Wenig Sauerstoff, ÖldämpfeWas das Fliegen ungesund macht

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Trockene Luft, wenig Bewegung: Fliegen bedeutet für unseren Körper Stress.

Trockene Luft, wenig Bewegung: Fliegen bedeutet für unseren Körper Stress.

Zwar schirmt die Kabine die Passagiere beim Fliegen ab, trotzdem ist der Luftdruck ein anderer. Das Klima an Bord entspricht einer Höhe von gut 2400 Metern. Die Folge ist, dass der Sauerstoffgehalt im Blut niedriger ist und das Blut langsamer fließt. Auch bei gesunden Passagieren sinkt die Sauerstoffsättigung der roten Blutkörperchen auf 90 Prozent. Hinzu kommt die extrem trockene Luft mit einer Luftfeuchtigkeit von maximal 15 Prozent.

Herz- und Lungenkranke können Probleme bekommen

"Trotz Druckkabine, die den Luftdruck auch in den großen Flughöhen konstant hält, ist Fliegen Stress für den Körper. Der Luftdruck entspricht einem Aufenthalt im Gebirge", erklärt der Facharzt für Innere Medizin und Flugmedizin, Dr. Tilo Henker aus Leverkusen die Besonderheit beim Fliegen. Im Reiseflug ist seinen Angaben zufolge der Sauerstoffgehalt der Atemluft somit geringer. Vor allem Herz- und Lungenkranke können deshalb Probleme im Flieger bekommen.

"Bei Start und Landung kommt es zu Druckveränderungen in der Kabine, die bei lungenkranken Menschen letztlich zu einer verminderten Sauerstoffversorgung der Organe führen. Dies kann in Verbindung mit dem möglichen Stress bedingt durch die Reise zu einer Herzkranzgefäß-Durchblutungsstörung bis hin zu einem Herzinfarkt führen."

Grundsätzlich ist es allen Personen erlaubt, zu fliegen, allerdings können Infekte sowie frische Operationen die Flugtauglichkeit einschränken. "In diesen Fällen sollte vor Reiseantritt der Arzt die Flugtauglichkeit bestätigen. Wenn nötig, müssen entsprechende Hilfsmittel, wie Sauerstoff, bei vielen Airlines im Vorfeld beantragt werden. So ist es auch Menschen, die an entsprechenden Erkrankungen leiden, möglich zu fliegen."

Babys können den Druck nicht ausgleichen

Bei Kindern gibt es prinzipiell keine Einschränkungen fürs Fliegen. Auch Babys können bereits fliegen. "Wenn sie noch sehr klein sind, kann man ihnen aber keine Maßnahmen zum Druckausgleich nahelegen, deshalb beginnen sie häufig das Schreien, sobald der Flieger in die Luft geht", so der Flugmediziner.

Es gibt Menschen, die unter Reisefieber leiden und die deshalb vor Aufregung vor dem Flug nichts essen. Flugmediziner Henker empfiehlt, wenigstens eine kleine Mahlzeit vor dem Fliegen zu sich zu nehmen. Nichts zu essen, sei genauso problematisch wie schwere Nahrung. Entscheidend aber sei eine ausreichende Trinkmenge, da die Luft im Flieger sehr trocken ist.

Wer regelmäßig Medikamente einnehmen muss, sollte diese auch beim Fliegen unbedingt griffbereit im Handgepäck verstauen. "Wichtig ist bei einigen Medikamenten ein vom Hausarzt unterschriebener Medikamentenplan. Bei mehreren oder komplizierten Erkrankungen ist eine Diagnoseliste ebenfalls sehr hilfreich, falls ärztliche Hilfe an Bord nötig ist", fügt der Fachmediziner hinzu.

Thrombose-Gefahr beim Fliegen steigt

Zwar ist das Risiko für Otto-Normal-Flieger relativ gering, während eines Fluges eine Thrombose zu bekommen. Trotzdem rät Henker, sich ab einer Flugzeit von drei Stunden regelmäßig, am besten einmal in der Stunde, zu bewegen. Das über mehrere Stunden stille Sitzen beim Fliegen auf beengtem Raum kann bei älteren Menschen, Übergewichtigen, Schwangeren, Rauchern oder frisch Operierten einen Blutstau verursachen, vor allem in den Beinvenen. Dabei wird die Blutzirkulation gestört, und ähnlich wie bei der Blutgerinnung kann sich Blut im Körper ansammeln und zu gefährlichen Verstopfungen des Kreislaufes führen.

