Giftige Substanz enthaltenKrebsgefahr – Sollte man besser auf Oregano verzichten?

Lesezeit 4 Minuten
Oregano Imago

Gerebeltes Oregano ist oft stark belastet.

  • Das getrocknete Kraut, beliebt für Pizza, Nudelsoßen, Aufläufe kann gesundheitsschädlich sein.
  • Das Problem heißt: PA, kurz für Pyrrolizidinalkaloide. Sollte man das Gewürz überhaupt noch essen?

Auf Tiefkühlpizzen ist es immer drauf: Oregano. Nur: unbedenklich ist das auch in Tomatensoße und Aufläufen beliebte getrocknete Kraut nicht, das manche auch Wilder Majoran nennen. Die Firma Heuschrecke Naturkost aus Troisdorf in Nordrhein-Westfalen ist seit mehr als vierzig Jahren im Biogewürze-Geschäft. Jetzt hat sie den Verkauf von Oregano gestoppt, zumindest vorläufig. Vor kurzem riefen die Gewürzhersteller Fuchs Foodservice und Teuto Markenvertrieb mit Sitz im niedersächsischen Dissen „Oregano gerebelt“ zurück, die unter anderem bei Lidl und Edeka zu haben war.

PA kann Krebs auslösen

Das Problem: Getrocknet und zerkleinert fällt Oregano immer wieder durch einen erhöhten Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden auf, kurz PA - ein giftiger Stoff, der die Leber schädigen und Krebs auslösen kann. „Zwar ist die Datenlage nicht ausreichend, um repräsentative Aussagen treffen zu können. In Proben wurden aber mehr als 10.000 Mikrogramm pro Kilogramm Oregano nachgewiesen, das ist erheblich“, sagt Bernd Schäfer vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Er ist Professor für Lebensmitteltoxikologie.

Die Natur selbst produziert den gefährlichen Stoff. PA kommt in rund 6000 Pflanzenarten vor - als Abwehr gegen gefräßige Feinde wie Insekten. Darunter sind Wildkräuter wie das Jakobskreuzkraut. Werden diese dann versehentlich mit geerntet, landen sie in der Oreganopackung – und auf der Pizza, im Essen. In Europa sind akute Vergiftungen durch PA in Lebensmitteln, die zu einem plötzlichen Leberversagen führen, selten. Der längerfristige Verzehr von Produkten mit dem Stoff ist jedoch gefährlich.

Moderate Mengen könnten schon schaden

In Tierversuchen, erklärt Schäfer, habe sich gezeigt, dass die regelmäßige Aufnahme von Produkten mit vergleichsweise geringer PA-Belastung über einen langen Zeitraum Krebs auslösen kann. Nicht die PA selbst seien es, sondern ihre Abbauprodukte, die in Leber, Lunge, Niere zu Tumoren führten. „Wir vermuten“, sagt der Lebensmitteltoxikologe, „dass moderate Mengen, über längere Zeiträume aufgenommen, reichen können, um das Risiko für eine Krebserkrankung signifikant zu erhöhen.“

Von Honig und Tees aus Kamille, Pfefferminze, Melisse, Brennnessel oder Fenchel sind PA-Belastungen schon seit einigen Jahren bekannt. Doch bei getrocknetem Oregano mehren sich erst jetzt die Tests - und die Funde.

So fielen bei einer Stichprobe des WDR-Magazins Markt vor wenigen Wochen eine Charge aus 10/2019 von Heuschrecke-Naturkost mit fast 13.000 Mikrogramm pro Kilo Oregano auf. „Der Wert hat uns selbst erschreckt, wir haben damit nicht gerechnet“, sagt Chefin Ursula Stübner. Sie mischen die Ware aus mindestens drei Ländern und kaufen aus der Türkei zum Beispiel nur solche Ware, bei der laut Analysen der Wert unter 400 Mikrogramm liegt.

Anstieg des Gehalts in den letzten Jahren

„Hätten wir in einer Probe 13.000 Mikrogramm gemessen, hätten wir das Produkt als gesundheitsschädlich beurteilt“, sagt Dirk Lachenmeier vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt, CVUA, in Karlsruhe. Einen gesetzlichen Höchstwert gebe es noch nicht. Die EU-Kommission arbeite erst dran. Doch für Gewürzkräuter wie Oregano sei ein maximaler Gehalt von 1.000 Mikrogramm pro Kilo im Gespräch. Als Lachenmeiers Kollegen der CVUA Stuttgart vor einigen Monaten 41 Proben gerebelten Oreganos untersuchten, wies gut jede zweite einen Wert zwischen 1.000 und 10.000 Mikrogramm auf.

Stübner und ihre Leute fahnden nun nach Ursachen. In den letzten Jahren seien die PA-Werte gestiegen, sagt sie. Pflanzen produzierten mehr von dem Gift. Vor Monaten hat das Unternehmen darum bereits den Verkauf von reinem Kreuzkümmel aufgegeben. Sie konnten zu hohe Belastungen wegen PA-haltiger Beikräuter nicht mehr ausschließen. Andere Bio-Gewürzhersteller haben das ebenso gemacht. Die hohen PA-Werte könnten auch mit dem Klimawandel zu tun haben, meint Stübner. Ob ihm zufolge aus Stress oder anderen Gründen – unklar.

Alle Hersteller kennen das Problem

Alle Gewürzhersteller – egal ob bio oder konventionell - kämpfen mit dem PA-Problem. Nur führt der Fachverband der Gewürzindustrie neben dem Klimawandel noch einen anderen Grund an: Die herkömmlichen Produzenten setzten mittlerweile weniger Pestizide ein, Unkräuter vermehrten sich stärker, auch jene die den giftigen Stoff produzieren. So würden „immer mehr PA-Pflanzen ungewollt mit geerntet.“ Lässt sich das Unkrautproblem lösen?

„Es ist immenser Aufwand nötig“, sagt Experte Schäfer vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Hersteller müssten vor der Ernte Leute über das Feld schicken, um die giftigen Wildkräuter auszurupfen. Auch müsse auf reines Saatgut geachtet werden. Bei Kräutern für Tees sei dies – nach konsequenter Beanstandung durch die Kontrollbehörden - mittlerweile gang und gäbe. „Da gibt es kein Problem mehr.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Gewürzindustrie weiß, dass sie was ändern muss. Sie setzten, erklärt eine Fuchs-Sprecherin, „auf die stetige Verbesserung der landwirtschaftlichen Praxis insbesondere durch die Aufklärung und Schulung der Anbauer und Landwirte in den Ursprungsländern.“ Oregano ist eigentlich im Mittelmeerraum zuhause, wird aber weltweit in warm gemäßigtem Klima angebaut.

Wer kein Risiko eingehen will, kauft frischen Oregano im Topf oder zieht ihn selbst an einem sonnigen Platz im Garten oder auf dem Balkon und achtet beim Pflücken der aromatisch würzigen Blätter darauf, kein Unkraut zu erwischen.

Rundschau abonnieren