„Zukunft fürs Revier“ (3)Wie das Megaprojekt „Indeland“ die Region beleben soll

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  • Der Tagebau Inden wird 2029 etwa gemeinsam mit Hambach enden.
  • Was passiert in der Region, wenn die Bergleute sich verabschieden?
  • Unsere Mini-Serie beleuchtet die Zukunft des Reviers im Rheinland.

Die Bilder, mit denen das Indeland für sich wirbt, versprechen eine großartige Zukunft. Über den Indesee schippern weiße Segelboote auf eine großzügig angelegte Marina zu. Die sattgrünen Wiesen und Waldstücke stehen für Lebensqualität, nebenan hat hier auch die Landwirtschaft Platz und Erfolg. Allerlei Freizeitaktivitäten und glückliche Touristen fügen sich in die paradiesische anmutende Landschaft ein.

Von dieser Idylle ist 2020 noch nicht viel zu sehen zwischen Aachen, Köln, Mönchengladbach und Düsseldorf. Dort, wo einmal der Indesee entstehen soll, prägen eine riesige Grube und Schaufelradbagger die Landschaft. Hier, im Tagebau Inden, werden jedes Jahr rund 20 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Doch bald ist damit Schluss. Ende 2029 soll der Braunkohle-Abbau eingestellt werden. Die Grube wird bis etwa 2055 geflutet, drum herum entsteht das neue Indeland. Ein Jahrhundertprojekt, das mit Hilfe eines Masterplans gemeinsam mit den Kommunen rund um den Tagebau Realität werden soll.

Im Mittelpunkt aller Planungen der Entwicklungsgesellschaft Indeland steht ein Leitthema: Nachhaltigkeit. Die neu gestaltete Landschaft soll die Grundlage eines verträglichen Miteinanders von Landwirtschaft, Freizeit- und Erholungsnutzung, Naturschutz, Wohnen und Wirtschaft sein. Inden soll somit der erste Versuch, Wegbereiter und das Modell für die Neustrukturierung der benachbarten Bergbaulandschaften im Rheinischen Revier werden. In Hambach soll ebenfalls 2029 Schluss sein, in Garzweiler spätestens 2038. Im Laufe des 21. Jahrhunderts soll so aus dem Rheinischen Revier die Rheinische Seenplatte entstehen.

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Eine Region im ständigen Wandel

Was in Zukunft als Anziehungspunkt dienen soll, war lange Zeit ein Ort, vom dem man lieber wegwollte – oder musste. Vor über 60 Jahren rollten in Inden die ersten Bagger ein, ganze Orte mussten weichen und entstanden an anderer Stelle neu. Eine Region im Wandel. Es war und ist ein hoher Preis, den das Indeland zahlen musste, um das Kraftwerk Weisweiler zu befeuern. Die konkreten Planungen für den Umbau der Region nach Ende des Tagebaus haben bereits vor rund 20 Jahren begonnen.

Das Indeland soll Städte entlasten

Die umliegenden Städte rund um das Rheinische Revier werden im Laufe des 21. Jahrhunderts weiter wachsen. Wenn in Aachen, Köln oder Düsseldorf die Flächen knapp werden, muss Entlastung her. Das Indeland sieht sich in der Rolle, genau das zu bieten. Wenn der Bedarf in den großen Städten nach attraktivem und bezahlbarem Wohnraum steigt, will die Seenlandschaft die Menschen anziehen. Bei der Suche nach Flächen geht es nicht nur ums Wohnen, sondern auch um die Landwirtschaft sowie um Gewerbe- und Industrieflächen.

Klimaschonende Wärme aus der Tiefe

Das Zauberwort, das in Weisweiler auch nach dem Kohleausstieg Arbeitsplätze und Energiegewinnung erhalten soll: Geothermie, in der Erde gespeicherte Wärme also. Am Standort des jetzigen Kraftwerks soll eine tiefengeothermische Anlage entstehen. Die Europäische Union erforscht und fördert das Thema mit einem Großprojekt in Nordwest-Europa, an dem 18 Partner aus sechs Ländern beteiligt sind. Ziel ist es, Wärme aus Wasser zu gewinnen, das in rund 2000 bis 3000 Meter Tiefe durch Kalkstein-Zwischenräume fließt. Alles ökologisch einwandfrei, akzeptiert von Politik und Bevölkerung. Kritikpunkt: Erdbeben, ausgelöst durch Tiefengeothermie sind nicht ausgeschlossen.

