„Müssen uns warm anziehen"Kostenexplosion betrifft auch Studierende

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Symbolbild

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Köln – Sozialarbeits-Studentin Lisha Hammerschmidt hat „konstant Sorgen, die an einem nagen“. Beim Lebensmittelkauf muss sie jeden Cent umdrehen und hat schon versucht, „was auf meinem Balkon anzubauen“. Die 23-Jährige hat wegen der hohen Kosten Angst, die Heizung anzudrehen, und wird wohl auch diesen Winter mit Pulli und Mütze in der Wohnung sitzen. Und ihr Studium schafft sie nur mit straffem Zeitplan, bei dem sie nachts noch arbeiten geht. Die Studienanfängerin Elsa Amanuel (21) plagen ebenfalls Geldsorgen und Stress bei der Wohnungssuche, „auch weil die Wohnungslage in Köln so schlecht ist.“

Zwei Beispiele von vielen. Die Studierenden müssen sich im startenden Wintersemester 2022/23 sehr warm anziehen: Es wird für alle kälter, teurer, weniger im Kühlschrank sein: Drastisch gestiegene Kosten für Lebensmittel und Energie, hohe Mieten „führen voraussichtlich zunehmend zu Studienabbrüchen, weil Studierende es sich nicht mehr leisten können oder nur schwer Studium und Job vereinbaren können“, fürchtet Jörg J. Schmitz, Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks, Dienstleister für die staatlichen Kölner Hochschulen mit rund 90 000 Studierenden. Und kündigt Preiserhöhungen an.

Corona-Effekt auch immernoch spürbar: Nur 70 Prozent Auslastung

„Auch wir müssen uns ganz warm anziehen, wir haben mit erheblichen Kostensteigerungen zu kämpfen, was uns als Betreiber vieler Gastronomiebetriebe vor große Herausforderungen stellt“, erklärt Schmitz. Ein Krisenstab Energiesparen befasse sich damit, wie gespart und der Energieverbrauch eingeschränkt werden kann, etwa durch Austausch von Altgeräten in Mensen oder energetische Sanierungen von Gebäuden.

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Sparmaßnahmen

An der Universität zu Köln und der TH Köln loten in eingerichteten Task Forces und Arbeitsgruppen Energiesparpotenziale aus. 4200 Studierende beginnen zum Wintersemester 2022/2023 ihr Studium an der TH Köln. Die Hochschule

möchte das Semester vollständig in Präsenz durchführen. Das leichte Drosseln der Innenraumtemperaturen im Vergleich zu früheren Jahren eine werde bereits jetzt gesetzte Maßnahme sein.

Die Uni reguliert die Heiz-Temperaturen in ihren Gebäuden, wo dies technisch möglich ist, auf 19 Grad herunter, das Warmwasser wird in einigen Bereichen abgeschaltet. Weitere Maßnahmen werden geprüft; auf der Homepage gibt es weitere Informationen und Energiespartipps. (EB)

Für zusätzliche Probleme sorgt als Post-Corona-Effekt, dass die Mensen immer noch nicht so ausgelastet wie noch 2019. Die Essennachfrage beträgt nur rund 70 Prozent im Vergleich zu 2019, was zu Abstrichen führt: „Wir haben ein vom Verwaltungsrat beschlossenes enges Preisgerüst. Unsere Challenge als gemeinnütziges Unternehmen ist es, innerhalb des Gerüstes gesundes Essen zu günstigen Preisen anzubieten.“ Das geht wegen der Krisen nur mit weniger Auswahl und eingesetztem Personal. Außerdem mussten die Essenspreise für die Bediensteten um elf Prozent erhöht werden. „Weitere Preiserhöhungen ab Januar sind in Vorbereitung. Die Warmendmieten in den Wohnhäusern des Werks werden um 12 Prozent erhöht, die Sozialbeiträge ab dem Wintersemester 2022/23 von 80 auf 90 Euro“, kündigt Schmitz an. Man werde alles versuchen, Preissteigerungen so gering wie möglich zu halten.

Preiserhöhung gegen DNA

„Unser Dilemma ist, dass die Erhöhungen ein stückweit unserer DNA widersprechen, weil wir uns als Sozialorganisation der Studierenden verstehen“, sagt der Werks-Chef zum Spagat. „Wir haben keinen finanziellen Puffer, wir müssen Preiserhöhungen weitergeben.“

Daneben bleibt die Unterstützung der Studierenden ein wichtiges Angebot. Die Nachfrage nach psychosozialer Beratung ist weiterhin sehr groß. Begleitet werden Studierende in zunehmenden wirtschaftlichen und seelischen Notlagen, auch durch Belastungen der Corona-Pandemie. Hilfsfonds stünden zur Verfügung. „Wir entscheiden nach persönlicher Beratung, ob Hilfeleistungen gewährt werden können.“ Es habe beim BAfög Anpassungen gegeben, aber nicht in Höhe der Inflation. Unterstützungen für die breite Masse wie das Überbrückungsgeld des Bundes gibt es allerdings nicht mehr. Das Werk hofft, dass das Land NRW seine Pläne für eine Studienstarthilfe von 1000 Euro für Studierende in prekären Notlagen zügig umsetzt. Es fehle jedoch noch das Konzept.

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Ein Dauerproblem verschärft sich noch: Bezahlbare Wohnungen bleiben in Köln Mangelware, die Nebenabrechnungen explodieren. Die Nachfrage nach relativ günstigen Wohnheimplätzen des Werks bleibt hoch, das Angebot extrem knapp. „Wir sind in Köln gerade zehnfach überbucht“, sagt Schmitz. Es fehlen rund 4000 Plätze.

Grund zur Freude gibt es eigentlich, weil wieder Campusleben in Präsenz möglich ist. Die Kölner Hochschulen würden zwar unisono von einem Präsenzbetrieb im Wintersemester sprechen, aber es etablierten sich daneben hybride, digitale Angebote: „Die Frage für uns ist, wie viele Studierende tatsächlich in Präsenz kommen. Ob fünf oder zehn Prozent weniger“, das werde erhebliche Auswirkungen auf Angebot und Preise haben...

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