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Wichtige FragenKunst sammeln für Einsteiger – 5 Experten verraten, worauf es ankommt

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Kunstsammler für Einsteiger: Fünf Experten erklären, wie das geht.

Köln – Bildbetrachtung aus fünf Blickwinkeln: Worauf kommt es an, wenn man eine Kunstsammlung aufbaut? Experten erklären, wie jeder zu einem Kunstsammler werden kann. Auf Wertsteigerung zu spekulieren, sollte nicht der Antrieb sein. Sechs Fragen und Antworten.

Unsere Experten: 

  • Robert Müller-Grünow
  • Anne Ganteführer-Trier
  • Alice Trier
  • Eric Klotzsch
  • Ulrike Remde

Wie schule ich meinen Blick für Kunst?

Robert Müller-Grünow: Viel, viel, viel sehen. In Ausstellungen, Museen, Kunstvereinen. Magazine lesen, und es gibt tolle Online-Angebote von Galerien. Das beste Beispiel dafür ist Johann König in Berlin. Er zeigt jeden Tag neue Dinge, Künstler und Ausstellungen und führt Gespräche. Die Galerie van Horn in Düsseldorf macht spannende Podcasts. Das Angebot ist mittlerweile riesig. Wir, „Die Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig“ haben zum Beispiel die vierteljährlich stattfindende Veranstaltung „Kunst im Kontext“. Da sprechen Experten über ein Werk, das ist öffentlich und kostenlos – und diese sind online zugänglich.

Anne Ganteführer-Trier: Am besten natürlich vor originalen Werken, also im öffentlichen Raum, in Museen, Kunstvereinen, Galerien und Kunstmessen. Auch die Vorbesichtigungen der Auktionshäuser, in denen man den Werken sehr nah kommen kann, sind nicht zu unterschätzen. 

Alice Trier: Für die Schule des Sehens besuche ich möglichst oft Museen und Galerien. Irgendwann bekommt man ein Gefühl dafür, warum etwas dort gelandet ist. Die Wurzeln zu verstehen, hilft die Kunst von heute einzuordnen.

Eric Klotzsch: Je mehr Ausstellungen man besucht, desto mehr schult man sein Auge. Und wenn das geschichtliche Wissen zunimmt, erkennt man zum Beispiel wiederkehrende Muster im Werk und weiß, wovon sich der Künstler hat inspirieren lassen. Seit Jahren besuche ich die Absolventen- oder Jahresrundgänge der Kunstakademie Düsseldorf, das war ein guter Einstieg.

Ulrike Remde: Schauen, schauen, schauen. Je mehr man schaut, desto mehr sieht man, überall: Ausstellungen, Filme, Fernsehen, Theater, Performance, Magazine, Mode, Design, alte Meister, Architektur all das öffnet den Blick.

Wo informiere ich mich, wenn, wie jetzt, die Art Cologne ausfällt?

Anne Ganteführer-Trier: Das ist auch aktuell vielfältig möglich. Galerien sind geöffnet, die Kunstmagazine erscheinen weiterhin, in der Buchhandlung König kann man aktuelle Kataloge entdecken und man kann im Gespräch mit anderen Sammlern bleiben. Die Kunstmessen bieten alternativ Online-Viewing-Rooms an und viele Galerien haben bedingt durch die Verschiebung der Messen ihre Homepages verändert. Grisebach bietet mit „Die Sucht zu sehen“ einen Podcast mit Rebecca Casati zu verschiedensten Themen der Kunst an, den ich nur empfehlen kann.

Eric Klotzsch: Von der Seite der Art Cologne zum Beispiel. Von anderen Messen und Instagram.

Ulrike Remde: Das ist natürlich sehr schade, dass die Art Cologne in diesem Jahr ausfällt, aber auch völlig klar und notwendig. Beschäftigung mit Kunst findet aber ja nicht nur auf der Messe statt sondern über das ganze Jahr, im Austausch mit Freunden und Bekannten.

Alice Trier: Galerien sind geöffnet und es geht nichts über die Wahrnehmung vor dem Objekt und das Gespräch mit dem Kenner. Die digitalen Angebote von Museen und Messen sind sehr professionell. Eine Übersicht über Ausstellungen im Rheinland bietet das von Linn Lühn publizierte „Cahier“.

Robert Müller-Grünow: Es gibt virtuelle Messen. Und was trotz all dieser Misere 2020 schön ist, dass Vieles gerade transparenter wird. Jemand, der erst anfängt, sich für Kunst zu interessieren, kann sich so auf die Art Basel begeben, die real am Anfang eher weit weg ist. Ein großer Vorteil ist auch, dass Preise gezeigt werden und man nicht mit Hemmungen am Messestand nachfragen muss. Sehr transparent, das finde ich super! Ein weiterer Vorteil ist, dass man nicht so viel unterwegs ist und viel mehr Zeit hat, über die Sache zu lesen. Wenn man jetzt in Galerien geht, hat der Galerist plötzlich auch wieder Zeit zur Vermittlung, und der Rezipient kann sich in Ruhe informieren.

Welche Galerien im Rheinland bieten einen Einblick in die junge Kunstszene?