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Laut einer Studie des Umweltbundesamtes handelt es sich dabei allerdings um geringe Risiken. Durch die Geothermie solle das Rheinische Revier zur europäischen Modellregion für den Umbau zu einer modernen, innovativen und klimafreundlichen Industrie der Zukunft werden, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart im vergangenen Jahr bei der Vorstellung des Projekts in Weisweiler.

Ein Magnet für Touristen

Die touristische Infrastruktur ist im Indeland bislang nur schwach ausgeprägt. Mit Hilfe eines neu gegründeten Tourismus-Vereins soll sich das Indeland langfristig zu einer Tourismus-Marke entwickeln. Wie so etwas in einem ehemaligen Tagebaugebiet funktionieren kann, zeigt das Leipziger Neuseenland. In der Bergbaufolgelandschaft sind die ersten Seen bereits seit der Jahrtausendwende komplett geflutet. Heute gehört das Gebiet, unter anderem mit dem Cospudener See, zu den beliebtesten Ausflugszielen des Landes. Und auch im Indeland-Gebiet gibt es bereits Beispiele. Nördlich von Eschweiler eröffnete im Jahr 2000 der Blausteinsee. Ehemals Tagebau, heute Naherholungsgebiet.

Verantwortung für die nächste Generation

In einem Image-Video des Indelandes steht ein junges Mädchen mit einem Fernglas auf dem Indemann, einem Aussichtsturm in Inden. In der Ferne sieht sie den Tagebau. Viele Jahre später kehrt sie als erwachsene Frau zurück und blickt auf die paradiesische Landschaft des neuen Indelandes. Aus einer Vision ist Wirklichkeit geworden. „Wir sind in der Verantwortung“, sagt eine Stimme auf dem Off. „Wir bestimmen die Lebensqualität der nächsten Generation.“ Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss im Indeland noch viel passieren. Denn klar ist auch: Nur ein riesiger See allein, wird das Indeland nicht zum Touristenmagneten und erfolgreichem Wirtschaftsstandort machen. Es sind viele Dinge, die dazu zusammenlaufen müssen. Die detaillierten Planungen machen der Region Hoffnung. Diese Hoffnung zu erfüllen, ist eine Herausforderung, die erst im kommenden Jahrtausend fertig gestellt werden soll. Dabei gehört es auch dazu, den Prozess in Bezug auf aktuelle Entwicklungen stetig anzupassen. Derzeit ist eine aktualisierte Version des Masterplans in Arbeit. An den grundlegenden Zielen wird sich dadurch nichts ändern. Das Indeland wird über Jahrzehnte eine Region im Wandel bleiben.

Das Indeland in Zahlen

416 Quadratkilometer ist das Indeland groß. Beteiligt am interkommunalen Entwicklungsprojekt sind die Städte Eschweiler, Jülich und Linnich, die Gemeinden Aldenhoven, Inden, Langerwehe und Niederzier sowie der Kreis Düren.

1260 Hektar soll der Tagebausee Inden bei einer geplanten Tiefe von ca 180 Metern groß werden. Die geplanten Tagebauseen in Hambach (3580 Hektar) und Garzweiler (2180 Hektar) sollen noch größer werden.

542 Menschen arbeiten aktuell noch im Tagebau Inden als Angestellte von RWE. Im Kraftwerk Weisweiler sind es 643. Dazu kommen über 2000 Arbeitskräfte von Zulieferern und Partnerfirmen.

300 Meter hoch ist die Sophienhöhe, der höchste Punkt des Indelandes, rund sechs Kilometer östlich der Stadt Jülich. 55 Kilometer entfernt liegt Köln.

36 Meter hoch und 280 Tonnen schwer ist der Indemann, das Wahrzeichen des Indelandes. Der Aussichtsturm steht auf der Goltsteinkuppe nahe Inden/Altdorf. (sim)

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