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Schätze im KellerWas sind Ihre alten Fundstücke wert?

Lesezeit 9 Minuten
Ist das große Kunst, oder kann das weg? Als Laie lässt sich das nur schwer beurteilen.

Ist das große Kunst, oder kann das weg? Als Laie lässt sich das nur schwer beurteilen.

Köln – Im Oktober 2009 brachte eine Dame aus dem Starnberger Raum einen geerbten Teppich zu einem Auktionshaus in ihrer Nähe. Der Auktionator schätze das Stück auf 900 Euro. Als der Teppich bei einer Versteigerung in Augsburg 19.700 Euro erzielte, freute sich die Frau. Doch später erfuhr die ehemalige Besitzerin aus dem Radio, was aus ihrem Teppich geworden war: Das edle Stück wurde bei Christie's in London erneut versteigert - und zwar für 7,2 Millionen Euro. So wurde der seltene Teppich zum teuersten der Welt. Die Dame zog gegen das Auktionshaus vor Gericht - und unterlag mit ihrer Klage auf Schadenersatz.

Was können Besitzer vermeintlich wertvoller Erb- oder Fundstücke tun, damit ihnen das nicht passiert? Antworten hat Kunsthistorikerin Nicole Ströll von der unabhängigen Kunstvermittlung und -beratung Art von Wert. Sie sorgt dafür, dass ihre Kunden echte Werte auch als solche erkennen - und am Ende möglichst einen Gewinn mit ihren Schätzen machen.

Frau Ströll, kann ich als Laie erkennen, ob ein Gegenstand wertvoll ist?

Nicole Ströll: Für Laien ist es schwer bis unmöglich einzuschätzen, ob ein Gegenstand wertvoll ist. Ein Bild ist vielleicht schön gemalt und hat eine bestimmte Signatur, die kann der Besitzer aber oftmals nicht lesen. Wenn doch, googelt er vielleicht ein bisschen im Internet und findet ein ähnliches Bild - aber richtig bewerten kann er es dadurch noch nicht.

Warum ist es sinnvoll, in diesem Fall einen unabhängigen Kunstexperten zu Rate zu ziehen?

Zum einen scheuen viele Besitzer den Gang zum Auktionshaus. Die Hemmschwelle ist oft hoch, weil sie denken: „Da darf ich nur mit teuren Sachen hingehen.“ Das Problem ist aber vor allem, dass viele Auktionshäuser, insbesondere kleinere Häuser, nicht spezialisiert sind. Unter Umständen erkennen sie wertvolle Stücke nicht - wie in dem Beispiel mit dem vermeintlichen 900-Euro-Teppich. Außerdem wollen Auktionatoren etwas verkaufen, deswegen können sie nicht unabhängig tätig sein. Sie sagen den Kunden: „Natürlich sind Sie hier optimal aufgehoben“ - auch wenn den Besitzern womöglich viel Geld durch die Lappen geht.

Hinterher ist der Ärger dann natürlich groß...

... deswegen raten wir den Kunden, sich schon vorab beraten zu lassen, und nicht einfach ahnungslos zum nächstbesten Auktionshaus zu gehen. Hinterher ist es nämlich relativ aussichtslos, das verlorene Geld wieder hereinzuholen - wie der Fall des 7,2-Millionen-Euro-Teppichs zeigt.

Ich habe noch Omas alte Briefmarkensammlung. Wie gehe ich am besten vor, wenn ich diese schätzen lassen oder verkaufen möchte?

Ob das Stück 50 Euro wert ist oder fünf Millionen - das ist im ersten Schritt egal. Am besten macht man erst einmal Fotos von dem jeweiligen Gegenstand und schickt uns die Bilder per Mail. Dazu schreibt man, woher das Stück stammt, wie lange es im Besitz ist und was man überhaupt darüber weiß. Dann bearbeiten wir das entweder im Haus oder fragen externe Fachleute aus unserem Netzwerk an, das wäre bei Briefmarken der Fall. In diesem Bereich gibt es nur eine Hand voll Experten, die verlässlich Auskunft geben kann.

