Optische VeränderungNeue Frisur nach Trennung – hilft das bei der Verarbeitung?

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Die optische Veränderung nach einer Trennung: Soll ich oder soll ich nicht? 

Köln – Nach einer Trennung haben manche Menschen das Bedürfnis, sich zu verändern. Und sei es auch nur ein neuer Haarschnitt. Woher rührt der Drang zur optischen Veränderung? Und kann sie tatsächlich dabei helfen, das Ende einer Beziehung besser zu verarbeiten? Wir haben mit der Kölner Psychologin Damaris Sander darüber gesprochen.

Frau Sander, warum wollen viele Menschen sich nach einer Trennung äußerlich verändern?

Die Kölner Psychologin Damaris Sander.

Die Kölner Psychologin Damaris Sander.

Damaris Sander: Wir stärken unsere Identität durch äußere Merkmale und dadurch, dass unser Umfeld diese wahrnimmt. Bekannte sagen zum Beispiel: „Du bist so und so“ – diese konkreten Zuschreibungen und Aussagen helfen uns immer wieder die Klarheit über die eigene Identität zu behalten. Unsere gesamte Persönlichkeit spiegelt sich nun mal auch über die Kleidung, die Frisur und andere Statussymbole wieder. So zeigen wir anderen wer wir sind.

Dieses Identitätsgefühl tragen wir also nicht nur in uns, es ist auch äußerlich sichtbar. Eine Trennung ist ein sehr großer Einschnitt, der unser Bild von uns selbst verändert: Plötzlich sind wir nicht mehr der Partner von dieser Person, sondern zum Beispiel die Frau, die sich getrennt hat. Um sich das selbst zu vergegenwärtigen und diese neue Situation zu verarbeiten, kann es durchaus helfen, auch äußere Merkmale zu verändern – zum Beispiel mit einer neuen Frisur.

Ist der Wunsch nach äußerlicher Veränderung bei Frauen und Männern gleich stark vorhanden?

Sander: Nicht ganz. Bei Männern zeigt sich die Veränderung bei anderen Dingen. Sie sind es nicht gewohnt, ihre Identität so stark über das Äußere auszudrücken. In der Regel ändern Männer nicht ihre Frisur, sondern kaufen sich stattdessen vielleicht ein neues Auto. Darüber hinaus sind Herrenfrisuren häufig sehr uniform, da gibt es nur wenig Spielraum. Sie haben aber den gleichen Veränderungsdrang.

Hilft die optische Veränderung bei der Verarbeitung einer oder Trennung überhaupt?

Sander: Nein, es funktioniert nicht kausal. Wir können anderen nicht sagen: „Geh zum Friseur und dann wird dir die Trennung leichter fallen!“ Aber: Ich beobachte regelmäßig in meinen Sitzungen, dass der Wunsch in den Personen entsteht, sich äußerlich zu verändern. Wenn Sie den Wunsch hegen, dann ist das gut und in dem Fall sollten Sie auch den Mut zu Veränderung aufbringen und sich zum Beispiel eine neue Frisur zulegen. Ganz klassisch ist, dass die Haare kürzer werden. Oft hatten Frauen in der Beziehung lange Haare, was ja auch ein typisches Bild von Weiblichkeit darstellt. Und kurze Haare sind mit Emanzipation verbunden.

Frauen, die sich für die neue Kurzhaarfrisur entscheiden, denken sich häufig: Jetzt bin ich nicht mehr abhängig von einem Mann, ich löse mich aus der Beziehung und gehe aus dieser Opferrolle raus. Auch wenn ich gekränkt, verletzt und verlassen wurde, bin ich jetzt aktiv und werde mein Leben in die Hand nehmen. Die veränderte Frisur ist immer auch ein Teil von dieser neuen Lebenseinstellung. In Kombination mit der neuen Sicht auf das Leben, hilft der neue Haarschnitt tatsächlich bei der Verarbeitung der Trennung. 

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für eine optische Veränderung nach einer Trennung?

