Dachzelt-ReisenFamilie Berger macht Urlaub auf dem Autodach

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Auch aus dem Dachzelt heraus hat man die schönsten Aussichten. 

  • Seit sechs Jahren reisen Vater, Mutter, zwei Jungs und ein Hund mit dem Dachzelt quer durch Europa.
  • Geschlafen wird zu viert auf 1,80 mal 2 Metern, Wetter- und Windgeschützt, fern von kalten, harten Böden und dank zweier großer Fenster mit einem grandiosen Ausblick.
  • Bergers lieben es, so unterwegs zu sein - kennen aber auch die Widers eines Familienurlaubs auf dem Autodach.

Köln – Auf tausend und eine  hat es Lui noch nicht gebracht, aber immerhin 208 Nächte hat der Zehnjährige schon  im Dachzelt auf dem Top des elterlichen Land Rovers – Typ Defender – verbracht. Inmitten der faszinierendsten Gegenden der Schweiz, in Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien und Großbritannien.  Auf Elba, Rügen oder   Hiddensee.

Seitdem er vier  Jahre alt ist, bereist Lui Berger auf diese Weise gemeinsam mit seiner Familie die schönsten Gegenden Europas – in jeden  Sommerferien und wann immer es ein freies, warmes  Wochenende zulässt. Fragt man Lui, was das Schönste am Dachzelt sei, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: „Dass man darin schlafen kann!“ Soweit, so pragmatisch.

Flexibel, naturnah, unabhängig

Ein leidenschaftliches Gespräch mit seinen Eltern Katrin und Andreas Berger und seinem Bruder Ben, 12, später ist auch dem unbedarftesten Autodachschläfer klar: So ein Dachzelt-Trip hat wesentlich mehr zu bieten.  Allen Vorteilen voran:  Flexibilität , Naturnähe und Unabhängigkeit.

Auf den Geschmack kamen die Bergers im Jahr 2014, nachdem die  ein oder andere Unterkunftsanfrage ebenso frustrierte wie ein versuchter Zelturlaub.  „Mit zwei Kindern, damals vier und sechs Jahre alt, und einem Hund  ist man in vielen Ferienwohnungen und Hotels  nicht  erwünscht,  abgesehen davon, dass  ein Aufenthalt für die ganze Familie irre teuer ist“, sagt Katrin Berger - „Und wir Urlaube jenseits der eingetretenen Pfade mit möglichst viel Freiheiten schätzen“, ergänzt ihr Mann Andreas.

Zu feucht und kalt auf dem Boden

Die Alternative, ein einwöchiger Camping-Urlaub im Zelt, endete mit körperlichen Malässen: Der Familienvater kehrte mit einen steifen Nacken nach Hause, Mutter Katrin hatte eine schlimme Schulter und Lui litt unter einer Mittelohr-Entzündung. „Wenn wir weiterhin Urlaub in der Natur machen wollen, aber nicht auf kaltem, feuchten Boden, müssen wir etwas höher hinaus, da liegt ein Dachzelt auf der Hand“,  dachte sich Andreas Berger (seit jeher Defender-Fan, - Schrauber und -Besitzer) und begab sich in die virtuelle Welt der „Rooftop-Tent“-Fangemeinde, die sich auf deutsch selbst  Dachzeltnomaden nennt und mindestens so groß ist wie das Angebot im Netz.

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Nicht ganz 10001 Dachzelt-Modelle

Da tummeln sich beinahe 1001 Dachzelt-Typen und Varianten, als Hartschalen-Modell oder Klappdachzelt, für das große und das  kleinste Auto,  mit und ohne Vorzelt.

Auf der Homepage von „Mehari“, einem südafrikanischen Anbieter für Abenteuer-Ausrüstungen wurde Andreas Berger schließlich fündig: Das Modell „Eezi-Awn 1800“ bietet mit seinen – ausgeklappt – 1,80 mal 2 Metern genug Schlaf-Platz für Vater, Mutter, Kind eins und zwei, optimalen Wetter- und Windschutz und Dank seiner zwei großen Fenster  einen grandiosen Ausblick. Der Hund kann im Inneren des Land Rovers logieren. Bergers hatten Glück: Ein örtlicher Händler hatte das Zelt-Modell vorrätig – zum Preis von rund 3000 Euro.

Technisches

Dachzelt-Modell: Eezi-Awn Xklusiv 1800-Klappdachzelt (Es ist eines von rund 310 Dachzelt-Modellen, die es auf dem deutschsprachigen Markt gibt) Maße: L x B x H offen (Schlaffläche):  244 x 180 x 130 cm; geschlossen: 122 x 180 x 30 cm Gewicht: 90 kg So funktioniert’s: Ein Dachzelt besteht aus zwei mit Scharnieren verbundenen Bodenplatten, die zusammengefaltet  transportiert und im Stand aufgeklappt werden. Dazwischen spannt sich der Zeltstoff über das integrierte Gestänge .  Über einen Querträger wird das Zelt mit dem Auto fest verbunden.