Wenn Sie einen vermeintlich wertvollen Gegenstand haben, fotografieren Sie ihn. Eine Aufnahme mit dem Smartphone genügt. Bei einem Bild oder einer Skulptur sollten Sie auch die Maße angeben - und möglichst auch die Rückseite fotografieren. Die Fotos schicken Sie mit einer genauen Beschreibung - woher haben Sie den Gegenstand, was wissen Sie darüber, wie lange ist er schon in Ihrem Besitz - an info@artvonwert.de.

Für die Bewertung des Gegenstands sind verschiedene Kriterien wichtig: Wie alt, wie gut erhalten und einzigartig ist er? Ist er industriell oder in Handarbeit hergestellt worden? Stammt der Gegenstand aus einer Manufaktur? Auch Trends spielen eine Rolle: Wie gut wird das Stück derzeit auf dem Kunstmarkt nachgefragt?

Die Kunstexperten teilen dann innerhalb von einer Woche mit, ob das Stück tatsächlich etwas wert ist, ob und wo man es verkaufen sollte (Auktionshaus, Online-Plattform...). Zuvor wird genau recherchiert, welches der beste Verkaufsplatz ist.

Wie geht es dann weiter?

Wir ermitteln, worum genau es sich bei dem Stück handelt, ob es einen Wert hat - und wenn ja, in welchem Preisbereich der sich bewegt. Danach wissen Sie, ob Sie es auf den Sperrmüll geben sollten, eventuell bei Ebay und Kalaydo einstellen - oder ob sich der Gang zu einem bestimmten Auktionshaus lohnt. Soll das Stück versteigert werden, begleiten wir diesen Prozess ab einem Wert von ca. 3000 Euro, und wir klären mit dem Auktionshaus die bestmöglichen Konditionen. Ich schaue mir dazu auch die Verträge genau an, denn die Fachtermini und verklausulierten Formulierungen sind für Laien nur schwer verständlich. Für unsere Arbeit erhalten wir drei Prozent des Verkaufspreises als Provision.

Das heißt, dass Sie auch selbst ein Interesse daran haben, einen guten Preis für den Kunden zu erzielen.

Genau, es ist eine Erfolgsprämie. Wir sitzen mit dem Kunden in einem Boot. Je höher der Verkaufspreis ist, desto besser - am Ende auch für uns.

Keller oder Flohmarkt - wo findet man wertvolle Stücke? Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Kommt es vor, dass Leute kostbare Kunst im Sperrmüll oder auf dem Flohmarkt entdecken?

Durchaus. In den USA gab es einen Fall, wo tatsächlich eine Frau einen echten Renoir auf dem Flohmarkt erstanden hat - für 7 Dollar. Sie hat ihn gekauft, weil ihr der Rahmen des Gemäldes so gut gefallen hat. Das Bild stand zwei Jahre lang bei ihr in der Garage, bis sie es einem Experten vorgestellt hat, der das Stück auf 100.000 Dollar taxierte. So eine Schatzsuche kann also ertragreich sein - und es macht viel Spaß, wenn man eine Vorliebe dafür hat. Allerdings machen sich viele der Trödel-Händler vorher selbst schlau, was sie da verkaufen, deswegen muss man schon großes Glück haben.

Wo findet man denn nach Ihrer Erfahrung die meisten Schätze?

Auf dem Dachboden oder im Keller. Am häufigsten sind bei uns Erbschaften, wo zum Teil riesige Sammlungen weitervererbt werden. Manchmal wurde über zwei bis drei Generationen lang gesammelt, aber in keiner Form Buch darüber geführt. Dann stehen die Erben plötzlich da und denken sich: Was ist das überhaupt? Darüber hinaus sind die Sachen meist sehr teuer versichert, weil die Police vor Jahrzehnten abgeschlossen wurde - und man nie wieder hinterfragt hat, ob die Kosten noch gerechtfertigt sind. Zudem lässt sich Kunst schwer teilen, deswegen wollen viele Erben verkaufen und suchen bei uns Beratung. Wir helfen auch beim Transport und Fragen zur richtigen Lagerung weiter.

Was sind die kuriosesten Gegenstände und Anfragen, um den Sie sich bisher kümmern mussten?

