Schlafexperte Dr. Michael Feld„Ein gestörter Schlaf ist die Midlife-Krise der Frauen“

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Schlafstörungen sind die Midlife-Krise der Frauen, sagt Schlaf-Experte Dr. Michael Feld. 

Köln – Frauen schlafen schlecht, weil Männer schnarchen. Kommen dann noch irgendwann Kinder mit ins Spiel, ist es endgültig vorbei mit den ruhigen Nächten beim weiblichen Geschlecht. Soweit die gängigen Klischees in Sachen Nachtruhe bei Frauen und Männern. Aber schnarcht nicht auch die junge Schwägerin und jammert der Kumpel nicht dauernd über seine Schlafstörungen? Es ist also komplizierter, wie uns auch die Schlaf-Medizinerin Professor Maritta Orth und der Kölner Schlaf-Experte Dr. Michael Feld bestätigen. 

Schlafen Frauen anders als Männer?

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Dr. Michael Feld ist Allgemeinarzt, Somnologe (DGSM) und Schlafmediziner mit eigener Praxis in Köln. Er ist Autor mehrerer Bücher (u.a. „Schlafen für Aufgeweckte“, „Gesundheitsdschungel“)

Tatsächlich lassen sich Frauen beim Schlafen leichter stören als Männer, sagt Michael Feld. „Frauen sind häufiger von Insomnien betroffen, also Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen oder vorzeitiges Erwachen. Und ihr Schlaf ist stärker hormonellen Einflüssen unterworfen, weshalb man den gestörten Schlaf als Midlife-Krise der Frauen bezeichnet kann." Als Gründe für Insomnien führt Feld biologische, psychologische und soziologische Faktoren an. Der sogenannte Nachtwächter- oder Hebammenschlaf ist so ein Beispiel: Er besagt, dass Mütter nachts eher hören, wenn der Nachwuchs schreit. Liegt der leichte Frauenschlaf also in der Natur der Sache?

Nicht unbedingt. Laut Feld ist es wissenschaftlich belegt, dass dieser Effekt auch sozialisationsbedingt ist, und Männer, die Elternzeit nehmen und sich um die Kinderbetreuung kümmern nach einer Zeit genauso leicht durch Geräusche im Schlaf gestört werden. Feld: „Fakt ist aber, dass sich Frauen in der Regel häufiger um die Kinder kümmern und zusätzlich arbeiten gehen. Weil sie ohnehin einen leichteren Schlaf als Männer haben, wächst durch die Mehrfachbelastung der Druck auf ihren Schlaf. Wir konnten nachweisen, dass berufstätige Mütter am schlechtesten schlafen."

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Prof. Dr. med. Maritta Orth ist Fachärztin für Innere Medizin und Schlafmedizin. Sie ist Chefärztin am Theresienkrankenhaus Mannheim. 

„Dabei muss aber zwischen jungen Frauen und Frauen nach der Menopause unterschieden werden", betont Professor Maritta Orth. Denn entgegen dem subjektiven Empfinden vieler junger Frauen, die über gestörten Schlaf und Schlaflosigkeit klagen, zeigten spezielle Schlaf-Untersuchungen: Frauen vor der Menopause schlafen vergleichsweise schneller ein als Männer, haben weniger nächtliche Unterbrechungen und mehr Tiefschlafphasen. „Mit zunehmendem Alter aber nehmen sowohl der Tiefschlafanteil, der für die körperliche Erholung wichtig ist, als auch der für die psychische Gesundheit bedeutende Traumschlaf ab“, sagt Orth.

Inwiefern ist Frauen-Schlaf von Hormonen beeinflusst?

In den Wechseljahren kommt es aufgrund hormoneller Veränderungen häufiger zu Insomnien und damit zu weniger erholsamen Schlaf. Rund 40 bis 60 Prozent aller Frauen sind davon betroffen. Schuld daran ist auch, dass „die die Produktion der schlaffördernden Hormone Östrogen und Progesteron im Zuge des Klimakteriums zunehmend eingestellt wird“, sagt Orth. „Daneben drosselt der Körper, übrigens auch bei Männern, die Produktion des Schlafhormons Melatonin, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert und hilft, freie Radikale in Schach zu halten", ergänzt Feld.

... und inwieweit vom Partner im Bett?

„Tests im Schlaflabor haben gezeigt: Schlafen Frauen allein, haben sie einen besseren, also ruhigeren und längeren Schlaf. Bei Männern verhält es sich andersrum. Ihr Schlaf ist erholsamer, wenn sie die Nacht neben ihrer Partnerin verbringen und schlechter, wenn sie alleine schlafen", sagt Feld. Frauen sind dazu noch häufig die Leidtragenden, wenn ihre Männer schnarchen, weil sie wegen ihres leichteren Schlafs dadurch häufiger geweckt würden.

