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„Du wirst hier nur Leid finden“Warum Touristen zu Bangkoks „Geister-Turm“ pilgern

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Eine der höchsten Bauruinen der Welt: der Bangkok Unique Tower.

Bangkok – Ein Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs in Thailand sollte er werden: Der 185 Meter hohe Wolkenkratzer Sathorn Unique Tower mitten in Bangkok. Doch das Hochhaus, mit dessen Bau 1990 begonnen wurde, ist nie fertiggestellt worden. Heute ist die Ruine als „Ghost Tower“ verschrien und ein beliebtes Reiseziel für Anhänger des „Dark Tourism“. Die Fans des Schwarzen Tourismus zieht es insbesondere an Unglücksorte und Schauplätze des Schreckens. Auf Instagram teilen Nutzer tausendfach Fotos des verfallenen „Geisterturms“.

Wurde der Geisterturm auf einem Friedhof errichtet?

Aber was ließ das Bauvorhaben scheitern? Und wieso eilt dem Sathorn Unique Tower so ein gruseliger Ruf voraus? Dem Turm sei eine glänzende Zukunft vorausgesagt worden, schreibt die Bangkok Post. In dem 49 Etagen hohen Gebäude nahe des Flusses Chao Phraya sollten Luxuswohnungen entstehen. Der Sathorn Unique Tower sollte als Schwesterhochhaus des State Tower errichtet werden. Doch die asiatische Finanzkrise machte Architekt und Projektentwickler Rangsan Torsuwan einen Strich durch die Rechnung. 1997 wurden die Bauarbeiten schließlich abgebrochen, obwohl der Rohbau aller 49 Stockwerke bereits stand.

Schon bei Baubeginn hatte es Gerüchte gegeben, dass das neue Wahrzeichen auf einem alten Friedhof entstehe und damit auf Leichen gebaut sei. So wurde das Image des „Geisterturms“ begründet. Dass in den Turm schließlich keine Yuppies einzogen, sondern die Ruine ein Zuhause für streunende Katzen, Fledermäuse und Vögel wurde, trug sicher weiter zum Mythos bei. 2014 erhängte sich ein junger Schwede im 43. Stock des verfallenen Gebäudes. „Seine Leiche wurde erst Wochen später gefunden, was den Ruf des Geisterturms noch zementierte“, heißt es in der Bangkok Post.

Touristen bestechen Wärter für Zugang zum Turm

Wärter sichern das Gebäude, um das ein komplexer Rechtsstreit entbrannt ist, zwar ab. Doch immer wieder gelangen Touristen in den Turm. Manche haben angeblich 200 Baht (rund fünf Euro) Schmiergeld gezahlt, um Zugang zur erhalten, so schreibt es die Bangkok Post. Instagram-Nutzer posten jedenfalls nach wie vor Fotos von sich in der verfallenen Ruine mit dem Blick über Bangkoks Skyline.

Erst Anfang September erklärte eine Instagram-Nutzerin, sie habe einen Mitarbeiter des Sicherheitspersonals bestechen können, um in den Turm zu gelangen. „Drinnen ist es so erschreckend still, aber die Aussicht von der Turmspitze lohnt sich sehr“, schreibt sie. Eine andere Userin hat ein Bild vom 32. Stock gepostet: Dort hat jemand auf Englisch an die Wand gesprüht: „Du wirst hier nur Leiden finden."

Auch wenn es in den jüngsten Tripadvisor-Rezensionen heißt, der Turm sei nicht mehr begehbar und das Gebäude komplett abgeschlossen, zeigen die vielen aktuellen Posts auf Instagram, dass es immer noch Touristen in den Turm schaffen. Dabei müssen sie laut einiger Tripadvisor-Nutzer damit rechnen, von einer Polizeistreife aufgegriffen zu werden, die dort wohl regelmäßig vorbeifährt.

Das Eindringen in den Turm ist extrem gefährlich

Hinzu kommt: Das Eindringen in den Turm ist extrem gefährlich. Davor warnt auch der Reiseführer Lonely Planet: „Obwohl die strukturellen Elemente des Turms vollendet wurden, ist zu berücksichtigen, dass große Löcher, fehlende Mauern und herabfallende Trümmer die Erkundung des Turms zu einer äußerst riskanten Aktivität machen.“

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Manche vermuten allerdings, der Turm sei auch noch aus anderen Gründen gefährlich. 20 Jahre nach dem Baustopp zitiert die Bangkok Post einen Wachposten, der in dem Gebäude angeblich regelmäßig von Geistern heimgesucht wird. Einmal habe ein schattenhaftes Wesen hinter einer Säule hervorgespäht. Der Geist habe in Gestalt eines schwarzhaarigen Arbeiters, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, dort gestanden und ihn beobachtet. Ein anderer Geist habe ihn gepackt und emporgehoben, als er krank gewesen sei. Als ein Paar Selfies in einem Aufzugschacht gemacht habe, seien auf den Fotos im Hintergrund schattenhafte Gestalten zu sehen gewesen, so der Wärter. Es ist nur einer von vielen Berichten im Netz über paranormale Begebenheiten im Ghost Tower, die zur Legendenbildung rund um den Turm beitragen.

Im Schwesterturm befindet sich die Sky Bar aus Hangover 2

Weitaus weniger gefährlich ist dagegen das Erklimmen des Schwesterturms State Tower, der – vom selben Architekten entworfen – tatsächlich fertiggestellt worden ist. Von der Sky Bar des Wolkenkratzers, die im Film Hangover 2 zu sehen war, hat man auch einen guten Blick auf die dunkle Schwester: So können Touristen die Ruine des Ghost Towers bewundern, ohne sich in die Nähe vermeintlicher Geister zu begeben oder einen Unfall zu riskieren.

Zuletzt wurde der Geisterturm übrigens als riesige Werbefläche für Coca Cola und das iPhone x genutzt. Die großen Konzerne schrecken vor der gruseligen Geschichte des Turms also offenbar nicht zurück. (rer)

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