Die StilkolumneWie man im Ausland höflich ist, obwohl man die Sprache nicht spricht

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„Bitte“ und „Danke“ sollte man in der Landessprache beherrschen, sagt unser Kolumnist.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Folge rät Anatol Stefanowitsch, vor dem Urlaub die wichtigsten Grußformeln zu lernen. Das ist höflicher und sympathischer als direkt Englisch oder Deutsch zu sprechen.

Köln – Wenn uns die Pandemie nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht, fahren mein Mann und ich dieses Jahr endlich wieder einmal in den Urlaub. Es soll zum ersten Mal nach Kroatien gehen. Wie bei jedem Urlaub habe ich mir einen Sprachführer gekauft und übe fleißig Kroatisch. Mein Mann macht sich darüber lustig – er sagt, man könne sich mit etwas Deutsch und Englisch überall auf der Welt gut durchfragen. Ich finde es unangenehm, Menschen einfach auf Deutsch anzusprechen. Wer von uns hat hier recht?

Um diese Frage sinnvoll zu beantworten, müssen wir uns klar machen, dass Sprache im zwischenmenschlichen Umgang unterschiedliche Funktionen erfüllt. Einerseits dient sie zum Informationsaustausch (zum „Durchfragen“, wie Ihr Mann es nennt). Andererseits dient sie dazu, Beziehungen herzustellen und zu pflegen.

Im Urlaub steht meist der Informationsaustausch im Vordergrund – wir möchten den Weg zu einer Sehenswürdigkeit oder der nächsten Apotheke erfragen, den Preis für eine ohnehin verdächtig günstige Rolex weiter herunterhandeln oder einen Tisch reservieren. Hier hilft es tatsächlich weder Ihnen noch Ihrem Gegenüber, wenn Sie Ihre auswendig gelernten Phrasen aufsagen oder sie stockend aus ihrem Sprachführer vorlesen. Denn selbst, wenn Ihr Gegenüber erkennt, was Sie da gerade gesagt haben, werden Sie die Wegbeschreibung, das Gegenangebot oder die Rückfrage nach der gewünschten Uhrzeit für Ihre Reservierung ja nicht verstehen.

In der Landessprache jemanden suchen, der Deutsch oder Englisch spricht

Wenn Sie die Landessprache nur aus dem Sprachführer kennen, halte ich es deshalb für besser, gar nicht erst so zu tun, als ob man mit Ihnen ein Gespräch in dieser Sprache führen könnte. Machen Sie sich lieber die Mühe, jemanden zu finden, der mit Ihnen Deutsch, Englisch oder eine andere Sprache spricht, die Sie tatsächlich beherrschen. Aber versuchen Sie, bei Ihrer Suche die Landessprache zu verwenden. Lernen Sie also die Phrase „Sprechen Sie Deutsch/Englisch“ in der jeweiligen Sprache (für Ihr diesjähriges Urlaubsland: Govoriš li njemački/engelski?) – und natürlich auch die Wörter für „Ja“ und „Nein“, damit Sie die Antwort auch verstehen.

Damit erreichen Sie zwei Dinge. Erstens sorgen Sie dafür, dass Ihr Gegenüber Sie auch dann versteht, wenn es kein Deutsch oder Englisch beherrscht – und vielleicht jemanden holt, der es tut. Zweitens signalisieren Sie, dass Sie es nicht für selbstverständlich halten, dass man in Ihrer Sprache mit Ihnen spricht – womit Sie sich in den Augen Ihres Gegenübers auf sympathische Weise von gefühlten 90 Prozent der Urlaubsreisenden abheben werden.

Sprache hilft auch, Beziehungen aufzubauen

Und damit sind wir bei der zweiten oben genannten Funktion von Sprache, die oft als „phatische“ Funktion bezeichnet wird: Wir sprechen nicht nur miteinander, um Informationen auszutauschen, sondern auch, um eine Beziehung zu unserem Gegenüber aufzubauen, und sei sie noch so flüchtig. Höflichkeit spielt dabei eine wichtige Rolle, und zur Höflichkeit gehört es natürlich, Menschen in ihrem Land auch in ihrer Sprache anzusprechen. Wenn der Kontakt auf diese Weise hergestellt ist, können Sie versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden.

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Vielleicht gelingt es Ihnen ja, Ihren Mann davon zu überzeugen, wenigstens die wichtigsten Grußformeln und Höflichkeitsfloskeln zu verinnerlichen – „Guten Tag“, „Auf Wiedersehen“, „Bitte“ und „Danke“. Natürlich werden diese Phrasen ihm dann nicht beim Informationsaustausch helfen – dazu sind sie ja auch gar nicht da. Sie werden aber dazu beitragen, dass man überhaupt Informationen mit ihm austauschen möchte!

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