100 Tage FlutWiederaufbau – Das läuft gut, das läuft schlecht

Lesezeit 6 Minuten
Flutschäden Bad Münstereifel 100 tage Flut

Bad Münstereifel 100 Tage nach der Flut

Region – 100 Tage sind seit der verheerenden Unwetterkatastrophe vergangen. Wir haben in den einzelnen Bezirken nachgehört und erfahren, welche Fortschritte es schon gibt – und wo es noch hakt.

Kreis Euskirchen

  • Das läuft gut

Das Angebot des Kreises Euskirchen zur Wiederaufbauhilfe wird sehr gut angenommen. Ob an der Hotline, im Info-Mobil (das durch das gesamte Kreisgebiet tourt) oder in den festen Anlaufstellen in allen Kommunen: Wir unterstützen die Bürgerinnen und Bürger bei der Antragstellung und helfen ihnen damit, dass sie so schnell wie möglich die dringend benötigte finanzielle Unterstützung erhalten.

  • Das läuft schlecht

Aufgrund der gewaltigen Schäden in der gesamten Region ist es nach wie vor sehr schwer, zeitnah Handwerker zu bekommen. Die hiesigen Handwerksfirmen sind auf lange Zeit ausgebucht, so dass dringend notwendige Reparaturen häufig nicht erledigt werden können. Auch jetzt im Herbst gibt es beispielsweise noch zahlreiche Häuser, die keine funktionierende Heizung haben.

Erftstadt

  • Das läuft gut

In Blessem hat ein Bürgerforum sehr professionell viele Hilfsaktionen koordiniert, einen Spendenfond aufgelegt. Jeder Haushalt wurde besucht, in der Dorfmitte an der Kirche eine feste Anlaufstelle für Hilfsbedürftige eingerichtet mit Unterstützung der Johanniter. Das Forum kümmert sich aber auch um die Zukunft des Stadtteils und plädiert dafür , die verwüsteten Flächen am Ortsrand zu einem attraktiven Freizeitgelände umzugestalten.

Ein in dieser Art nie zuvor erlebtes Gemeinschaftsgefühl hat sich in Erftstadt gebildet. In Bliesheim etwa half man sich beim Entrümpeln. In Liblar taten sich Anwohner ganzer Straßenzüge zusammen. Eine „Unwetterhilfe Erftstadt“ sammelt immer noch Spendengeld und verteilt Sachspenden.

  • Das läuft schlecht

Schwierig gestaltete sich die Hochwasserhilfe in Erftstadt seitens der Stadtverwaltung. Hilfe vor Ort wurde von vielen Betroffenen zunächst vermisst. Inzwischen wurde nachgebessert, ein Krisenstab leitet die Aktionen. Von den 7,7 Millionen Euro Spendengeld der Stadt sind bislang dennoch erst 2,6 Millionen ausgezahlt – mangels Anträgen. Die Kriterien wurden daraufhin für Antragsteller erweitert.

Die Verkehrssituation entspannt sich zögerlich. Der Verkehr wird aus Köln kommend auf der A 1 bei Kierdorf abgeleitet und Autofahrer müssen sich ohne Beschilderung einer empfohlenen Umleitung zurechtfinden. Auf der A 61 bleibt die Ausfahrt Erftstadt gesperrt. Die Bauarbeiten auf der A 1 und auf der B 265 schreiten nur langsam voran.

Leverkusen

  • Das läuft gut

Mit dem Klinikum wurde das einzige Krankenhaus in der Region so schwer getroffen, dass es komplett evakuiert werden musste: Die Dhünn war auf ein Allzeithoch gestiegen und hatte selbst die Notstromversorgung lahm gelegt. Die mehreren hundert Patienten – auch von den Intensivstationen – in umliegende Krankenhäuser zu verlegen, hat sehr gut funktioniert. Auch mehrere Pflegeheime mussten geräumt werden.

Denn nicht nur Schlebusch war betroffen, sondern auch Opladen: Die Wupper-Flut wälzte sich von Leichlingen weiter Richtung Rhein. Weite Teile des Opladener Zentrums standen danach unter Wasser, außerdem ein ganzes Gewerbegebiet. Die Schäden dort sind bei weitem noch nicht behoben. Hier hat die Wirtschaftsförderung Leverkusen aber einiges angeschoben.

  • Das läuft schlecht

Weil unter anderem die Montanus-Realschule in Opladen, aber auch das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Schlebusch schwer getroffen wurden, setzte die Stadtverwaltung ein Rundreise-System für rund 2000 Schüler auf. Das führte zu langen Wegen; an einer Stelle fehlen die notwendigen Container. Die Folge: wieder einmal Wechselunterricht. Auch beim Jugendhaus Lindenhof lief etwas schief: Der historische Bau wird von der städtischen Wohnungsgesellschaft verwaltet; die ließ die Immobilie mit ihren Flutschäden so stehen. Jetzt gibt es Streit um die Verantwortung, Reparaturen lassen auf sich warten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Rhein-Sieg-Kreis

  • Das läuft gut

Die Bauarbeiten für die Erweiterung des Hochwasser-Rückhaltebeckens Auelsbach östlich von Lohmar können in Kürze beginnen. Sein Fassungsvermögen, soll von 57 000 auf gut 165.000 Kubikmeter vergrößert und damit fast verdreifacht werden. Damit will man für künftige Starkregenereignisse verhindern, dass der Auelsbach wieder über die Ufer tritt und Häuser in Lohmar überflutet.

