Alanus-Hochschule in AlfterBildhauerstudent tourt mit Corona-Mahnmal auch in den USA

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Mit Flatterband und oranger Klebefolie hat Dennis Meseg die zusammengekauften Puppen im Atelier bearbeitet.

Alfter/Wesseling – Von Alanus in die ganze Welt. Was mit einer Figur im vergangenen Sommer anfing, entwickelte sich in kürzester Zeit zu einer international beachteten Kunstinstallation. 111 ausgediente Schaufensterpuppen „kleidete“ Dennis Josef Meseg – seit 2019 Bildhauerstudent an der Alfterer Alanus Hochschule – in rot-weißes Flatterband ein. Angefangen hatte er mit einer Figur, dann wurden daraus zehn, am Ende waren es besagte 111.

Auslöser war der erste Corona-Lockdown: „Ich befand mich in einer Stresssituation und musste etwas unternehmen“, schilderte Meseg. Sein Figurenensemble sollte zunächst ein Mahnmal gegen die fehlenden Studenten auf dem Hochschulcampus sein und auch nur dort präsentiert werden. Doch ein Nachbar fand diese Arbeiten „so gigantisch“ und überzeugte Meseg, seine Figuren auf dem Münsterplatz in der Bonner Innenstadt aufzubauen. Seiner Installation gab er den Titel „It is like it is“. Sie fand so großen Anklang, dass Meseg die Schaufensterpuppen mit seinem Team bereits Tage später in Berlin vor dem Reichstag aufbauen konnte, was ihm ein „enormes Medienecho, einen gewaltigen Boom“ einbrachte.

Mittlerweile haben die markanten rot-weißen Puppen eine monatelange Deutschlandtour hinter sich. Sofern es die Pandemie zulässt, ist für den Herbst eine Tour durch europäische Hauptstädte geplant. Danach geht es weiter nach Amerika: „Sofern Corona es will, wird es in Kooperation mit der University of Virginia eine sechswöchige Wanderausstellung durch die USA von Washington nach New York geben“, kündigt der 41 Jahre alte Student an. Die Figuren werden in Containern über den Atlantik verschifft. Bis zu 18 000 Euro könnte dieser Transport kosten, die Kosten übernimmt die Universität.

In den vergangenen Wochen stellte er seine Figuren in Köln und im Umland aus, in einer Bar, einer Veedelskneipe, einem Hotel oder in einem Schwimmbad – Orte, die coronabedingt derzeit für Gäste geschlossen sind. Meseg weiß schon, dass er am 8. Mai in Zürich mit dem renommierten Kunstpreis CREO der Deutschen Gesellschaft für Kreativität ausgezeichnet werden soll. In der Begründung heißt es, seine Installation stehe als Sinnbild für die Folgen der Pandemie und mache das „Unfassbare fassbar“.

30 Kilometer Flatterband verarbeitet

Schätzungsweise mehr als 30 Kilometer Flatterband hat der Bildhauer mit seinem Team mittlerweile verarbeitet: „Im ersten Lockdown war es schwierig daran zu kommen. Wir haben sämtliche Baumärkte im Umkreis von 50 Kilometern leer gekauft“, schildert der Künstler. Das rot-weiße Flatterband symbolisiere Distanz und Absperrung wie man sie im vergangenen Frühjahr an Spielplätzen oder öffentlichen Einrichtungen überall gesehen habe.

Der Künstler

Dennis Josef Meseg wurde 1979 in Bornheim geboren. Früh verspürte er den Drang nach künstlerischer Freiheit und verließ sein Elternhaus. Weil er mit Anfang 20 kein Geld hatte, lieh er sich das Zelt einer Freundin aus, nächtigte eine Zeit lang im Wald und jobbte unter anderem als Reinigungskraft an der Alanus Hochschule, wo er beobachtete, wie andere ihr Kunststudium aufnahmen.

„Schweren Herzens“ wählte er hingegen einen geregelten Beruf und ließ sich zum Mediengestalter ausbilden.

Mit 40 Jahren riss er das Ruder herum und begann sein Studium der Bildenden Kunst mit Schwerpunkt Bildhauerei an der Alanus Hochschule.

Er präsentierte schon zuvor Zeichnungen oder Malereien, etwa 2003 in der Galerie du Haut-Pavé in Paris, an der Internationalen Kunstakdemie Heimbach/Eifel (2006) oder bei der 6. Art Alfter des Kulturkreises Alfter im Rathaus Oedekoven. 2019 nahm Meseg am 41. Straßenmalwettbewerb in Geldern teil. 2006 veröffentlichte er das Kinderbuch „Dingsbums und Bammel“ unter dem Pseudonym Nils Neuwerth. Zu seinen Installationen „It is like it is“ und „Broken“ von 2020 soll voraussichtlich im Herbst ein Bildband erscheinen. Atelier und Werkstatt betreibt er in Wesseling. (fes)

Nachdem Mesegs Installation „It is like it is“ so viel Zuspruch fand, brachte der Wesselinger im Herbst bereits seine zweite Installation, „Broken“, an den Start. Diesmal gingen er und sein Team mit 222 Schaufensterpuppen auf Reisen durch die Republik. Eingehüllt waren diese nun in orangefarbenes Klebeband auf dem markante Schlagwörter wie „Wehre dich“, „Schau nicht weg“, „eingeschüchtert“ oder „Zwangsprostitution“ zu lesen sind. Damit hatte Meseg ein stummes Mahnmal anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen kreiert, um zu symbolisieren, welche Auswirkungen psychische und physische Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat. Zunächst zeigte er dieses Ensemble vor dem Bonner Frauenmuseum, auf dem Münsterplatz und in der Wesselinger Innenstadt vor dem Rathaus bevor er auch damit zahlreiche deutsche Städte besuchte um „Broken“ zu präsentieren – unter anderem vor dem Brandenburger Tor in der Hauptstadt zum Tag der Menschenrechte. Dennis Meseg bezeichnete das als eine „stille Demonstration“.

Bei seinem ersten Kunstprojekt standen die Schaufensterfiguren für Distanz und Entfremdung. Bei „Broken“ sollten sie zeigen, dass Frauen zu oft auf ihr Äußeres reduziert werden, gar als „Spielzeug ohne Verstand. Oft auch noch zwangsweise verhüllt oder anderweitig versteckt wie eifersüchtig bewachtes Eigentum.“ Orange steht bei ihm als Farbe für die Freiheit, die Freude und die Geborgenheit, ebenso für die emotionale Wärme. Sein Anliegen ließ sich Dennis Meseg einiges kosten. Drei Transporter waren notwendig, um die 222 Figuren zu befördern. Die Schaufensterpuppen kaufte er über das Internet. Hierfür setzte er seine Ersparnisse ein: „Ich hätte mir auch dafür ein neues Auto kaufen können, doch diese Installation bedeutete mir mehr.“

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