Ahrtal freut sich wieder über GästeWie Gastronomen nach der Flut den Neuanfang wagen

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Noch immer sind viele Restaurants geschlossen. 

Kreis Ahrweiler – Der Appell von Ministerpräsidentin Malu Dreyer war dringlich: „Besuchen Sie das Ahrtal!“ Das schrittweise Anlaufen des Tourismus in der Region sei wichtig für den Wiederaufbau, sagte sie in der vergangenen Woche in einer Regierungserklärung im rheinland-pfälzischen Landtag.

Aber kann man guten Gewissens da Erholung suchen, wo andere ihre Lebensgrundlage verloren haben? Darf man ein Jahr nach der Flut wieder an die Ahr fahren und Urlaub machen? „Sie sollten das tun“, antwortete unlängst Landrätin Cornelia Weigand auf eine entsprechende Frage während einer Veranstaltung in Bonn. Und Dorothee Dickmanns, die Sprecherin vom Verein Ahrtal-Tourismus e. V., betont: „Wir freuen uns auf Gäste, denn der Tourismus ist unsere Existenzgrundlage“.

Hälfte der Ferienwohnungen war nicht mehr vermietbar

Die Nachfrage von Gästen bei den Tourismusbetrieben an der Ahr sei groß, besonders an Wochenenden, die zum Teil schon ausgebucht seien, berichtet Dickmanns auf Anfrage. Fast 90 Prozent der betroffenen Unternehmen und Privatvermieter wollten wieder aufbauen, „viele werden das jedoch nicht vor Herbst 2022 geschafft haben – und dann auch nur unter Einschränkungen“. Ahrtal-Tourismus hofft laut der Sprecherin, dass Ende dieses Jahres mindestens die Hälfte der Mitgliedsbetriebe wieder Gäste empfangen können.

Zurzeit kämen vor allem Tagestouristen, Aufenthalte von vier Tagen oder länger seien selten. 280 Anbieter, das sind 60 Prozent der dem Verein angeschlossenen Betriebe, sind direkt von der Flutkatastrophe betroffen; zu 80 Prozent die Gastronomie, zu 70 Prozent Hotels und Pensionen. Die Hälfte der 220 Ferienwohnungen war nicht mehr vermietbar, von 13 Campingplätzen sind elf zerstört.

Anfahrt per Bahn

Die Infrastruktur an der Ahr ist noch stark beeinträchtigt. Zerstörte Straße und Brücken sind behelfsmäßig instandgesetzt, viele Parkplätze aber noch nicht wiederhergestellt oder werden anderweitig genutzt. Ahrtal-Tourismus empfiehlt vor allem den Tagesgästen die Anfahrt mit der Ahrtalbahn (RB 30), die von Bonn über Remagen bis Walporzheim fährt, von dort bis Ahrbrück als Schienenersatzverkehr.

An Ausflugsmöglichkeiten stehen an der Ahr unter anderem der Waldkletterpark in Bad Neuenahr oder die Dokumentationsstätte Regierungsbunker zur Verfügung.

Das Freibad Ahrweiler hat am 8. Juli wieder aufgemacht. Dazu gibt es Themenwanderungen, Weinproben und Gästeführungen, auch durch beschädigte Straßen in Bad Neuenahr, Ahrweiler und Altenahr. (dbr)

www.ahrtal.de/fuer-dich-da

Der Campingplatz Stahlhütte bei Dorsel im Naturpark Eifel-Ahr ist eine Brachfläche, ein Gedenkstein erinnert an die sieben in der Flutnacht dort ums Leben gekommenen Camper. „Wir sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt“, teilt die Betreiberfamilie auf ihrer Internetseite mit.

Ahrradweg nach wie vor zu einem Großteil nicht befahrbar

Es war klar, dass nach dem Drama vom 14./15. Juli die Übernachtungszahlen an der Ahr dramatisch einbrachen. In Bad Neuenahr-Ahrweiler, wo 40 Prozent aller Übernachtungen auf Kliniken entfallen, wurden im September 2021 nur 667 Übernachtungsgäste gezählt. Im gleichen Monat 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, die sich ebenfalls auf die Reisebranche auswirkte, waren es 25 362. Altenahr hatte im September 2019 in Hotels und Pensionen 8279 Gäste, im September 2021 nur noch 297, möglicherweise waren die meisten davon Helfer.

Wer sich in den ersten Wochen nach der Flut im Tal aufhielt, etwa in Sinzig, sah höchstens zwei, drei Radtouristen, die versuchten, an dem einst romantischen Flussufer voranzukommen und dann irgendwann abdrehten, weil es nicht weiter ging. Wie sieht es heute aus? Dickmanns: „Der Ahrradweg ist zu einem Großteil nach wie vor nicht befahrbar. Alternative Routen gibt es zwischen Blankenheim und Adenau. Wir raten Touristen derzeit noch davon ab, eine Radtour im Ahrtal zu machen“.

Weinbauern geben nicht auf

Die meisten Wanderwege hingegen sind von der Flut verschont geblieben, weil sie höher gelegen sind. Der beliebte Rotweinwanderweg von Altenahr nach Bad Bodendorf ist durch alle Weinberglagen durchgehend passierbar. Für Teile des Ahrsteigs wurden Umleitungen ausgeschildert, teilweise gibt es neue Wegeführungen.

Das Schönste am Rotweinwanderweg ist für viele neben der Aussicht ins Tal und das im Herbst in der Sonne rötlich schimmernde Weinlaub die Einkehr beim Winzer. 65 Weingüter gibt es an der Ahr, sie haben durch die Flut 10 Prozent der Anbaufläche verloren, 40 Hektar Rebfläche wurden vernichtet.

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Aber die Weinbauern und viele Restaurants, die sie beliefern, geben nicht auf. Die Winzergenossenschaft Dagernova aus Dernau bietet zum Beispiel in ihrer Vinothek in Bad Neuenahr-Ahrweiler ihre Produkte an. Das Weingut Paul Schumacher aus Marienthal öffnet vom 22. Juli bis 30. Oktober (freitags bis sonntags ab 12 Uhr) eine provisorische Straußwirtschaft auf einer Wiese oberhalb des Guts. „Wir machen weiter“, sagt die Winzerfamilie.

„Ein außergewöhnlicher Jahrgang“

Das Feinschmeckerlokal Brogsitters Gasthaus Sanct Peter in Walporzheim ist vorübergehend umgezogen und hat bis zur Wiedereröffnung am Stammsitz dicht an der Ahr auf dem Weingut Brogsitter in Grafschaft-Gelsdorf ein PopUp-Restaurant aufgemacht.

Die Schwestern Dörte und Meike Näkel vom Weingut Meyer-Näkel, die sich in der Flutnacht auf eine Baumkrone retten konnten, haben ihre Vinothek „auf unbestimmte Zeit“ schließen müssen, haben aber die Weinlese 2021 in die Fässer gebracht. „Straff, fruchtig und animierend“ beschreiben sie den Burgunder. Er sei, wie das ganze Jahr 2021 „ein außergewöhnlicher Jahrgang“.

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