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Schlafcoach von Jürgen KloppMit diesen acht Tipps sind Sie morgens viel ausgeruhter

Lesezeit 8 Minuten
Klopp

Jürgen Klopp - mal nicht so ausgeruht.

  • Der Schlafcoach von Jürgen Klopp und der englischen Liga weiß: Wer im Alltag unter Strom steht, braucht optimale Ruhephasen.
  • Wie haben den britischen Schlafguru Nick Littlehales besucht – und acht Tipps mitgebracht, die uns viel besser schlafen lassen.

Köln – Der Mann, der den Sportstars zeigt, wie man schläft, wirkt nachdenklich. Nick Littlehales, hager, Anzughose, Lederschuhe, steht an einem sonnigen Frühlingsmorgen vor einem Backsteinhäuschen im ruhigen Süden von Nottingham. Trotz ergrauten Haars, strahlt er Jugendlichkeit aus. „Gutes Wetter, sehr ungewöhnlich hier“, knurrt Littlehales. Er spricht ein rotziges Englisch, auch wenn man das, was er sagt, eher in sanftem Yogalehrer-Ton gewöhnt ist. „Der Blick auf die Bäume, das Zwitschern der Vögel – ich habe hier gerade einen Ruhemoment genossen.“ Er nennt das „kontrollierte Erholungsphase“, „controlled recovery phase“ (CRP). „Wir versuchen doch heute immer mehr zu machen und immer schneller zu sein“, sagt er. „Wir nehmen alle diese Momente weg. Da hilft es, bewusst eine CRP einzulegen.“

Vor 20 Jahren begann Littlehales Manchester United zu beraten. Die Presse machte sich lustig: Er bringe die Spieler ins Bett und decke sie zu. Aber kurz darauf gewannen die Mannschaft das Triple aus Champions League-Titel, englischer Meisterschaft und Pokal. Daraufhin engagierten viele Premier-League-Vereine Littlehales. Später folgten Cristiano Ronaldos Club Real Madrid und das Profi-Radteam Sky mit Bradley Wiggins, der daraufhin die Tour de France gewann. Heute berät Littlehales zum Beispiel die teuerste Fußballmannschaft der Welt, Pep Guardiolas Manchester City – gerade englischer Meister geworden – und Jürgen Klopps FC Liverpool, Champions League-Finalist. Littlehales Buch „Sleep. Schlafen wie die Profis“ ist in zehn Sprachen übersetzt.

Ohne dass Littlehales etwas dafür getan hätte, liegt sein Thema plötzlich im Trend. In einer Zeit, in der Achtsamkeit und Meditation boomen, richtet Littlehales den Fokus auf die natürlichste aller Erholungsmethoden , den Schlaf. Von allen Seiten gerät dieser unter Druck. Ständige Erreichbarkeit, Netflix, Smartphone, Social Media. Aber Littlehales ist keiner, der das moderne Leben verteufelt. Er hat während der Arbeit mit Athleten gelernt, pragmatische Wege zu erholsamem Schlaf trotz Stress zu finden. Im Leistungssport gibt es die übervollen Terminpläne und den Dauerdruck, der heute vielfach in der Arbeitswelt zu finden ist, schon lange. Wer weiß, wie man vor einem Champions-League-Finale schlafen kann, der wird auch vor der nächsten stressigen Präsentation zur Ruhe kommen. Das ist zumindest die Hoffnung von Littlehales’ Kunden und Lesern.

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Littlehales führt ins Haus. In die Dreizimmerwohnung im Erdgeschoss ist er gerade erst eingezogen, und es ist offensichtlich, dass er Beruf und Privatleben kaum trennt. Im Wohnzimmer stapeln sich neben dem Sofa neue Matratzen, auf dem Keyboard an der Wand liegen zusammengefaltete Bettdecken. Hinter dem grünen Ohrensessel, der eingekeilt ist zwischen einem Ficus und einer Reihe Kissen, stehen auf der Fensterbank fünf Bücher, alle zum Thema Schlaf.

