StilkolumneSollten wir nun Turkiye statt Türkei sagen, weil Erdogan es sich wünscht?

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Der türkische Präsident möchte die international gebräuchliche englische Bezeichnung „Turkey“ durch „Turkiye“ ersetzen.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Folge erklärt Anatol Stefanowitsch, in welchen Fällen Eigennamen für Städte und Länder wichtig sein können.

Ihre Frage klingt zunächst nach einem klassischen Fall von „einerseits“ und „andererseits“. Einerseits respektieren wir bei nicht-deutschen Namen normalerweise die Aussprache und Schreibweise, die uns die Namenstragenden mitteilen – auch dann, wenn es im Deutschen einen entsprechenden Namen gibt. Wir würden zum Beispiel nicht darauf kommen, eine „Estefania“ einfach „Stefanie“ zu nennen oder einen „Didier“ mit „Dieter“ anzusprechen. Andererseits sind unsere Bezeichnungen für Länder und Städte – anders als persönliche Vornamen – historisch gewachsener Bestandteil des Wortschatzes unserer Sprache und eben nicht der Sprachen dieser Länder. Deshalb liegt die Entscheidung über diese Bezeichnungen am Ende bei uns.

Bei der Überlegung, ob und wie weit wir solchen Wünschen stattgeben, könnten wir einfach Selbstbezeichnungen akzeptieren. Das tun wir ja, wie gesagt, auch bei Eigennamen. Vor allem tun wir es aber bei der Bezeichnung von Bevölkerungsgruppen, die ihre herkömmlichen Bezeichnungen (meist völlig zu Recht) als diskriminierend empfinden, etwa schwarze Menschen oder Sinti und Roma.

Verwendung von Eigenbezeichnungen ist eine Frage des Respekts

Die Verwendung solcher Eigenbezeichnungen ist nicht nur eine Frage des Respekts. Sie hätte im Fall von Ländern und Städten einen vorteilhaften Nebeneffekt: Die Bezeichnungen wären dann international einheitlich und damit eindeutig. Diese Einheitlichkeit ist ja zum Beispiel der Grund dafür, dass die Deutsche Bahn Zielbahnhöfe in der jeweiligen Landessprache anzeigt – etwa „Praha hl.n.“ anstelle von „Prag Hbf“.

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Aber natürlich würde es eine große Anstrengung erfordern, wenn wir auf einen Schlag alle unsere gewohnten Länder- und Städtenamen durch die der jeweiligen Zielsprache ersetzen müssten. Wir könnten also durchaus differenzieren und uns nur dort anpassen, wo wirklich gute Gründe vorliegen. Und da sind die von Ihnen genannten Fälle sehr unterschiedlich zu bewerten.

Wir nennen ja „Sri Lanka“ auch nicht mehr „Ceylon“

Der Name „Kiew“ orientiert sich in der Schreibweise und in der Aussprache am Russischen, was die Ukraine nicht erst seit der aktuellen Invasion durch Russland stört, sondern bereits seit der Erklärung ihrer Unabhängigkeit 1991. Hier wäre es angebracht, diesem Wunsch endlich nachzukommen, wie wir es auch in vielen anderen Fällen nach einer Unabhängigkeitserklärung getan haben. Wir nennen ja „Sri Lanka“ auch nicht mehr „Ceylon“ und „Mumbai“ nicht mehr „Bombay“, sondern akzeptieren die sprachliche Selbstbestimmung und zwingen ihnen nicht Namen auf, die andere ihnen vor ihrer Unabhängigkeit gegeben haben.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Im Falle der Türkei könnte man das anders sehen. Auch hier ist „Turkiye“ (genau: „Türkiye“) seit der Staatsgründung 1923 die Eigenbezeichnung. Aber das deutsche „Türkei“ oder das englische „Turkey“ sind keine Fremdbezeichnungen ehemaliger Kolonialmächte, sondern lautlich an die Konventionen der jeweiligen Sprache angepasste Ableitungen vom lateinischen „Turcia“, die kaum anders klängen, wenn sie auf „Turkiye“ beruhen würden. 

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