Shell-StudieJugendliche in Deutschland – zwischen Fridays for Future und Populismus

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Mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland sieht die gesellschaftliche Zukunft eher positiv.

Berlin – Viele junge Menschen in Deutschland sind nach Ansicht von Experten anfällig für populistische Argumentationsmuster. Die befragten 12- bis 25-Jährigen würden einigen solcher Aussagen mehrheitlich zustimmen, heißt es in der Shell-Jugendstudie, die am Dienstag in Berlin präsentiert wurde. Die Affinität einiger Jugendlicher zu populistischen Positionen sei „nicht zu übersehen", schreiben die Autoren der Studie. So gaben 68 Prozent der Befragten an, dass die Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden" voll und ganz oder eher stimme.

Politik-Skepsis und traditionelles Rollenbild

Mehr als die Hälfte der jungen Menschen glaubt der Studie zufolge, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweigt, und dass der Staat sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche kümmere. 57 Prozent stimmen indes der Aussage zu, es sei gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen habe.

Giffey zeigte sich zudem überrascht davon, dass sich junge Menschen bei der Familienplanung „auf den Weg einer Traditionalisierung" machten. Es sei schon bemerkenswert, dass ein großer Teil der jungen Leute das Alleinverdienermodell in seiner Zukunftsplanung sehe - und dass dabei mehrheitlich die Frau zurückstecken solle, sagte die Ministerin.

Das sind die wesentlichen Ergebnisse im Detail:

Interesse an Politik

Das seit Beginn des Jahrtausends stark gestiegene Interesse an Politik bleibt stabil. Jugendliche meinen, dass politisches Engagement eine hohe Bedeutung hat. Diese Auffassung nimmt insbesondere bei Mädchen zu, bleibt jedoch vornehmlich auf höher gebildete Jugendliche beschränkt.

Ängste und Sorgen

Die Ängste und Sorgen reflektieren die Debatten der vergangenen Jahre. Umweltängste haben insbesondere bei höher Gebildeten stark an Bedeutung gewonnen. Die Debatten um Flucht und Migration spiegeln sich in gestiegener Angst sowohl vor Ausländerfeindlichkeit als auch - auf niedrigerem Niveau - vor Zuwanderung wider. Angst vor Zuwanderung äußern tendenziell eher die niedriger Gebildeten.

Populismus

Bestimmte rechtspopulistisch orientierte Aussagen stoßen auch bei Jugendlichen auf Zustimmung. So stimmen mehr als zwei Drittel der Aussage zu, dass man nichts Negatives über Ausländer sagen darf, ohne als Rassist zu gelten. Graduell sind westdeutsche Jugendliche und höher gebildete eher weltoffener als ostdeutsche und weniger gebildete.

Zuversicht und Gerechtigkeit

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen sieht die gesellschaftliche Zukunft eher positiv. 59 Prozent finden, dass es in Deutschland insgesamt gerecht zugeht. Das gilt für West- und Ostdeutschland gleichermaßen.

Europäische Union

50 Prozent der Jugendlichen stehen der EU insgesamt positiv, aber nur acht Prozent negativ gegenüber. Das Vertrauen in die Staatengemeinschaft hat eher zugenommen. Sie steht bei Jugendlichen für Freizügigkeit, kulturelle Vielfalt und Frieden, im Vergleich zu 2006 zunehmend aber auch für wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Absicherung.

Vielfalt und Toleranz

Die Trends zu einer immer bunteren Gesellschaft geht bei Jugendlichen mit einem hohen Maß an Toleranz einher. Die Studie zeigt, dass Mädchen und Jungen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Minderheiten mit sehr großer Mehrheit positiv gegenüberstehen. Die Ablehnungswerte liegen durchweg bei unter 20 Prozent.

Werteorientierungen

Für die überwältigende Mehrheit der Jugendlichen bilden nach wie vor gute Freunde, eine vertrauensvolle Partnerschaft und ein gutes Familienleben die wichtigsten Werte. Ein hoher Lebensstandard und die Durchsetzung eigener Bedürfnisse verlieren vergleichsweise stark an Bedeutung. Insgesamt stehen idealistische, eher sinnstiftende Wertorientierungen bei jungen Menschen wieder höher im Kurs. Gegenläufig ist die Entwicklung bei tendenziell materialistischen Orientierungen, die darauf abzielen, die persönliche Macht und Durchsetzungskraft zu steigern.

Eltern und Familie

Im Ergebnis zeichnet sich ein relativ familienorientiertes Bild ab. Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern ist überwiegend gut. Die Mehrheit sieht ihre Eltern als Erziehungsvorbilder. Der Kinderwunsch ist stabil. Bei der Familiengründung wünschen sich vor allem westdeutsche Männer und Frauen, dass der Mann der Haupt- oder Alleinversorger der Familie ist.

Schule und Abschluss

Der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen hält an. Das Gymnasium ist unangefochten die populärste Schulform und unter den Mädchen sogar schon die Schule, die von einer absoluten Mehrheit besucht wird. Entsprechend ist das Abitur der mit Abstand am häufigsten angestrebte Schulabschluss. Der Trend zur akademischen Bildung nimmt weiter zu. Integrierte Schulformen, die in fast allen Bundesländern eingeführt wurden, verzeichnen die stärksten Zuwächse seit 2015. Der Anteil der Jugendlichen, die sie besuchen, hat sich seit 2002 verdoppelt. Entsprechend weniger Jugendliche gehen auf eine Haupt- oder Realschule.

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Zusammenhang Bildung und soziale Herkunft

Nach wie vor lässt sich ein starker Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft feststellen. Bei Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern ist es nur halb so wahrscheinlich, dass sie das Abitur erreichen wie bei Jugendlichen aus gebildeten Elternhäusern. Allerdings ist die Bildungspolitik der letzten Jahre insofern erfolgreich, als auch Jugendliche aus bildungsfernen Schichten das Abitur mittlerweile deutlich häufiger anstreben bzw. erreichen als früher.

Jugendstudie seit 1953 von Shell finanziert

Seit 1953 beauftragt Shell nach eigenen Angaben Wissenschaftler und Institute mit der Erstellung von Studien, um Einstellungen von jungen Menschen in Deutschland zu dokumentieren. „Mit diesem Engagement für die Jugendforschung nimmt Shell in Deutschland seit Jahrzehnten die Möglichkeit wahr, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen", schreibt der Mineralölkonzern dazu. (dpa/red)

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