Abo

Kölner Tierärztin„Viele Menschen sind gerade überfordert mit der Hundeerziehung“

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Kleine Hunde sind nicht nur süß, sie machen auch viel Unsinn. Darauf muss man vorbereitet sein. 

Köln – In der Corona-Zeit haben sich viele Menschen einen Hund gekauft. Einige haben sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt, andere scheinen bei der Entscheidung vorschnell gehandelt zu haben. Katharina Loewe und Swantje Klemm-Mayer führen die Tierarztpraxis am Nippeser Tälchen in Köln und hatten im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viel zu tun. „Wir haben noch nie so viele Welpen gesehen wie letztes Jahr. Auch Katzen und Kaninchen behandeln wir vermehrt. Man merkt einfach, dass die Leute sich im Lockdown Tiere angeschafft haben", sagt Loewe.

Hunde seien besonders beliebt, weil sie einen Grund lieferten, das Haus zu verlassen. Ihre Sorge: „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Besitzer darüber nicht nachgedacht haben. Die Frage ist nur, was passiert, wenn die Menschen aus dem Homeoffice zurück in ihren geregelten Arbeitsalltag müssen und dann die Hunde zuhause sitzen haben.“

Besonders viele Hunde aus dem Ausland in Behandlung

Außer Welpen würden vor allem Hunde aus dem Tierschutz in die Praxis gebracht. „Wir haben derzeit signifikant mehr mit Auslandserkrankungen zu tun. Die Hunde kommen zwar geschützt und legal über den Tierschutz nach Deutschland, aber oft wissen die Menschen nicht, dass ein Hund aus dem Ausland besondere Krankheiten mitbringen kann“, sagt Loewe.

So seien Hunde aus Ost- und Südeuropa häufig von Herzwürmern oder der Infektionskrankheit Leishmaniose betroffen. Viele Tierschutzorganisationen kommunizierten das zwar, aber trotzdem wüssten nicht alle Hundekäufer darüber Bescheid. „Dann habe ich hier Besitzer stehen, die einen chronisch kranken Hund zuhause haben, aber eigentlich ein gesundes Tier wollten. Die meisten gehen aber zum Glück verantwortungsvoll damit um und kümmern sich gut um den Hund.“

Die Sozialisierung der Welpen in den Hundeschulen fehlt

Eines der größten Probleme dieses Corona-Jahres sieht Loewe darin, dass die Trainings in den Hundeschulen größtenteils ausfallen mussten. „Wir werden wahrscheinlich sehr viele Junghunde haben, die nicht sehr gut erzogen sind und Leute, die nicht gut vorbereitet in das gemeinsame Hundeleben starten“, befürchtet die 33-Jährige. Die Menschen seien überfordert mit der Hundeerziehung und stellten ihr viel mehr Fragen zu Verhalten und Erziehung, die normalerweise ein Hundetrainer beantworten würde.

Das könnte Sie auch interessieren:

Am schwierigsten sei, dass derzeit keine Gruppentrainings stattfänden und die Welpen sich deshalb nicht mit anderen Hunden sozialisieren könnten. Das gemeinsame Spielen und Kennenlernen sei aber vor allem für junge Hunde wichtig, damit sie später entspannt mit Artgenossen umgingen. „Die Kombination aus einem schlecht vorbereiteten Besitzer, der keine Erziehungshilfe erhalten hat und einem jungen, rüpelhaften Hund kann zu Konflikten führen“, glaubt sie. Ihr Appell: „Wenn Sie sich einen Hund anschaffen, beschäftigen Sie sich vorher mit den Bedürfnissen des Tieres und der Rasse sowie mit der Erziehung und der Gesundheit. Überlegen Sie sich auch, ob der Hund nur zu Corona-Bedingungen passt oder ob er auch in das reguläre Leben wieder passt.“

Hunde werden nach dem Lockdown leiden

Die Tierärztin und Tierverhaltensexpertin Celina del Amo sieht nach dem Lockdown einige Probleme auf Hund und Herrchen zukommen: „Es steht vielen Hunden Trennungsstress ins Haus, wenn für die Menschen der normale Alltag zurückkehrt.“ Vor allem die Halter, die sich erst während der Krise einen Hund zugelegt hätten, seien darauf nicht vorbereitet. „Es steht zu befürchten, dass es Tausenden von Hunden nach der Pandemie nicht gut ergehen wird und dass es viele Abgaben geben wird, weil viele Menschen nicht darüber nachgedacht haben, dass sie den Hund nach der Krise nicht in ihren Alltag integrieren können.“

Doppelt so viele illegal gehandelte Hunde

Problematisch sei zudem, dass durch die enorme Nachfrage an Hunden in der Pandemie der Markt an unseriösen Aufzuchtstätten viel größer geworden sei. Einer noch laufenden Auswertung des Deutschen Tierschutzbundes zufolge hat sich die Zahl der bekannt gewordenen, illegal gehandelten Hunde von 2019 zu 2020 mehr als verdoppelt. Nach eigener Aussage sind dem Verband 2020 mindestens 160 Fälle von illegalem Heimtierhandel bekannt geworden, mehr als 1000 Hunde seien betroffen gewesen.

„Bei vielen Welpen kommt es zu schweren Krankheitsverläufen. Durch die widrigen Haltungsbedingungen entsteht ein enormer Infektionsdruck, gleichzeitig werden die Tiere nicht geimpft oder überhaupt medizinisch versorgt und zusätzlich viel zu früh vom Muttertier getrennt“, erklärt Dr. Romy Zeller, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund.

Tipps gegen illegalen Welpenhandel

„Da der Absatz der illegal gehandelten Hunde in der Regel über Onlineangebote erfolgt, sollten Kaufinteressenten sowohl die Angaben im Internet als auch den Welpen und den Züchter bei einem vor Ort-Besuch kritisch prüfen. Warnzeichen für illegalen Welpenhandel bei Angeboten im Internet sind unter anderem eine schlechte und wenig ausführliche Beschreibung der Welpen, das Angebot der Lieferung nach Hause, das Angebot verschiedener Rassen durch den selben Verkäufer und die Verwendung eines Pseudonyms“, schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Außerdem sollten die Begleitpapiere auf Ungereimtheiten überprüft werden. Eintragungen eines ausländischen Tierarztes bei einem angeblich aus Deutschland stammenden Hund sollten in jedem Fall hinterfragt werden. Zudem sollten die Impfdaten mit dem vom Verkäufer angegebenen Alter des Welpen abgeglichen werden.

Rundschau abonnieren