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Schlaftyp Eule oder LercheWie man es schaffen kann, die innere Uhr zu verändern

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Lerche, Taube oder Eule – die innere Uhr von Menschen unterscheidet sich.

  • In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  • Im April beantworten Expertinnen und Experten Fragen rund um den Schlaf.
  • Ob wir erst spät einschlafen können oder am liebsten mit dem ersten Hahnenkrähen aufstehen, hängt mit unserem Chronotypen zusammen.

Köln – Gehören Sie zu den Menschen, die schon mit dem ersten Hahnenkrähen topfit aus dem Bett springen? Oder bleiben sie lieber lange auf und kommen in der Früh nur mühsam aus den Federn? Ob das frühe Aufstehen für Sie eine Qual ist, liegt an Ihrem Chronotypen. Die extremen Frühaufsteher werden in der Schlafforschung als Lerchen bezeichnet und die nachtaktiveren Menschen als Eulen. Doch der Schlaf-Wach-Rhythmus der meisten Menschen liegt zwischen den extremen Früh- und Spättypen. Was der Chronotyp genau beschreibt, wie wir im Alltag darauf Rücksicht nehmen können und ob wir beeinflussen können, ob wir Eulen oder Lerchen sind, erklären zwei Experten. Sie beantworten auch, ob wir ein Leben lang Früh-oder Spätaufsteher bleiben.

Dass ein Tag 24 Stunden hat, stimmt fast exakt für die Länge der inneren Uhr des Menschen. Diese innere Uhr gibt wie ein Dirigent vor, wann was im Körper passiert, sagt Schlafforscher, Autor und Neurowissenschaftler Dr. Christian Benedict. Dazu gehören Abläufe wie der Schlaf-Wach-Rhythmus, aber auch wann welche Zellen der körpereigenen Abwehr ihre Arbeit aufzunehmen haben.

Damit der Körper im Takt mit dem 24-Stunden-Rhythmus der Erde bleibe, nutze die innere Uhr vor allem Licht am Tag und Dunkelheit in der Nacht. Kunstlicht am Abend, unregelmäßige Zubettgehzeiten und Dauerstress können unsere innere Uhr in ihrer Arbeit empfindlich stören. Eine langfristig gestörte innere Uhr kann Krankheiten hervorrufen. „Ohne äußeren Lichteinfluss beträgt die Länge der inneren Uhr, auch als zirkadianer Rhythmus bezeichnet, in Schnitt 24 Stunden und elf Minuten mit einer Varianz von nur 16 Minuten.“ Heißt: Wir Menschen haben einen erstaunlich ähnlich langen Rhythmus. Der einzige Unterschied: „Bei einigen Menschen beginnt dieser Rhythmus früher und bei anderen später. Unterschiedliche Rhythmustypen werden auch Chronotypen genannt.

Chronotypen: Eulen, Lerchen, Tauben

Forschende von der Russischen Universität der Völkerfreundschaft in Moskau haben sich damit beschäftigt, ob sich mehr Chronotypen als Eulen, Lerchen und ein mittlerer Typ unterscheiden lassen. Sie haben 2300 Studienteilnehmer zu ihrem Rhythmus befragt. Die Wissenschaftler haben sechs verschiedene Typen unterschieden: den highly active type (hoch aktiver Typ), den daytime sleepy type (tagsüber schläfriger Typ), den daytime active type (tagsüber aktiver Typ), morning type (Morgenmenschen), moderately active type (moderater Typ) und den evening type (Nachtmensch). Nachtmenschen kommen dabei morgens nur schwer in die Gänge und die Energie steigert sich zum Abend hin, Morgenmenschen wachen früh fit auf und verlieren Energie zum Abend hin, der hoch aktive Typ ist den ganzen Tag über wachsam, der tagsüber schläfrige Typ startet mit viel Energie am Morgen, hat sein Tief am Mittag und beendet den Tag mit einem mittleren Niveau, der tagsüber aktive Typ startet langsam in den Tag, hat seinen Höhepunkt am Mittag und den Rest des Tages moderate Energielevel, während der moderate Typ den ganzen Tag über ein niedriges Energielevel hat.

Der Chronobiologe Professor Till Roenneberg hält nichts davon, in der Biologie solche Kategorien zu bilden. Es sei wichtig zu wissen, dass manche Menschen den 24-Stunden-Rhythmus früher oder später beginnen. „Die extremen Typen sind Eulen und Lerchen. Die meisten Menschen liegen in der Mitte dazwischen – ich nenne sie Tauben.“ 

Alter, Geschlecht und Genetik spielen eine Rolle

Ob wir Eulen, Lerchen oder ein Typ dazwischen sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Genetik, Alter und Geschlecht spielen dabei eine Rolle. Als Kinder sind wir Frühtypen, Jugendliche verschieben ihren Rhythmus nach hinten. Danach werden wir schrittweise wieder mehr Frühtypen. „Über den Lebensverlauf ändert sich unser Chronotyp“, sagt Neurowissenschaftler Benedict. In einer Studie haben Wissenschaftler um Till Roenneberg das gezeigt. In der Pubertät verlagert sich der Rhythmus immer weiter nach hinten und findet bei Mädchen ihren Höhepunkt um 19,5 Jahre und bei Jungs um 20 Jahre. Männer sind deshalb im Erwachsenenalter im Schnitt spätere Chronotypen als Frauen. Dieser Geschlechterunterschied verschwindet ab einem Alter von 50 Jahren wieder und Frauen und Männer gehören beide in diesem Alter im Schnitt eher zu den früheren Typen.