Ulrike Remde: Oft haben junge Künstler ja noch gar keine Galerie. Einen guten Einblick verschafft man sich da zum Beispiel mit den Rundgängen in der Düsseldorfer Kunstakademie oder natürlich in den Kunstvereinen Köln, Bonn und Düsseldorf. Auch in freien Ausstellungsräumen wie Mélange und kjubh kann man spannenden Nachwuchs entdecken. Die Kuratoren sind jung und sehr innovativ.

Alice Trier: In Köln z.B. Jan Kaps, Ruttkowski;68, Drei, Berthold Pott; ak Raum, Choi & Lager, Nathalia Hug, Zarinbal Khoshbakht. In Düsseldorf z.B. Max Mayer, Lucas Hirsch oder Off–spaces wie Am Ende des Tages. Auch etablierte Galerien wie Buchholz, Capitain, Fischer oder Sies+Höke zeigen junge Künstler.

Anne Ganteführer-Trier: Ich empfehle, das Programm aller Galerien im Rheinland aufmerksam zu verfolgen. Auch Galerien, die inzwischen sehr etablierte Künstlerinnen und Künstler vertreten, zeigen immer wieder auch junge und unbekannte Positionen. Auch Akademierundgänge wie beispielsweise in Düsseldorf sind ein guter Ort für Entdeckungen.

Eric Klotzsch: Ich kenne lange nicht alle Galerien, aber ich bin mit Nils Müller, dem die Galerie Ruttkowski;68 gehört, gut befreundet. Ich finde seine Arbeit als Galerist sehr bewundernswert. Zu sehen, mit welcher Energie er seine Galerie führt, ist für mich auf jeden Fall inspirierend. Also diesen Ort kann ich nur empfehlen. Und auch die Berthold Pott Galerie ist bestimmt für Jung und Alt spannend.

Robert Müller-Grünow: Die klassischen in Köln: Buchholz, Captain und Nagel Draxler, die sowohl junge wie etablierte Kunst zeigen. Thomas Zander und Bene Taschen für Fotografie. Und von den jüngeren Galerien in Köln finde ich besonders Jan Kaps, Natalia Hug und Drei spannend (und einige mehr wie Ruttkowski;68, Thomas Rehbein, von Rosen, Delmes & Zander natürlich auch). In Düsseldorf Max Mayer, Sies+Höke, Linn Lühn, Lucas Hirsch, van Horn, Cosar, Konrad Fischer … alle in Flingern geben einen guten Einblick in die Szene.  

Woher weiß ich, dass ich die richtigen Objekte sammle, in Hinblick auf Ästhetik und Wertsteigerung?

Robert Müller-Grünow: Das kommt auf die Ambitionen an: Will man etwas, das schön aussieht für zuhause? Oder will man eine Sammlung aufbauen, die Relevanz hat? Auf Wertsteigerung zu spekulieren, ist ganz schwer. Wenn sie eintritt, super, wenn nicht, sollte man immer noch Spaß an den Arbeiten haben.

Ulrike Remde: Ich gucke ehrlich gesagt beim Kaufen überhaupt nicht auf Wertsteigerung oder Marktwert, sondern nur darauf, ob es mir gefällt. Wenn der Künstler dann durch die Decke geht, umso schöner, aber man selber lebt ja mit der Kunst. Das sollte man beim Kaufen immer im Kopf haben.

Anne Ganteführer-Trier: Wenn die Werke gefallen, etwas in einem auslösen, Fragen stellen, Sensibilität fordern, sind sie richtig. Ästhetik und Wertsteigerung sollten dabei nicht im Vordergrund stehen.

Alice Trier: Ist es besser Kunst zu besitzen, die was mit einem macht oder die nur auf Wertsteigerung setzt? Try & Error! Je mehr Ausstellungen/Publikationen ein Künstler hat, desto höher das Ansehen. „Articker“ gibt einen Überblick.

Eric Klotzsch: Ich unterhalte und berate mich immer mit Menschen, die schon länger mit Kunst in Berührung sind. Sie haben einen für mich spannenden Blick auf die Arbeiten. Bei mir ging es früher viel mehr um die Ästhetik als um die Geschichte rund um das Bild. Jetzt habe ich ein, zwei Bilder bei mir hängen, die in der Kunstgeschichte eine Rolle spielen, und ich sehe mich nicht satt an Ihnen wie bei manchen „dekorativen“ Bilder, die ich habe. So, als ob die Geschichte dazu, dem Bild einen größeren Tiefgang gibt, ohne das jetzt zu dramatisch klingen zu lassen. Es ist auf jeden Fall spannend zu sehen, dass eine Ästhetik sich verändert, je mehr man anguckt. Dann geht es schnell über das „das sieht ja schön aus“ hinaus. 

Ist es besser sich nur einem Künstler oder einer Richtung zu verschreiben?

