Verspätete OsterbotschaftAnnette Frier feiert Jesus und die kollektive Liebe

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Annette Frier ist Schauspielerin und Komikerin aus Köln.

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
  • Hefeteig, Covid-19, Jesus: Was das alles miteinander zu tun hat, beantwortet in dieser Folge Annette Frier.

Köln – Liebe Kölner, wir haben’s geschafft! Ostern ist vollbracht. Ohne größere Menschenmengen, keine Beschwerden seitens der Polizei, wenig Anzeigen aus der aufmerksamen Nachbarschaft, wenn ich das richtig gelesen habe. Ich hab mich insgesamt ein bisschen beruhigt und bin nicht mehr so aufgeregt wie zuletzt – sagt man noch „vor den Osterferien“ oder heißt es „#4.Corontänewoche“?

Nennen Sie es Virus-Routine: Statt Drosten-Podcast am Abend habe ich das Puzzeln angefangen, statt Nachrichten in Dauerschleife Rummikup und Dösen. Nebenbei beobachte ich den Frühling bei der Übernahme der Gartenherrschaft, so schön, dass es schon fast wehtut mit diesem kristallklaren blauen Himmel jeden Tag. Und Nacht für Nacht lupenreinste, verlässliche Dates von Venus und Mond.

Der Regen zwischendurch kam wirklich unverhofft. Wie ein guter alter Bekannter, den man lange nicht gesehen und auch nicht wirklich vermisst hat, aber die Freude beim spontanen Wiedersehen: riesengroß!

Alles zum Thema Polizei Köln

Im Kleinen das Leben feiern

Das alles wahrzunehmen und trotz zermürbender Fragen an die angeschossene Republik heiter durch den Tag zu schlendern... das tut mir gut. Und den anderen drei Leuten, die hier mit mir wohnen, wahrscheinlich auch. Und irgendwie, also im großen Weltsinne, kann das doch auch nicht völlig falsch sein, dass wir ganz klein das Leben feiern, so oft es geht, ohne Schuldgefühl. Aber mit offenem Herzen. Also auch für die Kehrseite der heiteren Medaille.

Als Tochter einer katholischen Religionslehrerin bin ich spätestens seit meiner Kommunion großer Fan von Jesus. Diese Christen-Clubmitgliedschaft hat sich seit der naiven Ist-das-mit-der-Hostie aufregend!-Grundschuleuphorie natürlich oft verändert, viele Fragezeichen sind dazugekommen, viel Schulterzucken meinerseits in miesen Gottesdiensten, viel Fassungslosigkeit bezüglich der Aufarbeitung in Sachen kollektiver Missbrauchserinnerung. Aber die Vorwürfe gingen immer ausschließlich an den Verein, Jesus kann dafür nun wirklich nicht zur Rechenschaft gezogen werden. So bin ich nach all den Jahren also immer noch sein Fan, in so einer Art ganzheitlichem „Vorbild für ein sinnvolles Leben“-Kontext.

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Und dann stand seit Wochen dieses Datum bevor: Ostern. Erstmal Ostern kommen lassen! „Nach Ostern gibt es bestimmt Lockerungen!“ – „Der Laschet hat den Exit-Plan in der Tasche, der wartet nur noch Ostern ab!“ – „Nach Ostern machen die Schulen wieder auf.“

Osterbotschaft trotz Covid-19

Meinetwegen. Können wir alles besprechen. Aber warum nicht mal ein einziger Satz zur Osterbotschaft? Ich meine, so aus aktuellem Anlass? Ist doch genau unser Thema: Unendliches Leid. Immer. Ohne Nächstenliebe kein Gemeinsinn. Nirgends. Also die große kollektive Liebe, weil wir wirklich miteinander verbunden sind. Übrigens auch immer. Und dank Covid-19 ist das zurzeit für den satten mitteleuropäischen Durchschnittskonsumenten sogar voll transparent und total sichtbar.

Macht mich eigentlich jedes Jahr fertig, dieses schaurige Jesus-Finale inklusive Kreuzigung und – kaum zu glauben – Vergebung. Der Arme! Und kein bisschen hat er gejammert. Ich wär da anders.

Leseraufruf

Jede Woche beantwortet einer aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt; Wo Sie sich einen guten Rat wünschen!

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Schicken Sie Ihre Frage an:  in-sachen-liebe@dumont.de

Demut gegen Hefeteig

Also, was ich eigentlich sagen wollte: Ich wünsche Ihnen frohe Ostern gehabt zu haben. So richtig von Herzen. Hui. Jetzt hab ich mich beinah wieder verfahren auf der verstopften Gefühlsautobahn. Dabei wollte ich doch gerade ganz ziellos durch leere Gassen schlendern.

Ich geh jetzt in die Kirche... äh, Küche. Jesus, ich hab schon wieder Hunger. Oh bitte, lieber Gott, denkst du auch ab und zu nach Feierabend netterweise daran, dass ich in dieser Shutdown-Schockstarre nicht auseinandergehe wie ein Hefeteig? Ich gelobe, demütig und dankbar und stets sportbereit zu werden. Ab morgen. Oder übermorgen.

Guten Appetit, unser kleines, privates Küchenfamilienrestaurant ist immer geöffnet. Kommt nur keiner. Bleiben Sie gesund! Und heiter, bitte. Alles andere kommt sowieso.

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