Omikron-Varianten BA.4 und BA.5Wann es einen angepassten Corona-Impfstoff geben wird

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Impfstoff Symbolbild

Bei den Impfstoffen gegen Corona wird ständig nach Verbesserungen gesucht.

Berlin/Köln – Während die bislang letzte Impfung gegen das Coronavirus immer weiter zurückliegt, haben sich die Corona-Zahlen in den vergangenen Wochen wieder in luftige Höhen begeben. Da drängt sich die Frage nach Auffrischung des Impfschutzes auf. Impfung Nummer vier – mit dem Vakzin, das gegen die allererste und längst nicht mehr dominante Variante entwickelt wurde? Die Forschung sucht eifrig nach Verbesserungen der Impfstoffe. Vakzine gegen Omikron oder sogar gegen mehrere Mutanten werden erprobt oder stehen schon vor der Zulassung. Und auch an einem besseren Impfschutz vor Infektionen wird gearbeitet. Ein Überblick.

Lange kann es nicht mehr dauern, traut man den Planungen des Gesundheitsministeriums: Für den Herbst plant die Bundesregierung bereits eine neue Impfkampagne, und zwar für ein speziell auf Omikron zugeschnittenes Vakzin. Zwar schützen die Impfstoffe, die aktuell im Umlauf sind, weiterhin gut vor schweren Erkrankungen, wie Expertinnen und Experten betonen. Allerdings weisen die Omikron-Varianten eine solch hohe Zahl an Mutationen auf, dass die Pharmaunternehmen angefangen haben, ihre gegen den Wildtyp aus Wuhan gerichteten Impfstoffe auf Omikron anzupassen.

Impfstoff gegen Omikron – Moderna und Biontech/Pfizer zuversichtlich

Sowohl Moderna als auch Biontech und Pfizer sendeten hinsichtlich der Anpassung bereits zufriedene Signale. Bis zum Herbst könnten die frisierten Vakzine zugelassen und auf dem Markt sein. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA), die die Omikron-Impfstoffe von Moderna und Biontech aktuell im Rolling-Review-Verfahren überprüft, rechnet mit einer Zulassung im September.

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Der Zeitplan ist allerdings noch sehr vage. Denn die Omikron-Impfstoffe sind auf BA.1 zugeschnitten, mittlerweile dominieren die Varianten BA.4 und BA.5. Je nachdem, wie stark diese in die Entwicklung und in die Abwägung über die Zulassung einbezogen werden, könnte sich der Start der Omikron-Impfstoffe verzögern. So hatte erst kürzlich die in den USA zuständige Zulassungsbehörde FDA darauf gedrängt, für den Herbst einen Impfstoff zu entwickeln, der möglichst eine BA.4/BA.5-Komponente enthalten soll. Die Hersteller der Vakzine betonen zwar, dass ihre frisierten Impfstoffe auch gegen BA.4 und BA.5 wirken – wie gut, lässt sich allerdings nicht sagen. Es gibt auch Stimmen von Expertinnen und Experten, die sagen, dass ein angepasster Impfstoff kaum oder nur moderate Vorteile bringt.

Forschung an Corona-Vakzin gegen mehrere Varianten

Nun gibt es also bald einen angepassten Impfstoff, da ist das Virus schon wieder zwei Schritte voraus. Um das Hinterherhecheln der Vakzine zu beenden und das Rennen um die nächste Mutation anzuführen, wird aktuell in verschiedensten Projekten an Impfstoffen geforscht, die sich gegen mehrere Varianten und auch solche, die eventuell erst noch entstehen, richten: sogenannte Universal-Impfstoffe. Hier gibt es einige Ansätze, wie schwierig die Entwicklung eines solchen Vakzins aber ist, zeigt ein Blick auf die Grippe. Schon seit Jahren versuchen Forschende, einen Universal-Impfstoff gegen Influenza zu entwickeln, bislang ohne Erfolg. Der Grippeimpfstoff wird jährlich auf die aktuell zirkulierenden Viren angepasst.

