Plage an Küsten in EuropaWoher kommen die vielen Quallen und wie gefährlich sind sie?

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An immer mehr Badeorten in Europa entdecken Urlauber Quallenblüten.

Köln – Für viele Menschen gibt es im Sommerurlaub nichts Schöneres als die Abkühlung im Meer. Doch egal ob im Mittelmeer, vor den Küsten der Balearen, in der italienischen Adria, vor den französischen Stränden im Atlantik oder in der deutschen Nord- und Ostsee – in diesem Jahr scheinen überall mehr Quallen zu schwimmen.

Die glibberigen Lebewesen vermiesen Urlaubern nicht nur den Badespaß, sondern können unter Umständen auch gefährlich werden. Warum die Quallen vermehrt in Europa auftreten, wie gefährlich sie wirklich sind und was man nach der Berührung mit einer Qualle machen sollte. Ein Überblick.

Es scheint, dass es an den Küsten in Europa immer öfter zu sogenannten Quallenblüten, also vermehrte Schwärme von Quallen, kommt. Kann die Wissenschaft dies bestätigen?

Obwohl Quallen nach Informationen der Schweizer Meeresschutz-Organisation Ocean Care zu den ältesten Tieren der Erdgeschichte gehören, gibt es nur sehr wenige historische Daten dazu, ob es tatsächlich jährlich zu mehr Quallenblüten in Europa kommt. „Ein genereller Trend scheint sich jedoch abzuzeichnen und eine zunehmende Anzahl an verschiedenen Quallenarten ist im Mittelmeer, im Schwarzen Meer, aber auch in Ostasien, in Hawaii und sogar in der Antarktis häufiger anzutreffen“, sagt Nora Grossschmidt, Doktorandin am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Auch die Nord- und Ostsee sind betroffen. Das Hauptproblem stellen dabei die invasiven Quallen dar, sagt Cornelia Jaspers, Leiterin des Zentrums für gelatinöses Plankton und deren Evolution und Ökologie an Dänemarks Technischer Universität. „Das sind nicht heimische Quallen, die sich im Laufe der Jahre im Ökosystem etabliert haben.“

Aus welchen Gründen gibt es anscheinend mehr Quallenblüten?

Als ersten Grund nennt Jaspers den Einfluss der Menschen auf das Ökosystem. „Die Zunahme vom Schiffsverkehr und die Aquakultur, also die Aufzucht von Fischen und Meeresfrüchten, führt dazu, dass wir immer mehr Arten um den Globus verteilen. Zehn Prozent davon schaffen es, sich in ihrer neuen Umgebung zu etablieren“, sagt Jaspers.

Die Fischerei kann dazu beitragen, dass die Quallen bleiben, denn sie beseitigt ihre natürlichen Feinde. Zudem kann nach Informationen von Ocean Care zum Beispiel auch ausgetretenes Erdöl ein Grund sein. Denn dieses bildet die Nahrung für eine Bakterienart, die wiederum die Bildung eines Zooplanktons fördert, welches eine der Hauptnahrungsquellen für Quallen ist. All diese Gegebenheiten verändern das Ökosystem, sodass sich die Bedingungen für Quallen verbessern.

Der Hauptgrund ist also der globale Wandel, sagt Jaspers. Eine weitere Ursache ist der Klimawandel, und die damit verbundene ansteigende Wassertemperatur vieler Meere. „Quallen gehören seit 500 Millionen Jahren zum natürlichen marinen Ökosystem. Doch wenn sich Ozeane erwärmen, können sich diese Meerestiere in Gebiete ausbreiten, die bisher historisch dafür zu kalt waren. Dort treffen sie auf ein Ökosystem, das auf diese Einwanderung nicht vorbereitet ist“, sagt Nora Grossschmidt.

In diesen Gebieten gebe es dann weniger natürliche Feinde, die die Quallen fressen. „Zum Beispiel haben Quallen im Gegensatz zu Fischen eine große Toleranz und kein Problem mit niedrigen Sauerstoffkonzentrationen.“ In warmen Gewässern ist der Sauerstoffgehalt geringer.

Wie gefährlich ist eine Berührung mit einer Qualle?

Wie gefährlich die Berührung mit einer Qualle werden kann, hängt von der Quallenart ab. Die meisten Quallen, die an deutschen Küsten vorkommen, sind ungefährlich, sagen beide Expertinnen. „Die in Nord- und Ostsee häufigste in Massen vorkommende Art sind die Ohrenqualle (Aurelia aurita) und die Seestachelbeere (Pleurobrachia pileus). Beide Arten sind nicht oder sehr schwach nesselnde Quallen und ungefährlich“, sagt Nora Grossschmidt.

Auch die invasiven Quallen sind nicht gefährlich für Menschen, sagt Cornelia Jaspers. Dazu gehören die Meerwalnuss (Mnemiopsis leidyi), die vor allem in der Nordsee, aber auch in der Ostsee bis zum Bornholm-Becken vorkommt, und die im Nord-Ostsee-Kanal und in der Kieler Bucht lebende Blackfordia virginica.

