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Tipps vom ExpertenWas können Eltern tun, damit Kinder nicht nur aufs Handy starren?

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Auch zuhause alle immer nur am Handy – das ist kein seltenes Bild bei Familien mit Teenagern. 

So sehr es manche Eltern auch empört, wie viel Zeit ihre Kinder mit dem Handy verbringen – manchmal wird es auch den Kindern und Jugendlichen selbst zu viel, wenn mittags nach der Schule bis zu 1000 WhatsApp-Nachrichten aus mehreren Gruppen auf sie warten.

Wie ist es also innerhalb von Familien möglich, den Smartphone-Gebrauch zu regulieren – und zwar ohne, dass es Verbote braucht? Welche Regeln können helfen, welche sind Quatsch?

Diesem Thema widmet sich der Medienexperte Thomas Feibel in seinem neuen Buch „Jetzt pack doch mal das Handy weg“, für das er mit Eltern, Psychologen und Erziehern gesprochen hat.

„Handynutzung – Streitthema Nummer Eins“

Den Umgang mit Tablets und Smartphones hält er für das „Streitthema Nummer Eins“ in Familien, eine „erzieherische Mammutaufgabe“. Wie also können Eltern dem WhatsApp-Dauerchat etwas entgegensetzen? Sind handyfreie Zeiten sinnvoll? Wie können sich Familien exklusive Zeit zurückerobern? Wie kann die digitale Erziehung gelingen?

Selbstverständlich ist das in jeder Familie anders, aber Feibel, der selbst vier Kinder hat und das Büro für Kindermedien in Berlin leitet, liefert individuelle Lösungsvorschläge.

Vorbild sein

„Warte kurz, ich muss nur noch eben kurz…“ Wie oft sagen Eltern diesen Satz am Tag – und tippen dann wild in ihr Handy? Eltern erziehen ihre Kinder nicht nur durch ihre Worte, sondern vor allem durch ihre Taten. Kinder sehen Mutter und Vater als Vorbilder – ob sie wollen oder nicht. „Kinder sind gnadenlos gute Beobachter“.  Sie bekommen mit, wenn die Eltern panisch nach ihrem Handy suchen, wenn sie es mal nicht finden können. Der Sog ist riesig. Wieso eigentlich?

Am Beispiel Fernsehen lässt sich das ganz gut beschreiben. In den meisten Familien läuft das Gerät nur zu bestimmten Zeiten, obwohl man weiß, dass den ganzen Tag etwas gesendet wird. Man hat einen Umgang damit gefunden. Aber: Der Fernseher kommt auch nicht mit zum Einkaufen und klingelt oder vibriert, um unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Das macht es so schwer, abzuschalten. Aber: „Erziehung bedeutet immer auch ein hübsches Stück Selbsterziehung“, schreibt Feibel. Nicht fluchen, das Handy mal weglegen – das sei schwierig, aber wichtig. Auch, um dann Regeln für den Umgang der Kinder mit dem Handy festzulegen. „Sicher, ständige Reibungen und Auseinandersetzungen um das Smartphone sind für alle Beteiligten anstrengend und zermürbend, jedoch auch ein unverzichtbarer Prozess in der Kindererziehung.“

Eltern sollten sich also fragen, was für ein Vorbild sie selbst sind, Mut zu Autorität haben (etwa: „Das Smartphone kommt nicht mit ins Kinderzimmer“) und ihre Balance von Smartphone und Beruf überdenken. Können sie selbst das Handy beim Abendessen nicht weglegen, wird es schwer, das beim Nachwuchs durchzusetzen.

Prävention

Es bringt nichts, die digitalen Möglichkeiten zu verteufeln, sie bieten sowohl Chancen als auch Risiken. Darum ist die Prävention so wichtig. Kinder brauchen den Schutz ihrer Eltern, sie müssen stark gemacht werden, damit sie auch selbst merken, wenn ein Kontakt unangenehm wird – oder wann sie einfach auch selbst mal abschalten. Stichwort: Selbstregulierung.

Eine Sensibilisierung der Kinder für Datenschutz und Privatsphäre ist ebenso unerlässlich wie der Grundsatz, sich nie mit jemandem zu verabreden, den man nur aus dem Netz kennt.

Und trotzdem braucht es eben auch Regeln. Denn „ein Kind, das von klein auf weitgehend regelfrei mit Smartphone und Tablet herumhantieren durfte, lässt sich später im Teenager-Alter nur wenig bis gar nichts mehr sagen. Was dann bleibt, sind genervte Eltern, genervte Kinder und ein bisschen Türenknallen.“

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Technische Sicherheit

Für die Sicherheit der Kinder ist es wichtig, dass es eine Drittanbietersperre gibt, denn bei manchen Apps „reicht schon das versehentliche Antippen eines Werbebanners, um ein Abo anzuschließen.“ In-App-Käufe sollten auf dem Handy zudem deaktiviert werden, sonst geben die Kinder schon mal 500 Euro für virtuelles Heu für ein Bauernhof-Spiel aus.

Im Ausland sollten auch die mobilen Daten deaktiviert werden, um keine Überraschung auf der Telefonrechnung zu erleben. Außerdem ist es wichtig, den Kindern zu erklären, dass sie niemals ihre Handynummer eingeben sollten.

Einfach mal abschalten

Wer glaubt, dass sein Kind handysüchtig ist, kann hier einen Selbsttest durchführen. Um dem entgegenzuwirken oder gleich vorzubeugen – auch dafür bietet Feibel Ideen. Für weniger Stress und mehr Lebensqualität in der Familie empfiehlt er das temporäre Löschen von Apps auf dem Smartphone. Außerdem das Ausschalten von Meldungen im Sperrbildschirm, abgeschaltete Lesebestätigungen bei WhatsApp und ab und zu auch einfach mal das Einschalten des Flugmodus. Im Urlaub oder am Wochenende kann auch mal beschlossen werden, das Handy gar nicht einzuschalten.

Am Ende lässt sich nach dieser angenehmen und ohne Zeigefinger daherkommenden Lektüre das Fazit ziehen: Ja, es braucht Erziehung. Ja, das ist anstrengend. Aber ja, es lohnt sich auch. Für ein friedliches Miteinander ohne Komplettverzicht – aber eben auch ohne Sucht.

Thomas Feibel: „Jetzt pack doch mal das Handy weg – wie wir unsere Kinder von der digitalen Sucht befreien“, Ullstein.

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