Das Problem ist das Spike-Protein des Coronavirus. An ihm setzen die aktuellen Corona-Impfstoffe an, es ist aber besonders anfällig für Mutationen und verändert sich dementsprechend häufig. Forschende des Walter Reed Army Institute of Research (WRAIR) in den USA wollen sich deshalb besonders breit aufstellen. Sie wollen das Eiweiß-Molekül Ferritin als Impfstoffträger benutzen, das sich zu einer Art Kugel formt und so verschiedene Antigene präsentieren kann, gegen die der Körper im Anschluss an eine Impfung Antikörper bildet. In Versuchen mit Primaten soll das Vakzin eine breite Antikörperantwort gegen mehrere Sars-CoV-2-Varianten und sogar gegen Sars-CoV-1 hervorgerufen haben.

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Das US-Unternehmen ImmunityBio nutzt statt verschiedener Spikes mehrere Proteine. Neben dem Spike-Protein konzentriert es sich auf das weiter innen liegende Nucleocapsid-Protein des Coronavirus, das weniger anfällig für Mutationen als das Spike-Protein ist. Laut der Nachrichtenagentur Reuters arbeitet auch das deutsche Pharmaunternehmen Biontech gemeinsam mit seinem US-Partner Pfizer an Corona-Impfungen, „die vor der gesamten Virusfamilie und ihren Mutationen schützen.“ Die Entwicklung universeller Impfstoffe, die gegen eine ganze Reihe verschiedener Virusmutationen wirken, steht allerdings noch am Anfang.

Auch an Impfung gegen Corona-Infektion wird geforscht

Zudem können all diese Ideen ein weiteres Problem der Corona-Impfstoffe nicht lösen. Während der Schutz vor einer schweren Erkrankung nach der Impfung länger anhält, wird das Schutzschild vor einer Infektion nach wenigen Monaten deutlich schwächer. Das liegt daran, dass Sars-CoV-2 zuerst die oberen Atemwege befällt und sich dort ausbreitet. Die Antikörper, die der Körper nach der Impfung bildet, zirkulieren aber im Blut und befinden sich nur zu einem kleinen Teil in den oberen Atemwegen. Sinkt der Antikörperspiegel einige Zeit nach der Impfung wieder, macht sich das also besonders in Nase und Rachen bemerkbar: bei einer Infektion in Form eines milden Verlaufs und der Ansteckung anderer. Manchmal befinden sich nach einer Impfung sogar keine Antikörper in Nase und Rachen.

Auch hier suchen Forschende nach einer Lösung. Der Ansatz ist simpel: Sollen die Antikörper zahlreich in den oberen Atemwegen vertreten sein, muss der Impfstoff auch dorthin. Anstatt ein Vakzin per Spritze in den Muskel im Oberarm zu injizieren, könnte es als Spray oder mit einer Pipette in der Nase verabreicht werden und seine Arbeit dort in den Schleimhäuten aufnehmen. Eine Alternative zu dieser nasalen wäre die orale Verabreichung, also über den Mund. Auch so können die Schleimhäute der oberen Atemwege erreicht werden.

Sechs nasale Corona-Impfstoffe bereits in letzter Studienphase

Dass diese Theorie auch in der Praxis funktionieren kann, zeigen Versuche mit Hamstern. Den Tieren wurde der Corona-Impfstoff von Astrazeneca jeweils in die Nase oder in den Muskel verabreicht. Beide Varianten konnten die Viruslast bei einer späteren Infektion im Vergleich zu ungeimpften Tieren senken, die Hamster mit nasaler Impfstoffaufnahme wiesen allerdings im Vergleich zur Impfung in den Muskel weniger Viruslast auf. Und auch die Antikörperspiegel im Blut waren nach nasaler Verabreichung höher. Allerdings stellt die Dosierung bei nasalen Impfstoffen ein Problem dar. Zum einen ist nicht ganz klar, wie mit verstopften Nasen umzugehen ist. Zum anderen kann ein Niesen nach der Verabreichung die Dosierung verändern.

Potenzial haben nasale Impfstoffe, weil sie nicht nur schwere Verläufe, sondern auch, zumindest nachhaltiger als die bislang eingesetzten Corona-Impfstoffe, Infektionen unterbinden. Weitere Forschung ist aber noch nötig. Stand Ende März dieses Jahres gab es laut „Public Library of Science“ 73 Forschungsprojekte zu Impfstoffen, die über die Schleimhäute der oberen Atemwege aufgenommen werden: 67 nasale und sechs orale. 17 dieser Impfstoffe befinden sich in klinischen Studien, sechs bereits in Phase 3, der letzten vor dem Antrag auf Zulassung.

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