Wir bekommen regelmäßig Raffaels angeboten, Rembrandts oder Tizians - sämtliche großen Namen, mit hundertseitigen Gutachten von Professor XY und allem drum und dran. Tatsächlich hängen die Originale aber meist im Museum, deswegen werden die Leute ihr angebliches Meisterwerk auch mit einem Gutachten nicht los. Langsam nehmen solche Anfragen zum Glück ab.

Aber es gibt auch positive Fälle. Wir hatten eine Kundin, die auf dem Dachboden ihrer Oma einen Spiegel gefunden hat, der mit einem Motiv bedruckt war. Er sah nicht besonders schön aus, aber wir haben festgestellt, dass der Spiegel von einem angesehenen Künstler namens Michelangelo Pistoletto stammt. Solche Stücke erzielen gut platziert Ergebnisse im fünfstelligen Bereich. Derart wertvolle Funde kommen nicht so oft vor, aber wenn man noch tausend Euro für den Kellerfund bekommt, ist das ja auch schon was.

Erleben viele Ihrer Kunden eine Überraschung?

Es gab einen Fund, da handelte es sich um zusammengezimmerte Latten. Sie hatten die Form eines Fußballtores, gespickt mit Nägeln. Tatsächlich war es ein signiertes Werk von Günther Uecker. Er ist ein bedeutender zeitgenössischer Künstler und arbeitet viel mit Nägeln. Wir haben das Tor-Werk vor einer Fußball-WM angeboten bekommen und es kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft in einer Auktion platziert. Damit erzielten wir einen fünfstelligen Preis. Und das für ein auf den ersten Blick „laienhaft zusammengezimmertes Ding“.

Also sollte man immer alles anfragen?

Ja. Dabei spielt das Alter des Gegenstands nicht unbedingt eine Rolle. Hundert Jahre alte Gemälde können nichts wert sein - aber manchmal bringt der „röhrende Hirsch“ doch etwas ein. Es kommt darauf an, wer ist der Künstler, von wann stammt das Bild, wie gut ist es erhalten - und natürlich ob es authentisch ist. Das kann man selbst eigentlich nicht feststellen, man benötigt Erfahrung. Es ist ja auch nicht schlimm, wenn das Stück am Ende nichts wert ist - zumindest sollte man aber mal angefragt haben. Bei Ebay kann man es immer noch reinstellen.

Welche Gegenstände sind auf dem Kunstmarkt besonders gefragt? Das verraten wir auf der nächsten Seite.

Bei welchen Gegenständen kann ich denn momentan mit einem guten Gewinn rechnen? Was ist besonders gefragt?

Das lässt sich so pauschal gar nicht sagen. Es hängt von den Bewertungskriterien ab, bei Teppichen sind das andere als bei Gemälden, Skulpturen oder Grafiken. Und der Markt muss die Seltenheit und den Erhaltungszustand auch erkennen. Man kann also als Laie nie sagen, „mit diesem Stück bin ich auf der sicheren Seite“ - ob ich es nun besitze oder kaufe.

Natürlich sind es auch Moden und Wellen, die da mit reinspielen, die Kinder kaufen wieder ganz anders als ihre Eltern. Ich sage meinen Kunden manchmal: „Wenn Sie die Zeit haben, lassen Sie das Bild einfach nochmal zehn Jahre hängen, und dann sprechen wir uns wieder“. Zehn Jahre sind eine Ewigkeit auf dem Kunstmarkt.

Ist handgemaltes Porzellan immer besser als industriell gefertigtes?

Das kann man so sagen, aber es kommt auch wieder auf die Manufaktur an, auf die Stückzahl, das Alter. Oft täuscht man sich als Laie, was Wert von altem Porzellan angeht. Hundert Jahre altes Meißner Porzellan kann am Ende gar nicht mehr viel wert sein - das ist sehr von einzelnen, seltenen Stücken abhängig. Das Geschirr von der Oma ist nicht automatisch kostbar, weil sich kaum jemand noch Porzellan zu Hause hinstellt.

Das gilt auch für alte Möbel, sie bringen derzeit wenig ein. Sie sind unpraktisch, nehmen viel Platz weg, können beim Umzügen schlecht auf- und abgebaut werden, passen nicht zur Designercouch. Anders ist es bei Designobjekten aus den 50ern, die sind im Moment total gefragt - vor zwanzig Jahren wollte die keiner mehr haben.

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