Sander: Die neue Frisur oder die optische Veränderung sind nichts, was man sich vornehmen sollte, das ist ein Prozess der in der betroffenen Person abläuft. Schock, Wut, Trauer oder Empörung: Erst wenn die typischen Phasen einer Trennung durchlaufen wurden, kommt der Abschnitt der Neuorientierung und das ist der Zeitpunkt, an dem man zum Friseur geht. Es bringt nichts, sich zu früh dazu zu entschließen. Drei Tage nach der Trennung kann dieser Schritt sogar kontraproduktiv sein und die Betroffenen wieder in die vorherigen Trauerphasen zurückwerfen. Man muss die Phasen der Verarbeitung seelisch durchlaufen.

Wie lange dauert die Verarbeitung einer Trennung in der Regel? Stimmt der Leitsatz, dass wir mindestens die Hälfte der Beziehungszeit brauchen, um über den Ex-Partner hinweg zu kommen?

Sander: Es gibt keinen Leitsatz, der oft zutrifft. Beziehungen laufen sehr unterschiedlich ab. Die Verarbeitung kann länger dauern als die Hälfte der Beziehungszeit, sie kann aber auch viel schneller gehen. Das hat viel mit der eigenen Persönlichkeitsstruktur zu tun und auch mit der Frage: Welche Funktion hatte diese Beziehung für mich?

Wenn ein Mann zum Beispiel wenig Selbstbewusstsein hat und sich eine vermeintlich starke Frau als Partnerin ausgesucht hat, von der er dann aber verlassen wurde, stellt sich die Frage, ob er das irgendwann erkennt und bereit ist an seinem eigenen Selbstbewusstsein zu arbeiten.

Oder der besagte Mann bleibt wie er ist und sucht sich schnell die nächste Partnerin, die diese Lücke ausfüllt. Dann wird man als Außenstehender sagen, dass der Mann nach einem halben Jahr schon wieder in einer neuen Beziehung ist und die Trennung schnell und gut verarbeitet hat – doch das hat er vielleicht gar nicht. Er hat nur sein geringes Selbstwertgefühl erneut mit einer anderen Frau kompensiert.

Also: Es hängt immer sehr davon ab, welche Funktion die Partnerschaft für einen Menschen hatte. Es dauert immer länger eine Trennung zu verarbeiten, wenn jemand eine starke Abhängigkeit zu seinem Partner hatte. Der Leitsatz stimmt also nicht.

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Hilft es überhaupt sich nach einer Trennung nach Leitsätzen und Regeln zu richten?

Sander: Oft fragen mich Menschen, ob sie denn schon wieder bereit für eine neue Beziehung sind, weil ihre vorherige Partnerschaft noch gar nicht so lange her ist. Die Patienten haben dann genau diesen Leitsatz im Kopf und das Gefühl, dass sie noch gar nicht gar nicht in einer neuen Beziehung leben „dürfen.“ Die Betroffenen glauben, dass es noch gar nicht sein kann, dass sie die alte Liebe bereits verarbeitet haben. Diese Denkweise ist nicht hilfreich.

Wie sollte man stattdessen mit dem Wunsch umgehen?

Sander: Wer den Wunsch nach einer neuen Beziehung hat, den ermuntere ich immer und sage ihm, dass die Fühler ruhig ausgestreckt werden können. Dann wird die Person sehen, was passiert. So schnell kommt man ja auch nicht wieder in eine neue Partnerschaft. Der erste Schritt als Single ist erst einmal die Augen offen zu halten und sich umzuschauen, wer überhaupt gefällt. Erst im nächsten Schritt folgt dann die Kontaktaufnahme.

Wer in dieser Phase auf Online-Portalen unterwegs ist, kann sich auch mit der Person treffen und dann spürt der Single, ob er bereit ist oder er merkt nach dem Date, dass es ihm total schlecht geht und er immer an den Ex-Partner denkt. Dann ist man aber trotzdem schlauer als zuvor.

Deswegen rate ich Patienten immer, auf ihr eigenes Gefühl zu schauen und sich in Selbstwahrnehmung zu üben. Die Getrennten sollten Dinge ausprobieren und auch bei den Dates, die schieflaufen nimmt man eine neue Eigenschaft an sich selbst wahr. Ich rate Getrennten dazu, sich von vermeintlichen Regeln zu lösen und mutig nach vorne zu tasten. Regeln und Leitsätze helfen bei der Verarbeitung einer Trennung nicht.

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