

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Elizabeth Olsen als Wanda Maximoff

Irgendwann folgen die sattsam bekannten Superhelden-Kämpfe, Wanda hängt an digital entfernten Drähten in der Luft und strahlt nicht näher definierte Energieblitze aus, wie die Figuren in den späten Harry-Potter-Filmen, zu faul, lateinische Zauberformeln zu lernen.

Bis dahin jedoch ist „WandaVision“ eines der treffendsten Porträts von Mutterschaft in der Geschichte des bewegten Bildes: Eine Mutter, das ist eine Frau, die zwischen posttraumatischer Belastungsstörung und Wunschdenken oszilliert, die einer Illusion weniger nachjagt, als dass sie diese erst erschafft – mit Hexensprüchen, die den Gesetzen der Physik spotten. Und dieser Wahnsinn, diese Superkraft, lässt sich in einem schwachen Verb zusammenfassen: kümmern. (Christian Bos)

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Nein, so stellt man sich eine Mutter ganz sicher nicht vor. Mildred Hayes hat so gar nichts Warmes, Versöhnliches, Mütterliches. Im Gegenteil: Sie läuft die meiste Zeit in einem Blaumann herum, ihre Gesichtszüge sind hart, ihre Sprache derb. Ihr ist das Schlimmste passiert, das eine Mutter erleben kann. Ihre Tochter Angela wurde nahe dem Elternhaus vergewaltigt und ermordet. Der Täter wurde nicht gefasst.

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Frances McDormand als Mildred Hayes

Doch statt sich still in ihre Trauer zu fügen, begehrt Hayes auf. Sie will den Mörder ihrer Tochter finden und dafür ist ihr so ziemlich jedes Mittel recht, wie sich im Verlauf von „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ herausstellen wird. Als ersten Schritt mietet sie eben jene drei im Filmtitel angesprochenen Plakatwände an der Landstraße, auf denen sie Sheriff Willoughby anklagt, lieber die Schwarzen in der Stadt zu terrorisieren, als das Verbrechen aufzuklären. Der versucht sie davon zu überzeugen, alles getan zu haben, den Mörder zu finden. Doch nicht einmal als er ihr offenbart, im Endstadium an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt zu sein, wird sie nachgiebiger.

Frances McDormand hat für ihre Darstellung dieser ungewöhnlichen Mutter zu Recht einen Oscar gewonnen. Es ist ihre erstaunliche Leistung, dass man dieser Frau, die es dem Publikum trotz ihres großen Verlustes schwer macht, sie zu mögen, dennoch nahe kommt. Dieser Film ist eine Anklage gegen Rassismus, Gewalt und patriarchale Strukturen und zugleich das Porträt einer ungewöhnlichen Mutter, die glaubt, Rache könne sie retten – und am Ende lernt, dass Rache allein nicht die Lösung ist. (Anne Burgmer)

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