„Donnerstag-Gesellschaft 2.0“Neue Kulturinitiative im Alfterer Schloss

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Einige der „Nagelplantagen“ von Hubert Berke wird dessen Tochter Eva Ohlow im Schloss Alfter zeigen.

Einige der „Nagelplantagen“ von Hubert Berke wird dessen Tochter Eva Ohlow im Schloss Alfter zeigen.

Alfter – Mit einem kulturellen „Paukenschlag“ soll das Alfterer Schloss aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden, so Alexandra Runge vom neu gegründeten „Arbeitskreis Donnerstag-Gesellschaft 2.0“. Der ist dem Förderverein Haus der Alfterer Geschichte angegliedert. Und in der Tat, das opulente Programm unter der Schirmherrschaft von Landrat Sebastian Schuster verspricht am vierten Juni-Wochenende ein beispielloses Kulturereignis, das nicht nur Kunstfreunde in Alfter, sondern in der gesamten Region begeistern dürfte.

Die Veranstaltung knüpft an die legendäre am 20. Juli 1947 gegründete Donnerstag-Gesellschaft (1947 bis 1950) an, zu der sich Maler, Musiker und Intellektuelle immer donnerstags im Schloss Alfter trafen, um nach dem Krieg den „Hunger nach politischer, literarischer und künstlerischer Auseinandersetzung“ zu stillen. Zum Organisationsteam gehört neben Runge die Vorsitzendes des Fördervereins Haus der Alfterer Geschichte, Bärbel Steinkemper, Kassiererin und Schlossverwalterin Luise Wiechert sowie die Alfterer Eventmanagerin Diane Ihlefeldt.

Einer der Mitbegründer und Teil es „rheinischen Kleeblattes“ neben Hann Trier und Joseph Fassbender war Hubert Berke (1908 bis 1979). Erstmals werden nun anlässlich der Ausstellung „Donnerstag-Gesellschaft 2.0“ im Alfterer Schloss wohl Werke Berkes als auch dessen mittlerweile 79-jähriger Tochter Eva Ohlow gemeinsam zu sehen sein.

Das Programm

Samstag, 22. Juni, 18 Uhr, Vernissage im Schloss: Schirmherr Landrat Sebastian Schuster eröffnet die Ausstellung und empfängt Zeitzeugen, Mitglieder der Donnerstag-Gesellschaft bzw. deren Nachkommen, Repräsentanten der Museen, deren Schätze die fürstliche Familie während der Kriegsjahre in den Schlössern Alfter und Dyck versteckt hatte. Eva Ohlow führt durch ihre Ausstellung und die mit Werken ihres Vaters.

Sonntag, 23. Juni, 14 Uhr, Erlebnistag rund um die Donnerstag-Gesellschaft: Treffpunkt ist die Gaststätte „Spargel Weber“, Knipsgasse 24, wo Familie Berke einst wohnte. Dort beginnt ein Spaziergang mit Eva Ohlow an Punkte ihrer Erinnerung in Alfter. Es folgt ein Erzählnachmittag im Schloss mit Erinnerungen an Ohlows Kindheit, Gesprächen mit Zeitzeugen und der Möglichkeit die Ausstellungen zu besichtigen.

Die Ausstellung wird bis zum 14. Juli für jedermann geöffnet sein. Weitere Infos: www.hdag.info. (fes)

Bislang hatten Besucher eher selten Gelegenheit, den künstlerischen Nachlass Berkes zu sehen, der in Räumlichkeiten in einem Wesselinger Industriegebiet verwaltet und archiviert wird. Dort hat auch Eva Ohlow ihre großzügigen Atelierräume, in denen sie unter anderem einzigartige Objekte aus Kautschuk, Stahlblech, Eisen oder Plexiglas verarbeitet und präsentiert, die auch im Alfterer Schloss zu sehen sein werden. Ohlow, die seit 1957 in Köln lebt, unternahm auch mehrmonatige Studienreisen nach Afrika, Asien und Mittelamerika und ließ die Erlebnisse und Schicksale der Menschen in ihre Skulpturen und Bilder einfließen.

Zurück nach Alfter: Elf Jahre, von 1946 bis 1957, lebte die Familie Berke in dem Dorf. Der befreundete Rechtsanwalt Willi Weber holte die Künstlerfamilie ins Vorgebirge. Gewohnt hatte die fünfköpfige Familie in beengten Verhältnissen im hinteren Teil des Gasthauses Spargel Weber, in der Knechtstube, über den Ställen, erinnert sich Eva Ohlow.

Da ihr Vater Hubert Berke die sieben Töchter der Fürstenfamilie zu Salm-Reifferscheidt-Dyck regelmäßig porträtierte, erhielt er vom Fürsten Materialien, um künstlerisch zu arbeiten. „Ich habe oft mit den Fürstentöchtern gespielt“, erinnert sich Ohlow, „sie waren wild und natürlich, ohne elitäres Gehabe.“ Sie erinnert sich auch daran, dass man ihren Vater in Alfter als „Pippchens-Maler“, als Kükenmaler, bezeichnet hatte. Mit seiner abstrakten Kunst konnten die Alfterer aber eher wenig anfangen.

Berke gilt als einer der herausragendsten abstrakten Künstler der Nachkriegszeit, als Wegbereiter des Informel. Er war auf der Documenta II in Kassel vertreten, schuf Glasfenster, Mosaiken, Skulpturen, er war ein mit vielen Preisen ausgezeichneter Universalkünstler.

Alfter sei deswegen „zum Hot Spot der Kunst geworden, weil Köln platt und Bonn noch ein Dorf war“, sagte Eva Ohlow. Die Künstler wurden von den Alfterern mit Rübenkraut, gepökeltem Fleisch, Brot oder einem Sack voller Eier entlohnt. Nur wenigen sei bekannt, dass die Fürstenfamilie während des Zweiten Weltkrieges in Fluchtwegen des Schlosses wertvolle Kunstgegenstände etwa aus dem Kölner Schnütgen-Museum und dem Pariser Louvre vor den Nazis versteckt hatte.

Mit der „Donnerstag-Gesellschaft 2.0“ hoffen die Initiatorinnen, nicht nur das Schloss, sondern auch den Ort Alfter wieder über die Gemeindegrenzen in den Fokus zu rücken: „Ich wünsche mir, dass wir wieder eine Bewegung ins Dorf bringen, die interessant genug ist, Menschen an diesen liebevollen Ort zu locken“, so Ohlow.

Die Idee zu diesem Kulturwochenende entstand „aus einer Laune heraus“, schildert Alexandra Runge. Ohlow und Runge hatten sich zufällig in Köln bei einer Vernissage getroffen, beide Damen kamen ins Gespräch und eins kam zum anderen. Binnen weniger Wochen stand das exzellente Kulturprogramm.

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