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Frauen haben häufiger Ein- und Durchschlafprobleme. 

Schnarchen ist also reine Männersache?

Nein, natürlich schnarchen auch die Frauen – und zwar mehr als man denkt. Maritta Orth weiß: „Eine Studie zeigte, dass sogar 34 Prozent der jungen Frauen zwischen 25 und 34 Jahren mindesten drei Nächte pro Woche schnarchen aber nur 31 Prozent der gleichaltrigen Männer. Mit zunehmenden Alter wird die Wahrscheinlichkeit noch größer. Wir gehen davon aus, dass 50 Prozent der Frauen ab 50 Jahren schnarchen." Und auch hier sind Hormone im Spiel: „Progesteron wirkt auf die Muskulatur im Bereich der oberen Atemwege und sorgt dafür, dass die Atmung gleichmäßig ist. Lässt die Produktion in den Wechseljahren nach, kann das zu vermehrtem Schnarchen führen“, so Orth.

Schnarchende Frauen können, wie die Männer, unter Schlafapnoe leiden. Dabei setzt die Atmung immer wieder aus und Herz und Kreislauf werden belastet, was das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht. Betroffene sind tagsüber häufig müde, matt und erschöpft. Das Schlafapnoe-Syndrom wird bei Frauen aber häufig nicht in Betracht gezogen. „Da in unserer Gesellschaft wie in der Ärzteschaft leider immer noch die Vorstellung vorherrscht, dass Schnarchen männlich und ein wenig weibliches Attribut sei, wird eine Schlafapnoe bei Frauen viel zu selten diagnostiziert", sagt Orth. Auch die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. (DGSM) kritisiert, dass Schlafapnoen bei Frauen oft später erkannt würden als bei Männern, da Patientinnen seltener nach Symptomen wie Schnarchen gefragt und damit um die dringend notwendige Therapie gebracht würden.

Was hat die Gesellschaft mit schlechtem Schlaf zu tun?

„Schlaf ist tief geprägt von der Gesellschaft, in der wir leben“, schreibt die Historikerin Hannah Ahlheim in ihrem Buch „Der Traum vom Schlaf im 20. Jahrhundert“ und meint damit vor allem die Arbeitsweise: Denn unsere Arbeitszeiten bestimmen, wann wir aufstehen und ins Bett gehen. Hinzukommt, dass mit wenig Schlaf auszukommen in unserer Gesellschaft ein Statussymbol ist. „Langschläfer sind nicht unbedingt Leistungsträger und viele Stunden Nichtstun kosten viel Geld ", sagt Feld und fügt an: „Interessant ist, dass bei vielen Rentnerinnen und Rentnern die Schlafstörungen zwar objektiv gleichbleiben, sie aber nicht mehr darunter leiden, weshalb auch in meiner Praxis deutlich mehr Berufstätige Rat suchen.“ Was den Schlaf am negativsten und mehr als alle anderen Faktoren beeinflusse, sei der Gedanke, am nächsten Morgen wieder zur Arbeit gehen zu müssen. Feld: „Unsere moderne Lebensweise, zu der neben dem hohen Stellenwert der Arbeit, auch die permanente Erreichbarkeit, nie stillstehende Tablets und Handys zählen, erhöht den Druck auf den Schlaf stetig mehr."

Was hilft gegen Schlafstörungen?

„Schlafstörungen sind sehr individuell, solange aber keine Schlafapnoe oder etwa Depression ursächlich ist, hilft es, eine Stunde vor dem Schlafengehen runter zu kommen“, sagt Feld. Und meint damit: Fernseher und elektronische Geräte aus, gedimmtes Licht an, keinen Streit und keinen Sport. Feld: „Es gibt einen Schalter im Gehirn, der Schlafen nur ermöglicht, wenn die Körperkerntemperatur um durchschnittlich 1,5 Grad sinkt.“ Das Schlafzimmer sollte deshalb maximal dunkel, leise und kühl sein.

Ab wann sollten Schlafstörungen ärztlich behandelt werden?

Feld hält es mit der Dreier-Regel: „Dauern die Beschwerden länger als drei Wochen, treten sie öfter als dreimal pro Woche auf und liegen Betroffene länger als drei Stunden pro Nacht wach, sollten sie ihren Hausarzt oder einen Schlafmediziner aufsuchen.“

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