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Erster Linienflug vor 100 JahrenPassagiere saßen ohne Gurt auf Gartenstühlen

Lesezeit 3 Minuten
Foto Flugsitze

Links ein Gartenstuhl-Flugsitz von 1928, rechts ein moderner Sessel von 1957

  • Am 22. März 1919 startete der erste internationale Linienflug, es ging von Paris nach Brüssel.
  • Nur ein Dutzend Passagiere hatten Platz, sie saßen unangeschnallt auf Sitzen, die eher wie Gartenstühle aussahen.
  • Später wurde das Fliegen eine mondäne Angelegenheit für Reiche.

Paris – Die Welt ist nur ein paar Flugstunden entfernt. Kaum ein Ort, der sich nicht erreichen lässt. Und das im Vergleich zu früher auch noch zu verhältnismäßig erschwinglichen Preisen. Vor 100 Jahren begann, was wir heute unter moderner Luftfahrt verstehen – wenn auch viel kleiner und um einiges abenteuerlicher.

Am 22. März 1919 öffnete die internationale Luftverkehrsstrecke von Paris nach Brüssel. Sie gilt als eine der ersten dieser Art. Die französische Airline Lignes Aériennes Farman führte die Flüge durch. Und wer Bilder von 1919 sieht, dem wird ein bisschen Angst und Bange: In einer Maschine der Airline ähneln die Sitze eher Gartenstühlen. Sicherheitsgurte gab es nicht. Nur gut ein Dutzend Gäste hatte Platz.

Man reiste mit feiner Kleidung und Hut

„Ganz früher musste der Pilot ein Stück weit Abenteurer sein, um sich dieser neuen Technik zu verschreiben. Und die Passagiere übrigens auch“, sagt Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Dann machte das Abenteuer dem Luxus Platz. Die frühe moderne Luftfahrt sei von der Schifffahrt inspiriert gewesen. Man reiste mit Hutkoffern und ein Steward bediente die Passagiere.

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Der Luxus habe mit den ersten großen Flugzeugen begonnen, sagt Autor Gunter Hartung. In den USA fing das etwa in den 1930er Jahren an, andernorts später. „Die Fliegerei war eine ausgesprochen mondäne Veranstaltung.“ Piloten galten als „Götter über den Wolken“ und der Beruf der Stewardess hatte ein hohes Renommee. Ein Traumberuf.

Die Maschinen wurden größer, das Essen kam auf dem Tablett und Sitze ließen sich nun ausklappen. Schließlich, so Schellenberg, wurde die Economyclass erfunden. Die vielen Sitze in den neuen großen Maschinen mussten schließlich gefüllt werden. Vorne Luxus – hinten etwas weniger. Manche Airline servierte damals einen eigenen Cocktail. „Und es wurde geraucht aus allen Rohren“, sagt Hartung.

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Einst flogen ausschließlich wohlhabende Menschen mit dem Flugzeug in die Metropolen der Welt. In den 1960er Jahren sei Fliegen auch in Deutschland zum Massenphänomen geworden, so Hartung. Folgen des Wirtschaftswunders. „Der Tourismus boomte.“ Es gab mehr Airlines und die Preise sanken.

Nach Daten des Weltluftfahrtverbands IATA sind in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen geflogen. Im Jahr 2017 wurden erstmals mehr als vier Milliarden Fluggäste registriert. Und im Himmel über Deutschland waren im vergangenen Jahr so viele Flugzeuge unterwegs wie nie. Laut IATA-Prognose könnte sich die Zahl der Flugpassagiere weltweit in den nächsten 20 Jahren noch verdoppeln.

Fliegen gehöre heute zum modernen Lebensstil, sagt Experte Schellenberg. Es gibt Low Cost, Classic, Business, First Class, Deluxe oder Privatjet. Jeder kann schauen, was er sich leisten kann. Damit hat sich aber auch das Flugerlebnis verändert.

Denn wer günstig fliegt, muss auf Annehmlichkeiten verzichten, die früher selbstverständlich waren. Kampf um die Gepäckablagen, in denen Passagiere kostenfrei ihr Handgepäck unterbringen wollen? Früher undenkbar.

Stewardessen müssen sich nicht mehr schminken

Auch bei den Kabinenpersonal hat sich viel verändert. Bei der Lufthansa waren die Röcke der Stewardessen in den 70ern fast auf Twiggy-Länge. Heute arbeiten in dem Beruf nicht mehr nur Frauen. Und Virgin Airlines hat gerade die Make-up-Pflicht für Stewardessen aufgehoben. Frauen müssen sich dort nicht mehr zwingend schminken, wenn sie nicht wollen. Heute verkaufen Stewardessen und Stewards nebenher noch Parfüm, Computerzubehör oder bei mancher Airline auch Rubbellose.

Die Arbeitsbedingungen haben sich geändert. Heute hätten sie viel weniger Zeit an einem Ort, sagt Hartung. Weil die Flugzeiten kürzer geworden seien, bleibe der Crew oft auch weniger Zeit für den Service. Nicht wirklich ein Traumberuf. (dpa)

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