„Sie lächelte, als wäre sie erlöst“56-Jähriger gesteht Tötung an bettlägeriger Mutter

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Sein Geständnis klang wie das Drehbuch eines Psycho-Films: Seit 2006 hatte der 56-Jährige seine gebrechliche, aber auch sehr dominante  Mutter gepflegt. Für seine Tat fand er keine Erklärung.

Bonn/Meckenheim – „Ich habe den Moment gerade nicht auf dem Schirm, als ich meiner Mutter ins Herz gestochen habe.“ Der Mann auf der Anklagebank des Bonner Schwurgerichts spricht klar, vor allem sachlich, als müsse er gedanklich nur ein Regal aufräumen oder eine Einkaufsliste sortieren. Keinerlei Emotion, keine Träne, manchmal nur ein unruhiges Flattern der Hände.

Der 56-jährige Lagerist war am Donnerstag im dunklen Anzug mit Krawatte zu seinem Prozess erschienen - und wirkte wie einer, der seinen Job anständig erledigen will, sich aber keinesfalls an ein Grauen erinnern will. Denn am 30. Juni 2019 hat der Sohn seine 90-jährige Mutter mit einem Messerstich getötet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag im Zustand verminderter Schuldfähigkeit vor. Offenbar war der Angeklagte mit der jahrelangen Pflege der Mutter überfordert gewesen; er habe – so die Anklage – in einem „affektiven Durchbruch“ gehandelt.

Mutter verbot ihm sich mit Freunden zu treffen

Was der Angeklagte am Donnerstag fast tonlos erzählt hat, könnte das Drehbuch eines Psycho-Films sein: Ein symbiotisches Verhältnis zur Mutter, mit der er seit Kindertagen unter einem Dach gelebt hat. Die gelernte Hutmacherin hatte komplett die Regie über sein Leben übernommen: „Zunächst war sie sehr fürsorglich“, erzählte er, „vielleicht ein bisschen zu viel.“ Später jedoch wurde sie immer dominanter, fordernder, behandelte ihn wie „ein Kleinkind“.

Sie verbot ihm sogar, mit Freunden oder Kollegen auszugehen, also blieb er zuhause. Seit 2006 wurde die Mutter nach verschiedenen Operationen gebrechlicher, der Sohn übernahm fraglos die Pflege. Dass er sie nicht in ein Heim steckt, dass musste er ihr versprechen. Ein eigenes Leben gab es nicht mehr für ihn, ein Seelengefängnis. 2016 zogen Mutter und Sohn in eine Zweizimmerwohnung nach Meckenheim und schliefen in einem Zimmer, Bett an Bett, dazwischen nur ein kleiner Abstand.

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In diesem Raum eskalierte die Geschichte, nachdem die 90-Jährige zwei Tage zuvor nach einem Oberschenkelhalsbruch aus der Klinik , viel zu früh, entlassen worden war. Eine Reha hatte die Krankenkasse nicht bewilligt; im Haus der Patientin lebe ja noch der Sohn, hieß es. In der Tatnacht hatte er seine gehunfähige Mutter mit Hilfe eines Rollstuhls bereits drei Mal zur Toilette gebracht. Der Angeklagte konnte die 110 Kilo schwere Frau kaum halten; immer wieder rutschte sie ihm weg.

Angeklagte ersticht Mutter mit einem Steakmesser

Als sie ihn zwei Stunden später erneut aus dem Tiefschlaf riss, weil sie zum Klo musste, habe er gedacht: „Das kann doch nicht wahr sein!“ Er nahm ein Steakmesser, das bereits seit Wochen auf dem Fenstersims lag. Den Rest erledigte offenbar das Unbewusste: „Meine Mutter hat das gar nicht kommen sehen. Das ging ganz schnell. Sie lächelte mich noch an, als wäre sie erlöst. Zwei Atemzüge, dann war alles still.“

Warum er das getan hat, dafür fand der Angeklagte am ersten Prozesstag keine Worte. Nur das Entsetzen über sein Verhalten: „Im Leben habe ich niemandem etwas zu Leide getan. Das passt nicht zu mir. Ich kann mir das niemals verzeihen“, sagte er. Anschließend hatte er versucht, sich das Messer vier Mal in die Brust zu stoßen. „Das hat nicht funktioniert.“

Drei Tage neben der toten Mutter gelegen

Drei Tage lang habe er „wie gelähmt“ neben seiner toten Mutter gelegen: „Ich habe immer Geräusche gehört und immer zu ihr geschaut. Aber sie war ja tot. Da konnte nichts sein.“ Als er ersten Verwesungsgeruch wahrnahm, habe er („Das hat meine Mutter nicht verdient!“) den hausärztlichen Notdienst gerufen. Zunächst hatte er gegenüber der Polizei behauptet, sie habe sich selbst getötet. Aber das hat er kurz darauf korrigiert und den Ermittlern die Wahrheit gestanden. Der Prozess wird fortgesetzt.

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