Schwere EntscheidungSollen wir noch ein Kind bekommen – oder lieber nicht?

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Sie sind ja so süß. Aber auch anstregend. Sollen wir es wagen und noch ein Kind bekommen?

Köln – Da ist noch so viel Liebe übrig. Wir sind doch gerade so gut drin. Sie sind auch so süß, die Kleinen. Und irgendwie fühlen wir uns noch nicht komplett – oder? Aber es ist auch so anstrengend. Und überhaupt: Reichen der Wohnraum, das Auto, das Geld? Was macht das mit den Geschwisterchen? Haben wir dann noch weniger Zeit für einander? Und können wir das wirklich stemmen – oder brechen wir dann vor Erschöpfung endgültig zusammen?

Bei der Frage nach einem weiteren Kind dreht bei vielen Paaren ein wirres Gedanken-Gefühls-Karussell aus Fakten, Wünschen und Emotionen unaufhaltsam seine Runden. Kein Wunder, schließlich ist die Entscheidung, ob noch ein kleiner Mensch dazukommen soll, eine verantwortungsvolle und existenzielle. Mit nachhaltigen Folgen.

Wird uns etwas fehlen?

Natürlich gibt es auch Eltern, die ganz genau spüren, dass sie noch ein Kind wollen oder nun endgültig durch sind mit dem Thema. Oft gibt es nicht einmal einen echten Grund, sondern man weiß es einfach. Viele Paare aber kämpfen mit der Entscheidung. Weil Kinder haben eben so viel auf einmal bedeutet. Belastung und Liebe, Glück und Sorgen, Arbeit und Erfüllung. Weil so viele Faktoren eine Rolle spielen. Weil Kopf und Herz oft uneins sind. Und keiner wirklich ergründen kann, wie wohl die Zukunft aussieht. Wird einem doch etwas fehlen? Oder ist man völlig überfordert und bereut es am Ende sogar?

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Paartherapeut Ken Bardowicks aus Köln kennt diesen Zwiespalt. In seine Praxis kommen immer wieder Paare, die Schwierigkeiten haben, sich für oder gegen ein weiteres Kind zu entscheiden. Der Wunsch nach einem Baby aber ist so individuell, kann man da überhaupt etwas raten? „Es ist wirklich eine der ganz großen Fragen, die alles andere als leicht zu beantworten ist“, gibt Bardowicks zu.

Paare sollten sich den neuen Alltag vorstellen

Er habe aber die Erfahrung gemacht, dass es helfen kann, wenn Paare sich Zeit nehmen, um sich ernsthaft und aufrichtig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dazu gehöre zum Beispiel auch, den Status Quo zu analysieren. Das Paar sollte sich fragen, wie es ihm mit den Kindern gehe, die schon da sind. Wie läuft die Team-Arbeit? Wer steht nachts auf? Wer hat den finanziellen Druck? Um sich dann besser vorstellen zu können, wie ein Alltag mit einem Kind mehr konkret aussehen würde. Wer würde die zusätzliche Last tragen? Für wen würde sich am meisten verändern?

Denn gerade die ungleiche Aufgabenverteilung kann ein Grund sein, warum der eine sich ein weiteres Kind leichter vorstellen kann als der andere. „Gerade wenn die Partner unterschiedlicher Meinung sind, ist es wichtig, sich in den anderen, seinen Alltag und seine Gefühle hineinzuversetzen und alle Seiten zu beleuchten.“ Dann könne man auch ein besseres Verständnis für den Wunsch des Partners entwickeln.

In der Diskussion steht dann nicht selten die Sehnsucht nach einem weiteren kleinen Menschen den harten Fakten um Geld, Platz und Kapazität gegenüber. Ein quasi unvergleichbarer Gegensatz. Neben dem Bedürfnis, noch mehr Elternliebe zu spüren, wirken rationale Argumente oft kalt und kraftlos. Kann man so etwas überhaupt nach pragmatischen Gesichtspunkten entscheiden? „Darauf gibt es keine Antwort“, sagt Bardowicks, „aber sagen wir es mal so: Wenn der Kühlschrank leer ist, sollte man kein weiteres Kind kriegen.“

Oft steckten hinter der Frage nach einem Kind aber noch ganz andere Fragen verborgen, sagt Bardowicks. „Die Partner müssen sich fragen, wofür das Kind letztlich steht.“ Manchmal sei der Kinderwunsch nur die Oberfläche und ein Partner wünsche sich in Wirklichkeit etwas anderes, zum Beispiel mehr Nähe und Zuwendung. Das erhoffe man sich dann stattdessen von einem weiteren Kind.

Kind als Lückenfüller einer ungewissen Zukunft?

Hat man also wirklich Sehnsucht nach einem weiteren Kind, oder wäre es nur eine Art Lückenfüller? Diese Frage beziehe sich nicht nur auf eine emotionale Leere, sondern auch auf eine biografische Lücke, sagt Bardowicks. Ein Kind könne dann auch eine Notlösung sein, weil man nicht weiß, was sonst im Leben kommt. Wenn man sich entscheide, dass das Kinderkriegen abgeschlossen ist, tauche automatisch die Frage auf: Wer bin ich, wenn diese Aufgabe in den Hintergrund rückt? Abschied zu nehmen von einer Lebensphase und sich neu zu orientieren falle nicht allen leicht.

„Wichtig ist, dass die Entscheidung am Ende in gegenseitigem Einvernehmen getroffen wird und nicht einer von beiden seine Idee durchzieht.“ Und doch sei ein Kompromiss nicht immer schlimm. Denn bei manchen Partnern sei der Kinderwunsch diffus, sie würden vielleicht von sich aus keins mehr kriegen, finden es aber auch nicht schlimm. „Wenn man sich aber entscheidet, sollte man das bewusst tun. Und es dann nachträglich nicht dem Partner ans Bein binden.“

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