Corona-PandemieDarf der Chef den Impfstatus seiner Mitarbeiter abfragen?

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Der Impfnachweise ist inzwischen bei vielen Gelegenheiten nötig. 

Der Impfnachweise ist inzwischen bei vielen Gelegenheiten nötig. 

Köln – Wie können Arbeitnehmer am Arbeitsplatz gut vor einer möglichen vierten Corona-Welle im Winter geschützt werden? Sollten sie dafür ihrem Chef ihren Impfstatus mitteilen – müssen? Minister, Arbeitgeber, Gewerkschafter und Datenschützer streiten darüber. Es geht auch um die Frage, ob die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Belegschaft in der Pandemie in Einklang mit dem Schutz der Privatsphäre des einzelnen Angestellten gebracht werden kann.

Muss man Auskunft über den Impfstatus gegeben?

Ein Arbeitnehmer muss in der Regel seinem Chef derzeit nicht mitteilen, ob er sich hat impfen lassen. Eine Auskunftspflicht über den Impfstatus gibt übrigens auch unter Kollegen nicht.

Gesundheitsdaten zählen „zu den speziell geschützten besonderen Arten von personenbezogenen Daten“, so die Landesdatenschutzbeauftragten von Nordrhein-Westfalen, Bettina Gayk, deren Verarbeitung laut EU-Datenschutzgrundverordnung grundsätzlich untersagt ist. Der Arbeitgeber „darf weder fragen noch wissen, unter welchen Krankheiten ein Beschäftigter leidet, auch nicht, ob er geimpft ist oder nicht“, erläutert Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter Stefan Brink. Doch im engen Rahmen ermöglicht das Datenschutzgesetz Arbeitgebern Ausnahmen.

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Welche rechtlichen Ausnahmen gibt es?

Gesundheitsdaten dürfen unter Umständen abgefragt werden, wenn das für die Ausübung des Berufs notwendig ist. Rechtlich konkretisiert wird das für Gesundheitsberufe in Paragraf 23a des Infektionsschutzgesetzes: Dort wird beispielsweise Kliniken ausdrücklich erlaubt, den Impfstatus ihrer Beschäftigten abzufragen, wenn es zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten erforderlich ist. In solchen Berufen kämen Beschäftigte mit Personen in engen Kontakt, die sich vor Corona nicht wirksam selbst schützen könnten, erklärt Stefan Brink.

Was bringt die neue Arbeitsschutzverordnung?

Statt auf eine Impfstatus-Auskunftspflicht setzt das Bundesarbeitsministerium mit der aktualisierten Corona-Arbeitsschutzverordnung, die heute im Kabinett beschlossen werden soll, darauf, die Impfquote im Betrieb durch Anreize wie Zeitersparnis, kurze Wege und Information zu erhöhen: Arbeitgeber sollen demnach ihren Mitarbeiter künftig ermöglichen, dass sie auch während der Arbeitszeit einen Impftermin wahrnehmen können. Neben der Möglichkeit einer Schutzimpfung durch Betriebsärzte, soll zudem eine innerbetriebliche Impfkampagne die Impfbereitschaft fördern.

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Gesundheitsminister Jens Spahn hatte am Montag in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ gesagt, er sei gerade hin- und hergerissen, ob man das Gesetz ändern solle, damit Arbeitgeber zumindest für die nächsten sechs Monate nach dem Impfstatus der Beschäftigten fragen dürften. Er tendiere in der Frage „zunehmend zu ja“. Der CDU-Politiker argumentierte: „Wenn alle im Großraumbüro geimpft sind, kann ich damit anders umgehen, als wenn da 50 Prozent nicht geimpft sind.“ Dagegen sieht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) derzeit keine rechtliche Grundlage für eine mögliche Abfrage des Impfstatus durch den Arbeitgeber: „Das Arbeitsrecht gibt das bisher nicht her.“

Was sagen die Gewerkschaften?

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, erklärte: „Unternehmen und Betriebe brauchen jetzt eine klare Ansage, dass sie den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen, um die nötigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit aller ihrer beschäftigten Mitarbeiter sicherzustellen.“

Für den Deutsche Gewerkschaftsbund sei das dagegen ein „No-Go“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel: „Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz, sie hat Arbeitgeber nicht zu interessieren.“

Was sagen der Bundesdatenschutzbeauftragte?

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber fordert eine klare rechtliche Regelung zur Auskunft des Impfstatus, die es bislang nicht gebe. Er rät dazu, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung entsprechend anzupassen. Je nachdem, ob man sich hier für 2G oder 3G entscheide, müssten Arbeitgeber auch gar nicht wissen, welchen konkreten Status ihre Beschäftigten hätten. (mit dpa)

Kommentar zur Erfassung des Immunstatus in Betrieben

von Raimund Neuß

Darf ein Arbeitgeber den Corona-Impfstatus seines Personals erfassen? Für so eine Möglichkeit wären vermutlich viele Berufstätige dankbar. Sie würden am Arbeitsplatz gern wieder unbefangen aufeinander zugehen, wenn sie nur wüssten, dass alle Beteiligten geimpft sind.

Aber so einfach ist das alles nicht: Die Bundesregierung hat sich aus guten Gründen darauf festgelegt, dass es keine Corona-Impfpflicht geben soll. Die wäre aber die Voraussetzung für einen Nachweiszwang – wie etwa bei der Masern-Immunisierung an Schulen. Und der gern als Vorbild genannte Paragraf 23a im Infektionsschutzgesetz, nach dem etwa Kliniken den Impfstatus ihres Personals festhalten dürfen, besagt keineswegs, dass die Beschäftigten auch darüber Auskunft geben müssen. Im Gesundheitswesen kann der Arbeitgeber aber entscheiden, Verweigerer des Patientenschutzes wegen von bestimmten Tätigkeiten auszuschließen. So eine Handhabe gibt es in den meisten anderen Branchen nicht. Wo keine Impfpflicht besteht, kann man sie auch nicht durch die Hintertür einführen.

Am Ende bleibt der Appell an die Vernunft. Wer sich, ohne dass dem medizinische Gründe entgegenstünden, nicht impfen lässt, nimmt das Risiko einer schweren Corona-Erkrankung in Kauf. Wir werden an einen Punkt kommen, an dem es keinen Sinn mehr hat, solche Leute vor sich selbst schützen zu wollen – auch nicht am Arbeitsplatz.

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