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BGH-UrteilSo viele Stunden Instrument üben müssen Nachbarn ertragen

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Im Streit um Trompetenspiel im Reihenhaus hat der BGH jetzt klar gemacht: Es muss in gewissen Grenzen hingenommen werden.

Karlsruhe – Musik soll die Menschen eigentlich erfreuen. Musik kann aber auch nervig sein. Zum Beispiel, wenn sie aus dem Nachbarhaus schallt, während man seine Ruhe haben will.

Wegen dieses Problems stritten gerade Nachbarn vor Gericht. Sie wohnen in einer ruhigen Wohngegend Wand an Wand. Und ein Nachbar ist Trompeter von Beruf. Der muss natürlich üben, außerdem unterrichtet er Trompete. Aber wie viel Musik darf er seinem Nachbarn zumuten?

Richter erlauben mehr Zeit als zuvor

Richter haben am Freitag entschieden: Musizieren muss im gewissen Maße zu Hause möglich sein. Egal, ob jemand beruflich oder aus reinem Vergnügen Musik macht. Die Richter meinen, bis zu drei Stunden an Wochentagen und bis zu zwei Stunden an Feiertagen wären wohl in Ordnung. Das ist mehr Trompetenmusik als der Mann zuvor spielen durfte. Aber wie viele Stunden genau in Ordnung sind, werden nun noch andere Richter entscheiden.

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Wie sieht die Vorgeschichte aus?

Der Berufsmusiker beim Staatstheater Augsburg probt regelmäßig zu Hause. Außerdem erteilt er zwei Übungsstunden pro Woche an Schüler. Die direkten Nachbarn im Reihenhaus sind genervt. „Das ist kein Trompetenspiel, sondern ständiges Üben von Sequenzen - stundenlang.“ Radiohören und Fernsehen sei in normaler Lautstärke nicht möglich. 

Eine Schlichtung hat kein Ergebnis gebracht. Die Nachbarn verlangen, dass der Musiker sein Haus besser dämmt. „Wir wollen einfach, dass es leise ist“, sagt ihr Anwalt. Der Anwalt des Trompeters verweist dagegen auf die Bausubstanz des Hauses. Eine Schallisolierung wäre kaum machbar.

Wie viel Hausmusik ist erlaubt?

Musizieren gehört zum sozial üblichen Verhalten und zur grundgesetzlich geschützten Entfaltung der Persönlichkeit. Weil sich kaum ein Instrument in Zimmerlautstärke spielen lässt, müssen Ruhezeiten eingehalten werden. In vielen Bundesländern geht die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Ruhezeiten stehen oft auch in der Hausordnung oder im Mietvertrag. Dort kann außerdem festgelegt sein, wie lange am Tag höchstens gespielt werden darf.

Wie viel Beschränkung ist erlaubt?

Nach einem BGH-Urteil ist eine Ruhezeit von 20 Uhr bis 8 Uhr und von 12 Uhr bis 14 Uhr in Ordnung. Damit bleibe ausreichend Zeit zum Musizieren. Entscheidend sind aber die Umstände. Eine Seniorenwohnanlage ist anders zu beurteilen als ein Studentenwohnheim.

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Auch wichtig: Wie ist die Bausubstanz, wie laut ist die Umgebung, welche Art von Musik wird gespielt? „Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. „Das Recht, Musik zu spielen, muss so schonend wie möglich ausgeübt werden.“

Was bedeutet das konkret?

In der Regel gelten zwei bis drei Stunden Musik am Tag als zumutbar. Einzelne Gerichte haben aber auch schon strengere Auflagen gemacht, etwa eineinhalb Stunden für ein Akkordeon. Beschränkungen der Lautstärke durch die Hausordnung darf es laut BGH nur bei nicht mehr hinnehmbaren Störungen geben. Ein Berufspianist kann keine besondere Behandlung beanspruchen, denn auf die Qualität der Musik kommt es nicht an.

Welche Möglichkeiten gibt es bei Differenzen zwischen Nachbarn?

An erster Stelle steht das direkte Gespräch. Gibt es keine Einigung, sollten Mieter den Vermieter einschalten. Dieser kann eine Abmahnung aussprechen, wenn die Musik überhand nimmt. Bei dauerhafter Störung kann ein Mieter eine Mietminderung in Erwägung ziehen. Helfen kann auch ein Schlichter.

„Wir können nur raten, das außergerichtlich zu klären“, sagt Julia Wagner, Referentin für Recht beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Wenn ein Gericht entscheide, habe immer einer das Nachsehen - manchmal sogar beide.

Wie lief die Verhandlung vor dem BGH?

Aus Sicht des BGH-Senats hat das Landgericht möglicherweise zu strenge Auflagen für das Trompetenspiel gemacht: Maximal zehn Stunden pro Woche und nur im Übungsraum unter dem Dach, samstags und sonntags nur ausnahmsweise vor schwierigen Konzerten, kein Unterricht mehr. „Das scheint uns deutlich zu streng zu sein“, sagte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann in der Verhandlung. Aber: „Es gilt natürlich nicht das Alles-oder-nichts-Prinzip.“ (dpa)

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