In fünf Minuten auf- und abgebaut

„Wir wollten es möglichst praktisch und flexibel, haben uns deshalb für ein leichtes, schnell auf- und abzubauendes Klappzelt entschieden – es dauert jeweils maximal fünf Minuten. Es sollte auch während der gesamten Saison auf dem Dach des Defenders, den wir täglich nutzen, bleiben“, sagt Katrin Berger.  „Weshalb viele  Tiefgaragen jetzt für uns tabu sind“, wirft Ben ein. Und spricht damit einen der wenigen Nachteile an, der ihm und seiner Familie einfällt, wenn sie nach dem Für und Wider eines Dachzelts gefragt wird. 

Ein anderes Manko kommt Lui in den Sinn:  „Dass man manchmal  zusammengeschissen wird!" Mutter Katrin relativiert: Nur einmal in all den Jahren seien sie vertrieben worden, als sie im Tessin ihr Nachtlager auf einem Parkplatz neben einem Ferienhaus aufbauen wollten und Ben aus Versehen ein Taschentuch aus der Seitentür fiel. „Sonst mussten wir noch nie einen Schlafplatz verlassen.“

Wo man mit dem Dachzelt stehen darf

Bleibt die Frage, wo man sein Dachzelt samt Auto überhaupt abstellen darf, wenn man Freiheitsgefühl und  Naturnähe nicht missen möchte? Was ja  den originären Reiz eines Dachzelt-Abenteuers ausmacht.   „Dazu gibt es Regeln  und Gesetze, die von Land zu Land variieren und über die wir uns vor jeder Reise informieren, auch wenn man mit der Zeit ein Gefühl dafür entwickelt, wo man stehen kann und wo nicht“, sagt Katrin Berger.  Kein Thema ist es auf Camping- und öffentlichen Parkplätzen.

Absehen sollte man von Landschafts- und Naturschutzgebieten, wobei eine Nacht in britischen Nationalparks okay, in denen der Schweiz aber streng untersagt ist. Auch privater Grund ist tabu, es sei denn man hat eine Erlaubnis oder fragt die Besitzer. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Landwirte entgegenkommend sind, wenn sie nicht eh schon ihre Wiesen offiziell zum Campen zur Verfügung stellen.“ Bens Standort-Tipp: „In der Nähe von Berghütten oder Klettergebieten klappt’s auch oft unkompliziert, vor allem, wenn  dort schon andere Camper stehen.“ 

Wo kein Kläger, da kein Richter

Ansonsten gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter, wobei es selbstverständlich sein sollte, jeden Platz so ordentlich zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat. Oder um es mit Andreas Bergers Worten zu sagen: „Man sollte sich von jedem Standort wie von einer öffentlichen Toilette entfernen, mit nichts außer den Fußspuren.“ Ein Letztes  liegt ihm zum Thema Standplatz  am Herzen: „Es geht uns beim Campen  um das Natur-Erlebnis und nicht darum, Geld zu sparen oder  Campingplatz-Betreibern ihr Geld vorzuenthalten.   Weshalb wir Wert darauf legen, die Region und deren Tourismus zu unterstützen, indem wir so oft es geht  ortsansässige Restaurants oder Supermärkte nutzen.“

Kommt bei Bergers die Sprache auf die bislang schönsten Stellplätze, donnern die Vorschläge wie Kanonenkugeln durch den Raum: In diesem wunderschönen Tal im Berner Oberland, am Tessiner Flussdelta, auf dem Hügel in Nordengland, dem Felsen in den Westalpen, auf der Schaf-Wiese bei Brügge, am Hamburger Hafen, im ligurischen Gebirge bei Finale ...  

Für Pubertierende zu nah beieinander

Trotz aller Schwärmerei: „Ob  für unsere Jungs in letzter Zeit wirklich das Dachzelt das spannendste am Reisen war, oder eher die Fish and Chips in England und die Biketouren in Ligurien,  sei dahingestellt“,  sagt Katrin Berger und vermutet, dass  Dachzelt-Reisen mit der Pubertät ihrer Söhne  Vergangenheit sein werden.  Auch ihr Mann  befürchtet, dass sich das Faible dafür mit dem Alter verändert:  „Sie werden es mehr und mehr uncool finden,  so nah mit uns zusammen zu sein.“  Je mehr sie über die schwindenden Chancen eines gemeinsamen Dachzelt-Urlaubes  sprechen, desto mehr Nachteile kommen den Eltern  in den Sinn, so, als ob sie sich  ihre liebste Art und Weise unterwegs zu sein selbst  ausreden müssten:  Bei schlechtem Wetter verlangt sie eine große Flexibilität. Während man in einem Camper Regentage mit Spielen am Tisch überbrücken kann, bleiben einem im Dachzelt nur liegende Beschäftigungen, lesen zum Beispiel. Im Hochsommer weit in den Süden fahren? Zu heiß. Winterurlaube  im Skigebiet? Frostig!

Auf 1001 Nacht

Deshalb bleibt das Dachzelt in den kalten Monaten auch weiterhin  im Schuppen.

Bis die Dachzelt-Freunde, die Bergers im Laufe der Jahre auf ihren Reisen kennengelernt haben, anklopfen und  fragen werden, ob sie nicht wieder mit zum Geländefahrtraining nach Dijon kommen möchten.  Eine schöne Tradition und eine eingeschworene Gemeinschaft, die  Bergers genauso wenig missen möchten, wie die Stunden im Dachzelt.  Auf dass es 1001 Nächte werden. 

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