Littlehales’ ungewöhnliche Karriere begann ohne Ausbildung. Während der Schulzeit interessierte er sich vor allem für Sport. Leichtathletik, Fussball, Cricket und Golf. Am meisten Spaß machte ihm Fussball, aber über ein Probetraining bei einem Viertliga-Club kam er nie hinaus. Statt wie seine Freunde zu studieren, nahm er mit 19 das Angebot an, als Assistent in einem Golfclub zu arbeiten, er stand hinter dem Tresen des internen Golf-Shops. Dafür bekam er ein bescheidenes Einkommen und konnte den Großteil des Tages trainieren. So wurde er schnell zum Trainer mit Profi-Lizenz. Fünf Jahre lang gab er Golfstunden, dann heiratete er seine Freundin, mit der seit dem 16. Lebensjahr liiert war. Mit 24 wurde er zum ersten Mal Vater. Um seine Familie unterhalten zu können, stieg er im Möbelgeschäft seines Schwiegervaters ein. Eines der Produkte, das er fortan verkaufte, waren: Matratzen.

Mit Ende zwanzig wechselte er in die Industrie, fuhr fortan für die Firma Slumberland aus Manchester durch die nordenglische Provinz, um den Möbelgeschäften Matratzen zu verkaufen. Nach wenigen Jahren war er Marketing-Chef. Und als Vertreter von Oldham Athletic, einem Fußballverein, der in der Nachbarschaft der Matratzen-Fabrik spielte, ihn fragten, ob er nicht auf ihren Trikots werben wolle, sagte er zu. So kam er als Sponsor in die Fußballwelt, die ihm als Spieler verschlossen geblieben war.

Treffen mit Alex Ferguson

Auf einem Empfang traf er Alex Ferguson, den legendären Trainer von Manchester United. Kurze Zeit später klagte einer seiner Spieler über hartnäckige Rückenprobleme. Manchester United kam auf Littlehales zu. Dieser empfahl dem Ballprofi eine weichere Matratze, die die Schmerzen zwar nicht kurierte, aber die Symptome linderte. Nach und nach verlangten immer mehr Spieler nach Rat. Littlehales realisierte: Von der Ernährung bis zum Training ist alles im Leben eines Profifußballers optimiert – aber niemand kümmert sich um die Ruhephasen.

Heute macht Littlehales genau das. Wenn er über seine Klienten spricht, klingt er wie ein Mechaniker, der ein Auto repariert hat. „Bei einem Spieler des FC Liverpool“, fährt er fort, „hing an jeder Wand ein Flachbildschirm – allein in der Küche zwei. Keine kleinen Fernseher, auf die man mal beim Kochen schaut, sondern Geräte mit 1,80 Meter Bildschirmdiagonale.“ Es sei schwierig den jungen Leuten zu vermitteln, dass so ein Dauerfeuer aus Ton und Bild nicht gut für sie sei. Zum Glück habe der Spieler auf ihn gehört. „Er hat das Haus verkauft und ein neues gebaut – diesmal ein Heim zum Leben anstelle des Vergnügungsparks zuvor.“

Als Littlehales 1998 die ersten Anfragen von Manchester United bekam, hatte er seinen Job bei der Matratzenfirma bereits gekündigt. Den Schlaf von Menschen verbessern, das wollte er. Manchester United beriet er zunächst unentgeltlich. Nachdem der Club das Triple gewonnen hatte, meldete sich auch der FC Arsenal, wo gerade der Arsène Wenger seine Arbeit als Trainer aufgenommen hatte. Er lud Littlehales für einen Vortrag ein: Sein erstes Honorar als Schlafcoach. Er sprach über die richtige Matratze, als zwei junge Spieler fragten, ob sie das von ihm mitgebrachte Exemplar mal ausprobieren könnten. Die beiden alberten herum, machten Kopulationsbewegungen, alle lachten. „Für die jungen Kerle war die einzige Assoziation zur Matratze Sex.“ Bis ein Spieler aufstand und rief: „Das reicht jetzt! Wir sind hier, um uns das anzuhören, also seid mal ruhig.“ Es war der französische Weltmeister Thierry Henry, der mit seiner Autorität den Schlafcoach rettete und dafür sorgte, dass er nicht als Lachnummer in Erinnerung blieb.

