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In Sachen LiebeWenn die alten Eltern sich nur noch streiten

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Viele erwachsene Kinder beobachten dass ihre Eltern im Alter miteinander gereizt umgehen.

  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier in der Kolumne „In Sachen Liebe” Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und alles, was Paaren begegnet.
  • In dieser Folge befasst sich Peter Wehr mit der Frage, wie sich erwachsene Kinder verhalten sollen, wenn Eltern im Alter nicht milde werden, sondern aufeinander gereizt reagieren.

Meine Eltern sind beide seit fünf Jahren pensioniert, und langsam merkt man, dass sie älter werden. Mein Vater ist auffällig gereizt und wird laut, wenn es beim Essen um politische Themen geht. Auch am Autosteuer steigt sein Stresspegel schnell. Vor allem aber hat sich der Umgang zwischen meinen Eltern verschlechtert. Meine Mutter erklärt oft laut am Tisch, dass es gerade niemanden interessiere, was Vater sage. Umgekehrt fährt er ihr oft harsch über den Mund. Ich (46) kann das nur schwer ertragen, weiß aber auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Meistens versuche ich zu schlichten. Grundlegend ändert sich dadurch aber nichts, zumal ich nur einmal in der Woche zu Besuch komme. Muss ich einfach damit leben, dass sich meine Eltern verändern und auf ihre alten Tage ein zankendes Ehepaar werden? Vermutlich haben Sie Weihnachten oder Teil des Weihnachtsfestes bei Ihren Eltern verbracht.  Ich hoffe, Sie hatten es schön und fühlten sich nicht allzu sehr gefordert, zwischen Ihren Eltern zu vermitteln. Denn ich nehme an, Sie haben es auch diesmal wieder versucht, und selbst an Weihnachten hat es nichts gebracht, auch wenn Sie es sich so sehr gewünscht hätten. Leider wird es auch zukünftig nicht erfolgreich sein. Auch dann nicht, wenn Sie die beiden häufiger besuchen würden. Es ist nicht ratsam, dass Kinder mit ihren Eltern ein „Kommunikationstraining“ machen oder sich gar in einer Art Paartherapie versuchen. Eltern nehmen das einfach nicht an – es sind ja auch vertauschte Rollen.

Ich frage mich, ob Sie wohl auch schon früher zwischen Ihren Eltern eine vermittelnde, regulierende Rolle in schwierigen oder in konflikthaften Situationen übernommen haben. Und ob diese sich derzeit aufgrund der relativ neuen Situation des Ruhestands nur zuspitzt. Kennen Sie diese Rolle? Oder ist sie eher neu? Denn es kann sein, dass Sie auf diese Weise schon damals Defizite Ihrer Eltern im Umgang miteinander ausgeglichen haben.

Übrigens finde ich, dass Ihre Eltern sooo alt noch gar nicht sind. Ende 60 oder Anfang 70? Natürlich  altern Menschen unterschiedlich, und ich kann ja nicht wirklich einschätzen, ob Ihre Eltern schon besonders gebrechlich sind oder geistig stark abbauen. Allerdings kommt es durch Ihre Fragestellung so nicht bei mir an: Zumindest im Streit scheinen beide noch sehr lebendig zu sein.

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Sie sind eine besorgte und eine genervte Tochter. Vielleicht sind Sie zu besorgt und zu wenig genervt. Ich biete Ihnen hypothetisch mal eine alternative Sicht zu Ihrer Version des Älterwerdens an: Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Eltern es versäumt haben, einen guten Übergang in den Ruhestand zu suchen und ihr Leben darin aktiv zu gestalten – so, dass sie damit zufrieden sind.

Und vielleicht ist ihre Aggressivität weniger ein Ausdruck des biologischen Alters als vielmehr der Unzufriedenheit mit ihrem Leben und möglicherweise sogar ihrer Langeweile – Ausdruck all dessen, was sie aneinander auslassen. Daran können Sie nichts ändern, gar nichts. Ist es früher zwischen den beiden eigentlich anders gewesen?  Sind sie vor ihrem Ruhestand liebevoll miteinander umgegangen?

„Mobilisieren Sie Ihren Ärger“

Ich möchte aber jetzt gar nicht so viele Hypothesen aufstellen, weshalb Ihre Eltern sich so verhalten, wie sie es tun, sondern vielmehr mit Ihnen überlegen, was Sie tun können, um einen guten und hilfreichen Umgang mit dieser Situation zu finden. Sagen Sie Ihnen zum Beispiel, wie belastend Sie das aggressive Verhalten Ihrer Eltern empfinden, so belastend, dass Sie sogar mich fragen, was Sie dagegen unternehmen können.

Falls Ihre Eltern abwehrend reagieren, mobilisieren Sie Ihren Ärger und drücken ihn deutlich aus, etwa so: „Ich habe immer weniger Lust, euch zu besuchen, wenn ihr so entwertend miteinander umgeht. Ab jetzt werde ich mich übrigens nicht mehr einmischen. Wenn ihr euren Umgang miteinander nicht in den Griff bekommen wollt, ist das eure Sache, so bedauerlich das auch für mich sein mag.

Wenn euch eure Beziehung und euer gemeinsames Leben noch wichtig sind, dann solltet ihr euch vielleicht Hilfe holen, zum Beispiel in einer Paarberatungsstelle.“ – Das klingt ziemlich ungewohnt für Sie? Je ungewohnter, umso besser! Auf diese Weise geben Sie Ihren Eltern nämlich die Verantwortung für deren Beziehung zurück. Und nur dann bekommen sie wirklich eine Chance auf Veränderung.

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