Asylkompass AlfterFlüchtlinge und Paten bereiten Ausstellung vor

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Ali Reda, Bruno Buß und Ali Reza (von links) stellen das Projekt „Haben wir es geschafft?“ vor.

Ali Reda, Bruno Buß und Ali Reza (von links) stellen das Projekt „Haben wir es geschafft?“ vor.

Alfter – „Et hätt noch immer jot jejange“ – Ali Reda beherrscht die elf Regeln des kölschen Grundgesetzes aus dem Effeff, feierte bereits Karneval, mag Kölsche Musik, spricht akzentfrei Deutsch und lebt seit Kurzem in einer WG mitten im Severinsviertel. Vieles verlief in den vergangenen sechs Jahren für den 24-Jährigen gut.

2014 war er vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen, über Zwischenaufenthalte im Libanon und in der Türkei landete er im Juni 2015 im Flüchtlingslager „Moria“ auf der griechischen Insel Lesbos. Dann führte sein Weg weiter zu Fuß über die Balkanroute, bis er schließlich am 1. September 2015 in Alfter ankam. Seine erste Unterkunft war der ehemalige katholische Kindergarten in Impekoven.

Das Projekt

2015 wurde die ehrenamtliche ökumenische Flüchtlingshilfe „Asylkompass Alfter“ ins Leben gerufen, um Schutzsuchenden unbürokratisch zu helfen. 65 ehrenamtliche Helfer waren anfänglich dabei, vor allem, um Sprachunterricht zu geben. Die Zahl der Sprachpaten ging mittlerweile stark zurück, weil die Geflüchteten offizielle Kurse besuchen können. Ehrenamtliche Paten gibt es dennoch, um bei Arztbesuchen oder Behördengängen oder bei der Arbeits-, Praktikums- oder Wohnungssuche zu helfen.

Kontakt: Flüchtlingskoordinatorin Elke Friedrich, Mail: elke.friedrich@pg-alfter.de,

Tel.: (0228) 96 49 96 14;

Sozialamt der Gemeinde Alfter, Alexia Xiromeriti, E-Mail: Alexia.Xiromeriti@alfter.de,

Tel.: (0228) 64 84 16 5.

Sieben Jahre später ziehen der Informatik-Student der Uni Bonn und die ökumenische Flüchtlingshilfe „Asylkompass Alfter“ Bilanz. Bruno Buß (78), einer der Mitbegründer, nahm dazu den berühmten Satz „Wir schaffen das!“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf und antwortete mit zwei Gegenfragen: „Haben sie es geschafft? Haben wir es geschafft?“

„Ich wollte zeigen, was aus den Geflüchteten geworden ist, die in die Gemeinde gekommen waren und was sie seitdem erreicht haben“, schildert Buß, der 13 Schutzsuchende interviewt und gemeinsam mit Anne Hensgen (66) von der Stadtteil-Kultur Brüser Berg eine Ausstellung zusammengestellt hat. Sobald Corona es zulässt, soll sie im Rathaus in Oedekoven zu sehen sein. Viele Bürger hätten nachgefragt, auch viele der ehrenamtlichen Helfer, die 2015/2016 für eine Willkommenskultur in der Gemeinde Alfter gesorgt hatten, um den Flüchtlingen zu helfen, wie es den Menschen in den vergangenen Jahren seit ihrer Ankunft in Alfter ergangen ist.

Ali Reza ist einer der Geflüchteten, die an diesem Projekt mitgemacht haben und von sich behaupten können, dass sie es geschafft haben: „Ich habe das große Glück gehabt, gleich am Anfang Kontakte zu Deutschen zu bekommen, die sehr wichtig für mich waren und es heute noch sind“, schildert er. Der 19-Jährige war aus Karadsch im Iran, etwa 40 Kilometer westlich von Teheran, nach Deutschland geflohen, gemeinsam mit seiner Schwester und seinen Eltern. Das war im September 2019, ein Jahr vor seinem Abitur.

In Alfter ist er seit März 2020 und lebt derzeit mit seiner Familie in der Containeranlage am Rathaus. Ali Reza lernte Deutsch, ging auf die Abendrealschule Bonn und besucht jetzt eine Internationale Förderklasse am Berufskolleg in Duisdorf. Auch seine Eltern und seine 13-jährige Schwester lernen Deutsch. Ali Reza möchte gerne ein Studium im Bereich Technik oder Naturwissenschaften beginnen.

Zurzeit leide die Familie unter den Lockdown-Einschränkungen. Die Wohnverhältnisse in den Containern sind sehr beengt, die Familie teilt sich zwei Zimmer, es ist laut und unruhig, schildert er. Kontakte zu Freunden vermisst Reza auch. Homeschooling und fehlende Freizeitmöglichkeiten machten es schwer, sich weiter zu integrieren. Geholfen haben ihm in Alfter von Beginn an „viele gute Menschen“, so auch Bruno Buß vom Asylkompass Alfter, der ihn und viele andere stets unterstützt und gefördert habe.

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Sowohl bei den Sprachkompetenzen als auch bei der Ausbildungs- und Beschäftigungssituation gibt es Buß zufolge sehr große Unterschiede. Vor allem viele Ältere täten sich schwer mit dem Spracherwerb. Ein Großteil der jungen Männer befinde sich mittlerweile in einer Ausbildung oder konnte diese bereits beenden.

Viele fanden Anstellungen in stark nachgefragten Berufen vom Alten- oder Krankenpfleger bis hin zu Kfz-Mechatronikern. Bei Älteren hingegen bestand der Wunsch, schnell Geld zu verdienen, anstatt Deutsch zu lernen. Daher kamen einige nur in Hilfsjobs unter. Viele Frauen seien laut Buß talentierter, Deutsch zu lernen, übernehmen aber meist die Kindererziehung und den Haushalt.

Während viele Familien mittlerweile Wohnungen gefunden haben, sehe es bei den jungen Singles anders aus. Sie haben mit Vorbehalten von Seiten potenzieller Vermieter zu kämpfen, es fehlen aber auch schlicht kleine, bezahlbare Wohnungen, schildert es Bruno Buß.

„Ein wunder Punkt“ sei die soziale Integration: „Viele Geflüchtete haben meist nur sehr oberflächlichen Kontakt zu Deutschen. Kaum jemand ist Mitglied in einem Verein, vielleicht abgesehen vom Fußball. Vielmehr habe ich beobachtet, dass manche lieber nur mit ihren Landsleuten zusammen sind, fast nur ihre Muttersprache sprechen und in ihrer eigenen Kultur leben.“

Dafür hat Bruno Buß einerseits Verständnis, andererseits bedauert er es, glaubt aber dennoch, dass sich viele der Schutzsuchenden auf einem guten Weg befinden: „Sie werden als unsere neuen Mitbürger bei uns Fuß fassen.“

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