Der einzige Aspekt, wie sich die innere Uhr und damit auch der Start des eigenen Rhythmus beeinflussen lässt, ist Licht und Dunkelheit, erklärt Roenneberg – je mehr Licht wir tagsüber ausgesetzt sind und je mehr Dunkelheit wir nachts ausgesetzt sind, desto früher liegt der biologische Rhythmus. In einer Studie mit Studierenden in Colorado hat man gesehen, wie deren Rhythmus bei einem Camping-Ausflug früh dran war, wenn sie nur dem hellen Tageslicht unter freiem Himmel ausgesetzt waren. Unter dem üblichen Kunstlicht in der Stadt oder der Uni war ihr Rhythmus viel später dran. Unter den Studierenden gab es Eulen und Lerchen, die jedoch unter den Camping-Bedingungen viel enger an einander lagen – nämlich nur etwa zwei bis drei Stunden auseinander. „In der industrialisierten Welt haben wir zwischen der frühsten Lerche und der spätesten Eule einen Unterschied von zwölf Stunden“, sagt Roenneberg.

Tageslicht und Dunkelheit können unsere innere Uhr und damit unseren Rhythmus stark beeinflussen. „Wer morgens nicht gut aufstehen kann, sollte besser mit dem Rad statt mit dem Auto zur Arbeit fahren, solange Sie dies bei Tageslicht tun können.“ Das helfe, um die innere Uhr früher zu stellen und die Bewegung helfe dabei, abends besser einschlafen zu können.

Spättypen werden in der Schule diskriminiert

Zum Weiterlesen

Till Roenneberg: „Wie wir ticken. Die Bedeutung der Chronobiologie für unser Leben.” Dumont, 316 Seiten, 11 Euro.

Christian Benedict: „Schlaf ist die beste Medizin. Schlau, schlank und gesund über Nacht - Schlafexperte Dr. Christian Benedict erklärt, wie es geht!”,Eden Books, 224 Seiten, 16,95 Euro.

Dinge, wie wann wir Sport betreiben, Mahlzeiten zu uns nehmen, wieviel Licht wir uns am Tag und Abend aussetzen und bestimmte Medikamente, können den Rhythmus unserer inneren Uhr nach vorne oder hinten verschieben. Dennoch werde eine Nachteule nie komplett zu einem Morgenmenschen oder umgekehrt, sagt Benedict. „Eulen, die erst spät am Abend oder in der frühen Nacht müde werden und häufig in den Morgen hineinschlafen könnten, haben es besonders schwer mit den frühen Schul-und Arbeitszeiten. Die frühen Lerchen hingegen nicht! Ein späterer Schulbeginn und flexible Arbeitszeiten könnten hier eine sinnvolle Lösung für Eulen darstellen.“

Till Roenneberg plädiert dafür, in der Schul- und Arbeitswelt mehr Rücksicht auf die Chronotypen zu nehmen. „In der Schule haben wir eine biologische Diskriminierung von Spättypen.“ Studien zeigen, dass Spättypen in den frühen Morgenstunden in Tests schlechter abschneiden und mit dem frühen Schulbeginn gegen ihren Chronotypen arbeiten müssen. Prüfungen zwischen 11 und 14 Uhr wären demokratischer, weil dort sowohl Früh- als auch Spättypen gute Leistungen erbringen können. „Schüler, die Spättyp sind und somit in den ersten Stunden gegen ihren Chronotypen arbeiten müssen, haben zum Beispiel viel geringere Chancen Medizin zu studieren, weil sie nachweislich schlechtere Abiturnoten schreiben. Im Studium mit flexibleren Lernzeiten kann man dann zwischen Lerchen und Eulen keine Leistungsunterschiede mehr feststellen. Es werden auf diese Weise also Lebenswege entschieden.“

Chronobiologie: Flexiblere Arbeitszeiten wirken sich positiv aus

In der Arbeitswelt sollte die Varianz an Chronotypen in der Bevölkerung genutzt werden, sagt Roenneberg. Die Frühschicht um 4 Uhr zu übernehmen sei für jemanden, der von alleine erst um 10 Uhr aufwachen würde eine Qual. Für einen Frühaufsteher, der ohne Wecker um 6 Uhr aufwacht, ist es dagegen ein viel geringeres Problem. „Was mit Arbeitszeitmodellen gemacht wird, ist vergleichbar mit einem Fabrikbesitzer, der Sicherheitsschuhe für seine Arbeitnehmer bereitstellen muss und sie nur in einer Schuhgröße anbietet. Die einen stolpern aus den Schuhen, die anderen bekommen Blasen und nur wenigen passt der Schuh.“

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Wie sich ein späterer Arbeitsbeginn und flexiblere Zeiten auswirken, haben Till Roenneberg und seine Kollegen in der Corona-Pandemie im „Global Chrono Corona Survey” untersucht. Sie haben 11.431 Erwachsene aus 40 Ländern, die wegen der Pandemie im Homeoffice gearbeitet haben, befragt. Das Ergebnis: Die Menschen haben sich mit ihren Schlafzeiten unter der Woche ihren natürlichen Schlafzeiten am Wochenende angeglichen. Den weggefallenen Arbeitsweg konnten die Menschen für eine längere Schlafenszeit nutzen. „Weniger sozialer Zeitdruck fördert den Schlaf und verbessert so die Gesundheit“, sagt Roenneberg. Könnten die Mitarbeiter näher an ihrem eigenen Rhythmus schlafen und arbeiten, steigere dies die Effektivität, die Motivation und die Stimmung im Team werde besser. 

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