Raus aus „dieser Bratwurstbude“Denis Yücel legt Amt als Präsident von PEN nieder

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Ex-Präsident Deniz Yücel

Ex-Präsident Deniz Yücel

Gotha – „Ich möchte nicht Präsident dieser Bratwurstbude sein“: Mit lautem Theaterknall hat Deniz Yücel als Präsident des PEN hingeworfen. Dabei war er im Tumult der Jahrestagung der Autorenvereinigung in Gotha zuvor noch knapp der Abwahl entgangen. „Ich habe es nicht nötig: Take it or leave it, PEN“, hatte der Journalist seine vielen Kritiker mit einer seiner vielen flapsigen Formulierungen zuvor erneut gegen sich aufgebracht.

Dabei war klar, dass der PEN, der sich als Anwalt des freien Wortes versteht, nicht ausgerechnet ihrem Präsidenten, der als Journalist in der Türkei wegen angeblicher Terrorpropaganda ein Jahr in Haft gesessen hatte, die Tür weisen konnte. Yücel besorgte das selbst und lieferte damit nur den lautesten Coup in einer Tagung, die phasenweise in einem Gewitter der Anschuldigungen und Beschimpfungen unterzugehen drohte.

Deniz Yücel und der PEN: Nach nur acht Monaten ist dieses gegenseitige Missverständnis in einer beispiellosen Eskalation gegenseitiger Vorwürfe untergegangen. In Frankfurt noch mit großer Mehrheit als Hoffnungsträger gewählt, hat Yücel die Autorinnen und Autoren des PEN in Rekordzeit in zwei einander erbittert bekämpfende Lager der Fürsprecher und der Gegner geteilt. Es nützte nichts, dass Bestsellerautorin Eva Menasse Yücel bescheinigte, das Interesse an der Arbeit des PEN mit seiner Prominenz entscheidend gesteigert zu haben. Der von vielen Autoren als selbstverliebt kritisierte Yücel und die Literatenvereinigung – diese Verbindung strandete im Zerwürfnis.

Die Jahrestagung eskalierte zur ultimativen Abrechnung, mal im Stil einer griechischen Tragödie, mal im Format einer Anwaltssatire. Daniel Kehlmann sprach von einem „Brexit-Moment“. Der deutsche PEN in der ultimativen Zerreißprobe? Alt-Präsident Johano Strasser hatte noch versucht, den Weg zu einer friedlichen Aussprache zu ebnen, indem er vorschlug, eine ganze Reihe von Abwahlanträgen per Mitgliederentscheid abräumen zu lassen. Aber auch seine Autorität reichte nicht aus. Das Präsidium trat zurück, Yücel kündigte gar an, ganz aus dem PEN ausscheiden zu wollen.

Renan Demirkan, Schauspielerin und Autorin, platzte der Kragen. „Warum diese Demütigung? Wir sind Poeten“, redete sie den PEN-Mitgliedern ins Gewissen. Andere Rednerinnen wie Lena Falkenhagen bescheinigten dem PEN, in eine „toxische Situation“ geraten zu sein. Thea Dorn forderte, dass der PEN sich radikal neu aufstellen müsse, er brauche dringend eine Erneuerung.

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Der Konflikt um Yücel hat jedenfalls eine tieferliegende Uneinigkeit sichtbar gemacht. Dabei geht es nicht allein um Fragen der internen Organisation und die Kultur des gegenseitigen Umgangs, ausgerechnet bei einer Vereinigung, die für Freiheit und Toleranz kämpfen will. Es ist auch die Frage, wie politisch ein Präsident des PEN sein darf. Yücel hat die Grenzen ausgetestet. Mit seinem Eintreten für die Durchsetzung einer Flugverbotszone über der umkämpften Ukraine hatte er auf der lit.Cologne nur den letzten Anlass für einen erbittert geführten Richtungsstreit geliefert.

Jetzt soll es Josef Haslinger, der dem deutschen PEN schon einmal von 2013 bis 2017 vorstand, als Interimspräsident richten. In Gotha ging er schon einmal mit gutem Beispiel voran, als er eingestand, dass es ein Fehler gewesen sei, den Brief mehrerer Altpräsidenten, in dem Yücel zum Rücktritt aufgefordert worden war, mit unterzeichnet zu haben. Ein PEN-Funktionär, der einen Fehler eingestand – solche Noblesse hatte in der Schlammschlacht von Gotha in der Tat Seltenheitswert.

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