Für zu HauseDrogeriekette dm verkauft jetzt einen Corona-Test – ist er zuverlässig?

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Bei einem Corona-Antikörpertest wird das Blut auf bestimmte Immungloboline untersucht. Bei der Drogerie dm gibt es solche Tests jetzt für zu Hause (Symbolbild).

  • Husten, Schnupfen – oder doch Corona? Viele Menschen würden gerne wissen, ob sie nur eine Erkältung hatten oder doch Sars-CoV-2.
  • Um genau das zu testen, hat die Drogeriekette dm nun ein Testkit für zu Hause im Online-Angebot.
  • Dr. Matthias Orth, Leiter der Labormedizin am Marienhospital Stuttgart, erklärt uns, wie der Test funktioniert und was er als Experte davon hält.

Köln – Immer mehr Menschen infizieren sich mit dem Coronavirus, es wird mehr getestet und Labore sind mancherorts überlastet. Ein Corona-Selbsttest für zu Hause könnte da Abhilfe schaffen. Für 59,95 Euro ist so ein Kit der Firma Cerascreen bei der Drogeriekette dm derzeit online erhältlich. Er soll darüber aufklären, ob jemand schon eine Covid-19-Infektion durchlaufen hat oder nicht. Wie die Kits funktionieren, ob die Ergebnisse zuverlässig sind und was genau untersucht wird – die wichtigsten Fragen im Überblick.

Was untersucht der Test?

Es handelt sich um einen Antikörpertest. Im Labor werden die sogenannten IgG-Antikörper (IgG =Immunglobulin G) bestimmt. Er untersucht also, ob man schon eine Covid-19-Infektion hatte und kann nicht nachweisen, ob man aktuell infiziert ist. „Wenn wir eine Infektionskrankheit haben, dann produziert unser Körper nach einer gewissen Zeit Antikörper gegen den speziellen Erreger. Im Falle einer Sars-CoV-2-Infektion gegen das Coronavirus“, erklärt Matthias Orth, Leiter der Labormedizin am Marienhospital Stuttgart und Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Laborärzte.

Die sogenannten IgG-Antikörper werden vom Körper erst rund zwei Wochen nach den ersten Krankheitssymptomen gebildet, sie sagen aus, dass man eine Immunität gegen den Erreger entwickelt hat. Ein klassisches Beispiel wäre eine Masern-Infektion, gegen die man impfen kann und durch einen solchen Antikörpertest bestimmten könnte, ob ein Patient nach einer Impfung immun ist.

Wie funktioniert der Test?

Zuerst müssen Nutzerinnen und Nutzer des Kits sich selbst mit einer Lanzette Blut abnehmen. Anschließend registrieren sie sich online bei der Firma Cerascreen, erhalten eine Test-ID und müssen einen Fragebogen zu Vorerkrankungen ausfüllen, damit der Test ausgewertet werden kann. Danach wird die Probe per Post zurückgesendet und laut Informationen auf der Webseite von dm von „medizinischen Partner-Laboren von Cerascreen“ ausgewertet. Innerhalb von zwölf bis 48 Stunden nach Eingang sollen Nutzerinnen und Nutzer ihr Testergebnis zurückerhalten.

Können die Anwendung zu Hause und/oder der Versand per Post das Ergebnis verfälschen?

Nein. „Grundsätzlich kann man sich selbst Blut abnehmen, die Immunglobuline, die man in einem solchen Antikörpertest nachweist, sind sehr stabil.“ Heißt: Durch einen Transport per Post wird die Probe nicht beschädigt – außer man versendet sie im Hochsommer bei Temperaturen über 30 Grad.

Eine andere Frage sei, in wie weit sich Menschen selbst in den Finger piksen können und möchten – für einen Antikörpertest werde relativ viel Blut benötigt. Angenehm sei die Prozedur daher nicht, sagt Orth.

Wie zuverlässig ist das Ergebnis?

„Die Aussagekraft eines Corona-Antikörpertests ist gleich null“, sagt Orth. Das liege daran, dass rund ein Drittel der mit Sars-CoV-2-Infizierten keine Antikörper entwickeln oder die Antikörper sehr schnell wieder im Blut abfallen und so durch den Test nicht nachgewiesen werden können. Eine Immunität werde zudem durch Immunzellen entwickelt, das könne aber mit dieser Untersuchung auf Immunglobuline nicht bestimmt werden.

„Außerdem kann es zu Kreuzaktivitäten kommen. Heißt: Ein positives Testergebnis kann auftreten, wenn man zwar Antikörper gegen Coronaviren im Blut hat, es sich allerdings um Erreger handelt, die nicht Sars-Cov-2 auslösen, sondern andere Atemwegsinfektionen.“ Es sind also falsch positive Testergebnisse möglich oder das Resultat ist negativ, obwohl ein Patient Sars-Cov-2 hatte, erklärt der Labormediziner.

Sind die Selbsttests empfehlenswert?

Nein. Um weitere Ansteckungen zu vermeiden, sei es wichtiger zu wissen, wenn eine Person akut mit Sars-CoV-2 infiziert ist. Nur so könne sie isoliert werden. Da die IgG-Antikörper frühestens 14 Tage nach den ersten Krankheitssymptomen im Blut nachweisbar sind, nutze das Wissen darüber dann nicht mehr viel. „Im Labor könnte ich auch Antikörpertests machen, wir bieten sie aber nicht an, weil sie nicht interpretiert werden können und falsche Ergebnisse liefern können“, sagt Orth. Gerade die falsch positiven Ergebnisse seien gefährlich, weil  Menschen denken könnten, dass sie immun gegen Sars-CoV-2 sind und dann unvorsichtig werden – beispielsweise Menschen in einem Altenheim besuchen und sie unwissentlich anstecken.

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„Die Diagnostik von infektiösen Krankheiten muss außerdem in der Hand von Ärzten liegen. Wenn ich feststelle, dass ein Patient eine Sars-CoV-2-Infektion hat, muss er in Quarantäne und Ärzte müssen die Infektion an das Gesundheitsamt melden. Es muss also sichergestellt werden, dass die Untersuchung korrekt abgelaufen ist und niemand fälschlicherweise in Quarantäne muss“, meint Matthias Orth. Das werde umgangen, wenn Tests in einer Drogerie freiverkäuflich sind.

Warum gibt es die Tests jetzt bei dm?

„Wir bei dm möchten gegenüber unseren Kunden unserer Verantwortung als kompetenter Anbieter von Gesundheitsprodukten gerecht werden. Daher haben wir uns dafür entschieden, ein Antikörper-Testkit in unser Sortiment aufzunehmen“, erklärt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer.

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