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Robotik auf dem StundenplanWachtberger Schule kooperiert mit Japan

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Wie der blaue Roboterarm zu programmieren und bedienen ist, das lernen Berkumer Schüler jetzt im Unterricht.

Wie der blaue Roboterarm zu programmieren und bedienen ist, das lernen Berkumer Schüler jetzt im Unterricht.

Wachtberg-Berkum – Langsam streckt sich der blaue Arm des „MotoMan GP 8“ nach unten, greift einen grünen Holzklotz, hebt ihn hoch und legt ihn dann auf einer kleinen Holzpalette neben einem halben Dutzend weiterer Blöcke ab. Mit einer von Lehrer Werner Meurer gebastelten Gabel könne der Arm sogar die ganze Palette hochheben und an anderer Stelle ablegen, berichten Henry (15 Jahre), Jakob und Justin (beide 14) sowie die 15-jährige Natalia aus der 9c.

Die Schüler der Wachtberger Hans Dietrich Genscher-Sekundarschule sind stolz auf die Leistungen des neuen Roboterarms, den sie selber programmiert haben und der sogar Farben erkennt. Durch seine sechs Gelenke ist die Einheit ausgesprochen beweglich und auch im industriellen Praxisbetrieb im Einsatz, wo sie zum Beispiel Bauteile stapelt, be- und entlädt, schweißt und schneidet.

Eine mobile Trainingsstation

Der Arm ist Herzstück einer mobilen Trainingsstation, die der Schule für ihren ersten Robotik-Kurs vom japanischen Roboterhersteller Yaskawa als Dauerleihgabe überlassen wurde. Die Unterrichtseinheit mit Namen „hdg robotic 4.0“ zieht inzwischen weite Kreise, ist sie doch nicht nur im Rhein-Sieg-Kreis, sondern vermutlich europaweit ein Leuchtturmprojekt, das in Kooperation mit der Wirtschaft Schülern der achten und neunten Klassen Kompetenzen rund um die Programmierung von Industrierobotern vermittelt.

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Die erste Arbeitsgemeinschaft startete zum Schuljahr 2018/2019 und besteht aus 15 Teilnehmern, die Anfängergruppe dieses Jahres besuchen 17 Schüler. Die Kurse sind auf zwei Jahre angelegt und umfassen 200 Stunden, verteilt auf zwei Schulstunden wöchentlich und acht Stunden Blockunterricht an acht Samstagen.

Nützliche Zertifikate

Grundlage ist ein von den Lehrern ausgearbeitetes didaktisches Konzept, das verschiedene Programmiersprachen nutzt wie zum Beispiel „Inform“, die Sprache der Motoman-Steuerungen. Die erfolgreiche Teilnahme wird durch Zertifikate bestätigt, die für den Erwerb einer Ausbildungsstelle und beim Einstieg ins Berufsleben nützlich sind.

Die Vorteile des unterrichtsbegleitenden Angebots liegen laut Christian Zimbelmann und Werner Meurer klar auf der Hand: Durch die in der Schule erworbenen grundlegenden Kenntnisse im Steuern und Programmieren, den praxisnahen Erfahrungen mit einem echten in der Industrie eingesetzten Roboter sowie den erworbenen Problemlösestrategien seien die Schüler besser auf das vorbereitet, was sie in der Zukunft in modernen Ausbildungsbetrieben erwarte. Außerdem sei jeder überfordert, „wenn er zum ersten Mal in der Berufsschule mit einer Produktionsstraße konfrontiert wird“, geben die Lehrer zu bedenken, die sich für eine bessere Zusammenarbeit der allgemeinbildenden Schulen mit den Berufsschulen einsetzen.

Kompetenzen im Umgang mit Programmiersprachen

Durch Auszubildende mit Kompetenzen im Umgang mit Programmiersprachen erfahre das Handwerk eine Aufwertung insofern, als mittelständische Betriebe auf diese Weise ihre Maschinen an sich ändernde Anforderungen anpassen könnten und Aufträge nicht mehr an externe Firmen abgeben müssten. Momentan gebe es noch eine sogenannte Fähigkeitslücke im Handwerk, Schreiner, Schweißer, Lackierer oder Lageristen mit Programmierkenntnissen sind rar.

Der Anstoß zur Kooperation mit dem japanischen Unternehmen Yaskawa, dessen Motoman-Industrieroboter in Betrieben auf der ganzen Welt verwendet werden, kam vor zwei Jahren aus dem Mid-Atlantik Club (MAC) von Dr. Martina Timmermann. Die Vizevorsitzende hatte die Idee an die Wachtberger Sekundarschule herangetragen und den Kontakt vermittelt.

„Das Interesse am Angebot ist riesig“

Zu jener Zeit hätten weder er noch Kollege Zimbelmann etwas von Robotik gewusst, erklärt Werner Meurer, der eigentlich Musik unterrichtet und nebenberuflich das Wachtberger Kammerorchester leitet. Doch hatten sich die beiden technikaffinen Pädagogen schon überlegt, so etwas anzubieten, sagen sie. Den Auftrag dazu, Digitalisierung in jedem Fach in den Arbeitsplänen zu verwirklichen, gibt ihnen der „Medienkompetenzrahmen NRW“ vor.

Nach Konzeptentwicklung und fachlicher Schulung der beiden Lehrer im Yaskawa-Europasitz in Eschborn wurde im Erdgeschoss der Schule ein Raum mit Notebooks, Internetanschluss, Microcontrollern und Lego-Robotik-Baukästen ausgestattet. „Das Interesse an dem Angebot ist riesig“, sagt Lehrer Meurer, der mit Zimbelmann Interessenten aus über 50 Anmeldungen aussuchte. Inzwischen sind Schüler und Lehrer weit gereist und stellten ihr Projekt sowohl im Bonner Mid-Atlantik Club (MAC) als auch im April auf der Industriemesse in Hannover vor. Teils in Englisch gaben sie dort Einblicke in ihre Arbeit und begeisterten Besucher und Yaskawa-Vertreter gleichermaßen. Auf Einladung der EU-Kommission stellten beide Lehrer das erfolgreiche Projekt bei einem internationalen Workshop in Finnland vor. Ende Januar hat die EU-Kommission bereits nach Brüssel eingeladen.

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