Steigende TemperaturenSind Klimaanlagen und Ventilatoren Schleudern für Coronaviren?

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Ob Klimageräte Coronaviren verbreiten können, hängt von mehreren Faktoren ab. Experten erklären, was man beachten sollte, wenn man eine Klimaanlage nuzt (Symbolbild).

  • In der chinesischen Stadt Guangzhou soll ein Infizierter gleich mehrere Restaurantbesucher mit Covid-19 angesteckt haben. Das soll auch an der Klimaanlage im Restaurant gelegen haben.
  • Ob Klimaanlagen generell das Infektioinsrisiko erhöhen und Coronaviren verbreiten, erklären Experten für Hygiene- und Klimatechnik.
  • In Büros ohne Klimatisierung wird oft auf Ventilatoren zurückgegriffen. Sollte man davon während der Corona-Pandemie lieber absehen?

Köln – Steigen draußen die Temperaturen, schalten viele Unternehmen, Restaurants und Geschäfte Klimaanlagen ein, um in den Innenräumen für Abkühlung zu sorgen. Oder der Ventilator läuft auf der höchsten Stufe, um die Luft im Büro erträglicher zu machen. Doch viele Experten raten in der Corona-Krise dazu, möglichst viel zu lüften, weil draußen die Viruslast geringer ist als in Innenräumen. Ist es also sinnvoll, eine Klimaanlage zu nutzen oder verbreiten die Anlagen die Viren im ganzen Raum? Und wie sieht es bei Ventilatoren aus? Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Sind Klimaanlagen gefährlich, weil sie das Coronavirus verbreiten können?

Ob Klimaanlagen Viren wie das Coronavirus verteilen, kommt auf ihre Bauart an – Branchenverbände, das Umweltbundesamt und Experten sind sich einig, dass die Anlagen in Deutschland in der Regel keine Virenschleudern sind. Dirk Müller, Professor für Gebäude- und Klimatechnik an der RWTH Aachen, erklärt: „Die meisten Klimaanlagen in Deutschland funktionieren so, dass sie aufbereitete Außenluft in die Räume eines Gebäudes liefern. Dadurch werden alle Belastungen in der Raumlauft – auch Aerosole und Viren – verdünnt.“ Günther Mertz, Geschäftsführer des Fachverbandes Gebäude-Klima, ergänzt, dass die verbrauchte Raumluft nach außen transportiert werde, was die Virenlast verringere.

Wann kann eine Klimaanlage eine Infektion begünstigen?

Trotzdem geben Experten keine generelle Entwarnung. „Klimaanlagen könnten eine Verteilung von Viren unter bestimmten Umständen begünstigen. Hierbei spielt aber vor allem die Umgebung und die Situation eine entscheidende Rolle“, erklärt Dr. Jürgen Gebel vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn. „Eine Voraussetzung ist, dass bei einer SARS-CoV-2-Infektion neben den Tröpfchen auch Aerosole einen relevanten Übertragungsweg für die Viren darstellen. Nur dann können über den Luftstrom einer Klimaanlage die Coronaviren von einem unwissentlich Infizierten auf andere Personen im Raum übertragen werden. Eine weitere Infektionsgefahr besteht folglich auch dann, wenn die Klimaanlage die Luft aus diesem Raum ansaugt und sie nicht nach außen ableitet, sondern sie wieder in Innenräume zurückführt, ohne die Luft durch einen HEPA-Filter zu führen", sagt Dr. Ernst Tabori, Ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrum für Hygiene. Wird ein Virus ausschließlich über Tröpfchen übertragen, sind diese so groß, dass sie durch die Gravitationskraft auf den Boden hinunterfallen. Aerosole hingegen sind Schwebeteilchen, die in der Luft hängen bleiben.

Wann eine Klimaanlage problematisch sein kann und zur Verbreitung des Coronavirus führen kann, haben Wissenschaftler in einer Studie bei einem Fall aus dem chinesischen Guangzhou untersucht. Eine infizierte Person hatte in einem Restaurant gleich mehrere andere Personen angesteckt – bei der Verbreitung der Viren hat wahrscheinlich die Klimaanlage geholfen. „Die Anlage in China arbeitet mit ganz hohen Luftgeschwindigkeiten und reinen Umluftgeräten, so wurde die Luft im ganzen Raum verteilt. Das kann, wie in diesem Fall, zu einer Verbreitung von Aerosolen führen“, sagt Günther Mertz. Der Branchenkenner weiß aber, dass solche Anlangen in Deutschland nicht betrieben werden – schon gar nicht in fensterlosen Räumen, wie es bei dem Restaurant in China der Fall gewesen sei.

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Worauf sollte man achten, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten, wenn man eine Klimaanlage anschaltet?

Der Hygieniker Jürgen Gebel empfiehlt, eine Klimaanlage erst einzuschalten, wenn es nötig ist: „Sie sollte erst genutzt werden, wenn Lüften nicht mehr ausreicht, um die Temperatur auf einem Niveau zu halten, das arbeitsschutzrechtlich vertretbar ist.“ Werde die Klimaanlage genutzt, sei es wichtig, dass ausreichend Frischluft zugeführt werde, um einen Austausch mit der vorhandenen und gegebenenfalls mit Viren belasteter Luft zu gewährleisten. „Grundsätzlich sei es sehr ratsam, dass man sich selbst nie über längere Zeit direkt im kalten Luftstrom einer Klimaanlage aufhält“, sagt Tabori. Außerdem entzieht der Kühlungsvorgang eines Klimagerätes Feuchtigkeit und trocknet die Luft. Atmet man über längere Zeit trockene Luft ein, so können die Schleimhäute der Atemwege auch austrocknen. „Das reizt und irritiert die Schleimhäute und sie können vermutlich anfälliger für Infektionen werden. Eine wichtige Gegenmaßnahme beispielsweise während mehrstündiger Flüge: viel trinken, um die Schleimhäute feucht zu halten.“

Der Fachverband Gebäude-Klima empfiehlt, den Außenluftanteil der Klimaanlagen zu erhöhen und den Umluftanteil zu verringern. Außerdem sei es wichtig, dass sie die für die Anlage passenden Filter haben, die Aerosole aus der Luft filtern können. „Eine Klimaanlage sollte stets sauber sein, saubere Filter haben und regelmäßig gewartet werden“, sagt Mertz.

Was muss ich beachten, wenn ich einen Ventilator in einem Büro mit mehreren Personen nutze?

„Ventilatoren erzeugen Luftbewegungen, die gegebenenfalls Viren im Raum verdriften“, weiß Jürgen Gebel. Der Luftstrom eines Ventilator sollte niemals direkt auf eine andere Person oder sich selbst ausgerichtet sein, erklärt Tabori. „Wer einen Ventilator nutzt, sollte durchgängig oder zumindest sehr häufig lüften, um für frische Luft zu sorgen.“ Der Experte rät, wenn überhaupt dann einen Säulenventilator zu nutzen, der für eine gleichmäßige Verteilung sorgt und keinen, der die Luft von einer Person zu anderen transportiert. Generell empfiehlt Tabori, vor jedem Einsatz kritisch zu prüfen, ob die Inbetriebnahme eines Gerätes, welches die Luft verwirbelt, wirklich erforderlich ist.

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