Die Spendenaktion des Rhein-Sieg-Kreises für Betroffene aus dieser Region hat 2,5 Millionen eingebracht – was eine ganze Menge ist. Bürgerinnen und Bürger haben bis jetzt 1205 Anträge gestellt.

  • Das läuft schlecht

Was viele im Rhein-Sieg-Kreis besonders ärgert: Für die versicherten Opfer der ersten Starkregen-Ereignisse Anfang Juni in mehreren Hennefer Ortsteilen gibt es kein Geld aus den Soforthilfen des Landes. Innerhalb von nur zwei Stunden waren an diesem Tag in der Region mehr als 100 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gefallen. Die Schäden waren für viele Bewohnerinnen und Bewohner beträchtlich. Auch für Autofahrerinnen und Autofahrer in der Region stellt sich das Fortkommen immer noch als schwierig dar. Immer noch gesperrt ist die Landesstraße 331 von Hennef nach Hennef-Söven, die beim Starkregen Anfang Juni unterspült wurde. In diesem Herbst sollte der betroffene Abschnitt wieder freigegeben werden, doch die Arbeiten ziehen sich nun nach der weiteren Flut bis ins Frühjahr 2022.

Rhein-Berg

  • Das läuft gut

Allgemeinen Beifall fand die Soforthilfe. In Rösrath – den Stadtteil erwischte es besonders hart – lobten die Beteiligten die spontane Hilfsbereitschaft von Nachbarn und Nichtbetroffenen. Ebenso den Einsatz der Feuerwehr und der Stadtwerke – beim Abpumpen von Wasser, Beseitigen von Schlamm und Sperrmüll oder der Instandsetzung von Leitungen.

Bemerkenswert waren Benefizprojekte und Spendenbereitschaft, hervorzuheben sind zwei Benefizkonzerte in Rösrath und ein von der Stadt eingerichtetes Spendenkonto, auf dem bis Mitte September rund 270.000 Euro eingingen. Eine externe Kommission vergab das Spendengeld an 128 Betroffene, die bis zum Fristende am 27. August einen Antrag gestellt hatten, sie erhielten je nach Bedürftigkeit zwischen 500 und 4000 Euro.

  • Das läuft schlecht

Auf Kritik stieß insbesondere die Kommunikation durch Stadtverwaltung und Kommunalpolitik. In den ersten Tagen nach der Katastrophe hätten sich viele Betroffene eine persönliche Präsenz der Stadtspitze, insbesondere von Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne), gewünscht – als Signal der Anteilnahme. Auch die Absage Schulzes für eine Info-Veranstaltung am 12. September stieß auf Unverständnis: An dem Info-Programm nahmen Fachleute und rund 300 Interessierte teil, die Bürgermeisterin fand eine eigene Äußerung auf der Veranstaltung jedoch verfrüht. Die Stadt bietet nun einen eigenen Infoabend am 27. Oktober an.

Leichlingen

  • Das läuft gut

Überragend waren die Hilfsbereitschaft und das Spendenaufkommen, mit denen die Flutopfer in Leichlingen unterstützt wurden. Sofort nach der Hochwassernacht tauchten Freiwillige auf, die beim Leerpumpen der Keller, Ausräumen der Wohnungen und Entsorgen des Sperrmülls mit anpackten, lieferten Gastronomen, Landwirte und Geschäftsleute Getränke, Maschinen und Essen. Die private Bürgerinitiative „Wir für Leichlingen“ sammelte 225 000 Euro ein, mit denen 109 Familien geholfen werden konnte. Ein Spendenaufruf der Bürgerstiftung Leichlingen erbrachte 356 000 Euro, die an 138 betroffene Haushalte verteilt wurden. Sehr unbürokratisch und schnell organisierte auch die Stadtverwaltung die Beantragung und Auszahlung der Gelder aus den staatlichen Hilfsfonds, obwohl sie im ebenfalls überflutet gewesenen Rathaus zunächst nur im Notbetrieb arbeiten konnte. 

  • Das läuft schlecht

Unangenehm aufgefallen sind im Überschwemmungsgebiet Hochwasser-Touristen, die Aufräumarbeiten behindert und Straßensperrungen ignoriert haben, sowie illegale Schrottsammler, die den an den Straßen stehenden Hausrat nach Wertsachen durchsucht und zeitweise regelrecht geplündert haben. Sogar nur zum Trocknen heraus gestellte Möbel und Geräte sind gestohlen worden. Bei der Entsorgung von auch schadstoffhaltigen Baumaterialien fühlten sich viele überforderte Hausbesitzer allein gelassen. Die Reparatur von zerstörten Telefonleitungen und Kabelanschlüssen dauert sehr lange immer noch an. 

Rundschau abonnieren