Gefährlich werden können nesselnde Quallen. „Quallen haben Tentakeln, die Nesselzellen enthalten. Bei Berührung kommt es zu einem Stich, bei der das Gift aus den Nesselzellen in die Haut eingebracht wird. Je mehr Gift eingebracht wird, desto stärker die Reaktion“, sagt Dermatologin Esther von Stebut-Borschitz.

Dazu gehört in Deutschland in der Nord- und Ostsee die Gelbe Nesselquelle, besser bekannt als Feuerqualle, die aufgrund ihrer orangenen Farbe gut erkennbar ist. „Vorwiegend in der Nordsee sind noch zwei weitere stark nesselnde Quallenarten anzutreffen: Die Blaue Nesselqualle (Cyanea lamarckii) und die Kompassqualle (Chrysaora hysoscella)“, sagt Grossschmidt.

Im Mittelmeer und unter anderem an der französischen und irischen Atlantikküste kommt die Leuchtqualle vor. Die gefährlichste Qualle in Europa jedoch ist die Portugiesische Galeere, die strenggenommen gar keine Qualle ist, aber oft genannt wird. „Sie ist eine sogenannte Staatsqualle und ist aus ganz vielen kleinen Individuen zusammengesetzt. Die Portugiesische Galeere besitzt Segel, mit denen sie über die Ozeane driftet“, sagt Japsers. Durch bestimmte Windbedingungen werde sie aber immer öfter auch auf den Balearen angeschwemmt. „Sie hat potente Gifte, die nicht tödlich sind, aber sehr unangenehm.“

Welche gesundheitlichen Folgen können entstehen?

Nach Hautkontakt können Schmerzen, Rötungen, Schwellungen und Blasen an der Haut auftreten. „Dies kann bis zu einem echten allergischen Schock gehen, der aber sehr selten ist“, sagt Esther von Stebut-Borschitz.

Was sollte man nach Kontakt mit einer Qualle machen?

Nach einer Berührung mit einer Qualle rät die Medizinerin: „Wenn der Kontakt mit der Qualle im Wasser ist, Ruhe bewahren, wenn möglich, an Land gehen beziehungsweise schwimmen. Die Reste der Qualle vorsichtig entfernen, zum Beispiel durch Abspülen oder Abstreifen mit einer Plastikkarte. Nicht das Handtuch nehmen und rubbeln, weil die verbleibenden Nesselkapseln dann noch eher aufplatzen.“

Zum Abspülen sollte man idealerweise Essigwasser, zum Beispiel Weinessig nehmen. Auch Salzwasser ist okay, aber kein Süßwasser. „Leitungswasser oder Trinkwasser bringen dagegen die Nesselkapseln zum Platzen, daher dies nicht verwenden. Auch keinen Alkohol zum Abspülen verwenden.“

Anschließend sollten Betroffene die Stelle kühlen. Dafür können Cool-Packs oder Antihistaminikum-Gel, zum Beispiel Fenistil-Gel, verwendet werden. „Bei Schmerzen sind auch schmerzlindernde Tabletten, zum Beispiel Paracetamol oder Ibuprofen, geeignet. Bei schwereren Hautreaktionen, Unwohlsein, Zeichen einer schweren Allergie sollte man zum Arzt gehen, der dann gegebenenfalls auch antiallergische Infusionen geben muss.“

Besonders giftige Quallen sind übrigens die Würfelquallen. Diese gibt es vor allem vor den Küsten Australiens oder Thailands. „Die sind teils nur so klein wie ein Fingernagel, haben aber unglaublich lange Tentakel und sehr potent Gifte, die dann auch für Menschen tödlich sein können“, sagt Jaspers.

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Sollte man im Badeurlaub also auf das Schwimmen verzichten, sobald man eine Qualle sieht?

„Nein“, sagt Cornelia Jaspers. „An Strandabschnitten, an denen die Würfelqualle vorkommt, stehen Hinweisschilder.“ Zudem gebe es bestimmte Quallen-Saisons. Während dieser Zeit darf man sowieso nicht schwimmen. „Darauf wird man vor Ort aber auch hingewiesen, da muss man sich keine Sorgen machen.“ Gleiches gelte in Spanien für die Portugiesische Galeere. „Wer auf Nummer sicher gehen will, geht direkt auf die Rettungsschwimmer vor Ort zu und fragt dort nach“, sagt Jaspers.

Bei der Meereswallnuss rät die Wissenschaftlerin sogar dazu, schwimmen zu gehen. „Diese leuchtet bei Berührung und Stress. Das sieht aus wie ein glitzernder Blitz, der sich einmal um die acht Rippenbögen der Qualle spannt.“ Vor allem Urlauber, die zwischen Anfang August und Ende September Urlaub an der Nord- oder Ostsee Zeit verbringen, können dieses Schauspiel beobachten – am besten nachts beim Schwimmen, so Jaspers. „Das sieht ganz schön aus.“

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