Thrombosen entstehen prinzipiell durch zu langsames Fließen von Blut in den Venen. Werden die Muskeln zu wenig bewegt und wird möglicherweise zusätzlich der Blutfluss noch durch angewinkelte Beine beim Sitzen verlangsamt, besteht die Gefahr einer Thrombose. Da es beim Fliegen nicht immer möglich ist, während der Reise den Gang auf und ab zu laufen, helfen auch Gymnastikübungen, die man im Sitzen durchführen kann. Dazu gehören kreisende Bewegungen mit den Füßen oder das abwechselnde Ausstrecken der Beine.

Belastung durch Öldämpfe in der Kabine

Ein weiteres, aber von Fluggesellschaften eher verschwiegenes Risiko beim Fliegen ist kontaminierte Kabinenluft. Wie Dr. Hans-Peter Donate vom Deutschen Berufsverband der Umweltmediziner bestätigt, kam es auf einigen Flügen zu einer Belastung durch Öldämpfe in der Kabine. Der Grund: Fast alle Flugzeuge zapfen die Luft an den Triebwerken ab. Darin werden Öle benutzt, in denen giftige Stoffe wie TCP, ein Nervengift, enthalten sind. Werden diese Öle erhitzt und verdampfen, können sie in die Kabinenluft gelangen.

TCP oder Trikresylphosphat gehört zu der Klasse der organischen Phosphate. Früher wurde es als Benzinzusatz, als Weichmacher für PVC und als Hydraulikflüssigkeit genutzt. Weil der Stoff sehr giftig ist, wird er in vielen Bereichen nicht mehr verwendet, lediglich in Schmierstoffen für Flugzeuge ist er bis heute vorhanden. Kommt TCP in der Flugkabine vor, wird oft ein Geruch ähnlich wie Schweißfüße von den Passagieren wahrgenommen. TCP verursacht Übelkeit, starke Kopfschmerzen, Schwindel bis hin zu Lähmungs-erscheinungen.

Mehr Infos: www.dbu-online.de, www.flieger-arzt.com

Lediglich eine Dichtung trennt mit Öl geschmierte Teile des Triebwerkes von der Kabinenluft. Solche Dichtungen lassen konstruktionsbedingt bei Lastwechseln immer geringe Mengen an Öldampf durch, der durch die Belüftungsanlage in die Kabinenluft gelangt. Betroffene klagen über Übelkeit, Konzentrationsschwäche und kurzzeitigen Schwindel. "Nachzuweisen ist die Chemikalie im Blut nur bis zu fünf Stunden nach Aufenthalt im Flieger", sagt Donate.

Risiko für Personal und Vielflieger

Das Problem sei bekannt, bestätigt auch der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, auf Nachfrage. "Es hat bereits einige Untersuchungen von Teilbereichen gegeben, die aber noch kein schlüssiges Gesamtbild ergeben. Da auch die Airlines inzwischen der Meinung sind, dass man in Sachen Luft und Fliegen weiter aufklären möchte, wird es weitergehende Untersuchungen geben." Die Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein, ist scheinbar sehr gering, nicht zuletzt weil eine genetische Grundkonstellation wohl eine Rolle spielt, die nur wenige Menschen mit sich bringen. Da die Fälle, bei denen größere Mengen Öldampf in die Kabine eintreten, im Vergleich zur Anzahl der Flüge, nicht sehr häufig auftreten, ist also die Gefahr für einen Passagier, der nur hin und wieder fliegt, eher gering.

"Für fliegendes Personal und Vielflieger ist dieses Risiko entsprechend höher", räumt Handwerg ein: "Die Airlines haben inzwischen erkannt, auch wenn die Einschätzung über das verbundene Risiko ein anderes sein mag als unseres, dass man alleine im Sinne der Prävention jegliches eventuell vorhandenes Risiko in Bezug auf Fremdstoffe in der Kabinenluft, soweit technisch möglich, ausschließen sollte. Daran wird zusammen mit der Vereinigung Cockpit gearbeitet."

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