Robert Müller-Grünow: Ich würde mir immer erst den Künstler genauer anschauen und dann sehen, was drumherum passiert. In welchem Kontext bewegt er sich und was passiert da? Wenn man einen Künstler interessant findet, schaut man, mit wem arbeitet er zusammen und mit wem wird er gemeinsam ausgestellt. Ich empfehle , die ersten institutionellen Ausstellungen eines Künstlers zu sehen. Sich mit jenen Künstlern zu beschäftigen, die von denen, die Ahnung haben, – Kuratoren und Museumsdirektoren – in eine Ausstellung gebracht wurden.

Anne Ganteführer-Trier: Bei den meisten Sammlerinnen und Sammlern kommt ein Werk zum anderen. Man sollte das nicht programmatisch angehen sondern seine Sammlung mit sich veränderndem Wissen und Erfahrung wachsen lassen. Der Gedanke, „nur“ mit den Werken eines Künstlers oder einer Künstlerin zu leben würde mich langweilen. Eine private Sammlung ist ja kein Museum.

Alice Trier: Ich bin ein Kind der 60er Jahre. Das wäre mir zu dogmatisch, zu konditioniert. Richte dich nach dem, was dich nachhaltig fasziniert und mach’ deine Sammlung zu einem Teil deines Lebens. Für den Einsteiger ist es einfacher, den Fokus auf nur eine Richtung oder eine Künstlergruppe zu legen.

Eric Klotzsch: Ich denke weder noch. Es ist, glaube ich, nicht so gut, ganz so konzeptionell an die Sache zu gehen. Sonst bekommt das Sammeln so eine Ernsthaftigkeit wie eine Aktie. Wenn es einzig auf die Wertsteigerung ankommt, – damit kenne ich mich nicht aus. Und sie ist für mich auch nicht der Anreiz, um Kunst zu kaufen. Das wäre mir zu wenig emotional. Es ist vor allem wichtig, das zu kaufen, was gefällt. Dann kann es, denke ich, komplett unterschiedlich sein. Also der Künstler und die Richtung. Aber es ist bestimmt gut, sich breit aufzustellen.

Ulrike Remde: Ich finde, man darf das sehr subjektiv entscheiden. Wenn ich mich mit einer Arbeit persönlich auseinandersetzen und eine Beziehung herstellen kann, dann muss sie zu mir. Bei den meisten Sammlern entwickelt sich das ganz von selbst. Und für Künstler ist es natürlich toll, wenn sich eine Kontinuität einstellt. 

Welche Kunst empfehlen Sie, wenn man 1000, 5000 oder 10.000 Euro anlegen möchte?

Robert Müller-Grünow: Mit 10 000 bekommt man schon interessante Arbeiten jüngerer Künstler. Ich würde nicht mit Auflagen oder Lithografie anfangen, lieber mit Unikaten. Dann hat man etwas Einzigartiges. Wenn man nicht viel Geld hat, sind viele Galeristen auch bereit, den Kaufpreis abzustottern. Und Fotografien gibt es schon für wenig Geld. Da muss man dann darauf vertrauen, dass es bei der Anzahl der Abzüge bleibt.

Eric Klotzsch: Ich empfehle, sich junge Künstler anzuschauen, die vielleicht noch gar keine Galerie haben. An Tagen wie Offene Ateliers kann man ins Gespräch kommen, nach dem Preis fragen. Ich habe kürzlich während der DC Open bei einer Ausstellung im Gewölbe eine Edition von Louis Mason gekauft. Das ist für mich zuallererst eine Win-Win-Situation, man kann es jeden Tag sehen und entwickelt eine emotionale Bindung. Da ist doch erst mal egal, ob es im Wert sinkt oder steigt.

Ulrike Remde: Für nur 60 Euro im Jahr kann man Mitglied im Kölnischen Kunstverein werden und erhält damit die Vereinsgabe, ein echtes Kunstwerk, dieses Jahr von Marcel Odenbach. Und exklusiv für die Mitglieder gibt es ab dem 17. November online wieder die Jahresgaben, wo man ebenfalls tolle Kunstwerke erwerben kann. Alles andere ist Glücksspiel!

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Anne Ganteführer-Trier: Mit kleinem Budget würde ich unbedingt auch die Jahresgaben der Kunstvereine oder Editionen von Kunstmagazinen beobachten. Und man sollte sich nicht abschrecken lassen, wenn ausgestellte Arbeiten zu hochpreisig für einen sind. Es lohnt sich immer zu fragen, ob die Galeristen noch andere Arbeiten anbieten können. Und auch die Online-Auktionen halten viele Überraschungen bereit.

Alice Trier: Eine gute Strategie wäre jährlich 5000 bis 15 000 Euro in Kunst anzulegen. So kann man eine bedeutende Sammlung aufbauen. Im Bereich von 1000 Euro kann man mit Editionen, z.B. von Avery Singer beginnen. Eine Fundgrube sind unsere New-Now-Sales, wo Arbeiten bedeutender Künstler ohne Reserve versteigert werden. Für 5000 Euro bekommt man Editionen von Imi Knoebel (Galerie Lethert). Im Bereich von 10 000 bis 20 000 Euro z.B. Melike Kara (bei Jan Kaps), Max Frintrop (bei Berthold Pott), Peppi Bottrop (bei Sies+Höke), Ei Arakawa (bei Max Mayer).  

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