Bewegung und ErnährungWas Sie jetzt tun können, um Krebs erfolgreich vorzubeugen

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Symbolbild Krebszellen

Krebszellen (Symbolbild)

Köln – Warum ich, was habe ich falsch gemacht? Die Diagnose Krebs, schrecklich genug, löst bei den meisten Patienten auch noch diese quälende Schuldfrage aus. Eine schlüssige Antwort gibt es nicht. Etwas falsch gemacht haben die wenigsten, aber jeder hat es in der Hand, vieles richtig zu machen und damit das Risiko, an Krebs zu erkranken, zumindest zu minimieren. Wann spätestens sollte man anfangen Lebensstil, Ernährung und Bewegung zu ändern?

„Heute“, sagt Privatdozent Dr. Freerk Baumann vom Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln. Er ist Experte für Onkologische Bewegungsmedizin und Ernährung, zusammengefasst Lebensstil-Faktoren. Beobachtungsstudien, sogenannte Kohorten-Studien „zeigen, dass Frauen, die vor der Menopause, also den Wechseljahren, regelmäßig Sport gemacht haben, einen höheren Effekt erzielen Brustkrebs zu verhindern als wenn sie nach der Menopause mit Bewegungstraining anfangen.“ Und: Wenn bei Frauen Brustkrebs diagnostiziert werde, haben die, die vor den Wechseljahren körperlich aktiv waren, eine bessere Ausgangsposition – auch bei den sich anschließenden Therapien. Tierversuche ergaben, dass das Tumorwachstum durch Bewegung geblockt werden konnte. Einschränkend muss jedoch bedacht werden: Mit Menschen ist so eine Studie noch nicht gemacht worden.

Pro Jahr eine halbe Million neue Krebspatienten

Fakt ist, dass pro Jahr bundesweit rund 500.000 Menschen neu an Krebs erkranken, Tendenz leicht steigend. Die Zahl der Krebsdiagnosen steige unter anderem auch aufgrund der höheren Lebenserwartung und dem damit verbundenen Risiko, mit zunehmendem Alter an Krebs zu erkranken. Baumann: „Der durchschnittliche Krebspatient ist 69 Jahre alt.“ Über 100 verschiedene Krebsarten gibt es, die Unterschiede bei den einzelnen Tumorerkrankungen nicht mit einberechnet. „40 Prozent aller Krebserkrankungen könnten durch einen gesunden Lebensstil verhindert werden“, so Freerk Baumann.

Freerk Baumann

Privatdozent Dr. Freerk T. Baumann

Zum Lebensstil gehören Ernährung, Bewegung und natürlich Rauchen. Allerdings: „Bei den meisten Patienten wissen wir nicht, warum sie Krebs bekommen. Es ist leider oft einfach Pech.“ Aber dennoch: „Bei über einem Drittel aller Tumorerkrankungen kann der Lebensstil als Ursache benannt werden.“ Der Einfluss des Lebensstils bei Erkrankungen wie beispielsweise Darmkrebs sei noch deutlich höher. Eine Übersichtsarbeit mache deutlich: Bei acht Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen spielen falsche und ungesunde Ernährung die Hauptrolle, bei sechs Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen ist es die fehlende Bewegung.

Krebserreger regelmäßiger Wurstverzehr

Wenn in puncto Ernährung die Rede auf Fleisch kommt, rollen viele mit den Augen. Nein, Fleisch wird nicht verteufelt, vorausgesetzt Dosis und Qualität stimmen. Aber wer regelmäßig rotes Fleisch vom Rind oder Schwein, geräuchert, gepökelt, vorbehandeltes Grillfleisch und natürlich Wurst isst, riskiert, dass durch Stoffwechselprozesse Nitrit entsteht, was in geringen Mengen unbedenklich ist, in größeren Mengen zum Krebserreger wird oder aber die Zellen animiert, Krebserreger aufzunehmen. Baumann: „Zwei Prozent der Krebsdiagnosen sind allein nur auf regelmäßigen Wurstverzehr zurückzuführen, wie Studien zeigen. Das macht 10.000 Krebsneuerkrankungen pro Jahr, vorrangig Speiseröhren-, Magen- und Darmkrebs.“ Prof. Dr. Christoph Jacobi, Vorsitzender des Darmzentrum Köln e.V. , Chefarzt am Dreifaltigkeits-Krankenhaus in Wesseling und Ernährungsmediziner ergänzt: „Aluminium gehört zu den stärksten Zellgiften und erhöht die Risiken für Brustkrebs. Wird gepökeltes Fleisch in Alufolie gewickelt, werden durch das Salz gefährliche Stoffe aus der Alufolie in das Fleisch und damit in den Organismus des Menschen transportiert.“ Das sei auch der Fall, wenn man gewürztes Grillgut in Aluschalen aufs Feuer lege „Das ist mehr als kontraproduktiv.“