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Danach veränderte Nick Littlehales seine Präsentation. Er sprach nicht mehr von Schlaf, sondern von mentalen und physischen Erholungsphasen, nicht mehr von Nickerchen, sondern von CRPs. Er erfand die R(ecovery)-90-Methode, das heißt, er teilt Schlaf in Portionen von 90 Minuten ein. So lange dauert der Durchschnittszyklus, in dem wir die verschiedenen Phasen vom Tief- bis zum REM-Schlaf durchlaufen. Wer nach der R-90-Methode schläft, zählt man nicht mehr die Stunden Schlaf pro Nacht, sondern die Zyklen, die man pro Woche geschlafen hat. Schlafen nach dem Leistungsprinzip. Er erfand damit Begrifflichkeiten, um harten Kerlen so etwas vermeintlich unmännliches wie tiefen Schlaf nahe zu bringen.

Littlehales geht ins Wohnzimmer, zieht einen alten Lederkoffer unter dem Fernseher hervor. Daraus holt er einen Bildband, klappt ihn auf, zeigt auf einen Mann, der über einem Rennwagen lehnt. „Mein Vater - er hat die Einspritzung beim Benzinmotor erfunden“, sagt er. Nick Littlehales hebt den Blick, vor ihm liegt ein Matratzenstapel. „Heute hat jeder Benziner diese Technik – und vielleicht schläft irgendwann jeder mit der R-90-Methode.“

Acht Tipps vom Schlafguru:

■ Position: „Ich empfehle die Seitlage, denn auf dem Rücken liegend sind die Atemwege verengt und Bauchschläfer verdrehen die Wirbelsäule“, sagt Littlehales. „ Beine etwas anziehen, die angewinkelten Arme vor den Oberkörper legen.“ Rechtshänder auf der linken, Linkshänder auf der rechten Seite.

■ Unterlage: „Viele Menschen schlafen auf einer zu festen Matratze“, sagt Littlehales. „Man sollte mit der Schulter so tief einsinken, dass der Kopfes nahezu auf der Matratze liegt, ohne ein Kissen unterlegen zu müssen.“ Mit der richtigen Matratze braucht man nur ein sehr schmales Kopfkissen.

■ Raum: Das Schlafzimmer von allem bereinigen, was nicht Schlaf und Erholung dient. „Achten Sie auf neutrales Dekor und Ordnung. Vermeiden Sie grelle Farben und Bilder, die Ihren Geist anregen.“ Stattdessen sollen man Gegenstände, die ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln, wie Familienfotos.

■ Licht: Unser Tagesrhythmus funktioniert über Licht. Es bewirkt, dass das Hormon Melatonin, das uns müde macht, abgebaut wird und wir wach werden. „Deshalb sollte man möglichst dunkel schlafen.“ Zwei Stunden vor dem Schlafengehen keine Monitore benutzen.

■ Temperatur: Kühler als der Rest der Wohnung, aber nicht kalt, am besten 15 bis 18 Grad Celsius. „Notfalls auf den Boden legen, dort ist es kälter als im Bett.“

■ Dauer: Wer nach der nach der R(ecovery)-90-Methode schläft, zählt nicht die Stunden Schlaf pro Nacht, sondern die Zyklen, die er pro Woche geschlafen hat. Das nimmt den Druck von der einzelnen Nacht. „Egal ob man am nächsten Tag einen wichtigen Termin im Job zu bestehen hat. Es ist kein Problem, wenn man zwei Nächte in der Woche schlecht schläft – solange man genügend Zyklen einbaut.“ Gemeint sind Pausen, vom kurzen Abschalten, bis zum ausgedehnten Mittagsschlaf.

■ Geräuschpegel: Doppelglasfenster gegen Lärm von außen und Ohrstöpsel gegen solchen von innerhalb des Hauses helfen. „Es gibt auch nützlichen Lärm. Wayne Roony zum Beispiel brauchte früher das montone Geräusch eines Staubsaugers oder Haartrockerns, um einschlafen zu können.“

■ Partnerschaft: Das gemeinsame Bett sollte mindestens 1,80 m breit sein. „Als junge Erwachsene schlafen wir auf Matratzen, die mindestens 90 Zentimeter breit sind. Es gibt keinen Grund, warum wir in einer Partnerschaft weniger Platz bräuchten.“

Das Buch: Nick Littlehales: „Sleep. Schlafen wie die Profis“, Knaus Verlag, 240 Seiten, 16 Euro

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