Das Krebsrisiko senken Gemüse, Obst und Ballaststoffe unter anderem, weil deren Inhaltsstoffe freie Radikale vermindern, die in Stoffwechselprozessen der Körperzellen entstehen. Unser Organismus braucht freie Radikale, aber wenn ihre Zahl überdurchschnittlich ansteigt, wird es problematisch. Freie Radikale in der Überzahl können zu einer Schädigung der DNA, dem Träger der Erbinformation im Zellkern, führen. Ist die DNA geschädigt, erhöht sich das Risiko, dass sich Krebszellen bilden oder diese nicht mehr vom Immunsystem erkannt und bekämpft werden können. Baumann: „Dass bei der Zellteilung schadhafte Zellen entstehen, die sich zu Krebs entwickeln können, ist Teil des normalen Lebens. Ein gesundes Immunsystem hält das aber in der Regel unter Kontrolle.“

Östrogen regt Zellwachstum an – gutes und schlechtes

Zu einer Art Burnout des Immunsystems kann Übergewicht führen. „Zu viele Kilos erhöhen das Risiko für mindestens 13 verschiedene Krebsarten. Wir bewegen uns zu wenig, essen zu viel und legen Fettdepots an.“ Diese Fettdepots sind optimale Hormonproduktionsstätten, denn „je mehr Bauchfett, desto mehr Östrogene werden produziert, also weibliche Hormone“. Bei Männern führt das unter anderem zu kleinen Brüsten. Östrogen ist ein stimulierendes Hormon, das Zellwachstum und Zellteilung beflügelt. „Aber Östrogene unterscheiden nicht zwischen gesunden Zellen und Krebszellen, sie beflügeln die guten und die schlechten in Wachstum und Teilung.“

Zudem führt Bauchfett zu chronischen Entzündungsreaktionen, die das Immunsystem dauerhaft beschäftigen. Das zwingt selbst das stärkste Immunsystem irgendwann in die Knie und schwächt somit die Kraft, gegen Krebszellen anzukämpfen. Nur mit körperlicher Bewegung und einer angepassten Ernährung bekommt man die Östrogen-Brutstätten und Entzündungsherde im Fettgewebe in den Griff.

Trainierte Muskeln stärken die Immunabwehr

Mit trainierten Muskeln arbeitet man gegen Vorstufen von Tumoren an, weil das anti-entzündlich wirkt und die Immunabwehr stärkt. „Wer nur etwas zu dick ist, ein bisschen Bauch hat und sich bewegt, der hat kein erhöhtes Krebsrisiko, wenn er zwei bis drei Mal pro Woche aktiv ist. Aber wer mehr als ein kleines Bäuchlein hat, der hat ein echtes Problem und kann das durch Bewegung nicht mehr wett machen. Ab einem Body Mass Index von 30 schafft man keinen Ausgleich mehr durch Bewegung.“ Ganz allgemein gesprochen: Wer drei bis vier Kilo über Idealgewicht liegt und sich regelmäßig bewegt, ist gut dabei. Alle anderen eher nicht.

Body Mass Index (BMI)

Beispiel: Eine Frau wiegt 68 Kilo und ist 1,70 Meter groß. Berechnung: Körpergröße mal Körpergröße, also 1,70 m x 1,70 m = 2,89 Zweiter Schritt: Kilo geteilt durch Ergebnis Körpergröße, also: 68 Kilo : 2,89 = 23,5. Ergebnis: Der BMI ist 23,5.

Richtige Ernährung und Bewegung lohnen sich. „Die natürlichen Killerzellen, Gegner der Krebszellen, können dank eines gesunden und aktiven Lebensstils schneller agieren und die feindlichen Zellen abtöten. Um die Killerzellen auf Trab zu bringen, reicht schon moderate Bewegung. Herz- und Atemfrequenz sollten leicht erhöht sein.“ 150 bewegte Minuten pro Woche, aufgeteilt auf fünf Tage sind eine gute Basis. „Aber mindestens ein Mal pro Woche sollte Krafttraining auf dem Plan stehen. Wir vermuten, dass die intensive Belastung der Muskeln einen besseren immunologischen Effekt erzeugt. Die Botenstoffe aus der Muskelmasse stimulieren das Immunsystem positiv. Nach aktuellem Kenntnisstand kann durch regelmäßige Aktivität das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen reduziert werden, beispielsweise Brustkrebs, Dickdarmkrebs, Nierenkrebs, Gebärmutterschleimhautkrebs, Blasenkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs.“

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Wer Tumoren im Verdauungstrakt hat – Magen, Bauchspeicheldrüse, Darm, Speiseröhre – sollte ganz besonders auf Ernährung achten. „Diese Patienten sind oft mangelernährt, essen zu wenig, haben kaum Appetit und essen oftmals falsch.“ Der Tumor entzieht, einfach formuliert, dem Blut Kohlenhydrate und Fette. „Dadurch wird man ungewollt dünner. Aber je dünner, desto größer das Sterberisiko.“ Ein Drittel aller Krebsdiagnosen gehe einher mit ungewolltem Gewichtsverlust und den damit verbundenen lebensbedrohlichen Risiken.

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