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Bonner RosenmontagszugHeiratsantrag im Zoch – So feierten die Jecken

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Reichlich Blumen verteilte die Gruppe „Die Flüssigen“ an die Jecken. Volker Derkum macht seiner Kerstin Heiderich auf dem Markt einen Heiratsantrag. Der Circus Comicus durften ebenso wenig fehlen wie Willi Bauckhage mit Ludwig van Beethoven. Der Hambacher Forst freute sich, dass er nicht gerodet wird, und Prinz Richard I. und Bonna Katharina III. genossen den Tagn (v.o. im Uhrzeigersinn).

Reichlich Blumen verteilte die Gruppe „Die Flüssigen“ an die Jecken. Volker Derkum macht seiner Kerstin Heiderich auf dem Markt einen Heiratsantrag. Der Circus Comicus durften ebenso wenig fehlen wie Willi Bauckhage mit Ludwig van Beethoven. Der Hambacher Forst freute sich, dass er nicht gerodet wird, und Prinz Richard I. und Bonna Katharina III. genossen den Tagn (v.o. im Uhrzeigersinn).

Bonn – Gänsehautgefühl und ein paar Tränchen: Einen Heiratsantrag mitten im Bonner Rosenmontagszug hat es sicherlich noch nicht oft gegeben. Auf dem Wagen der Bönnsche Funkentöter von 1973 schlugen gestern Götterfunken der Liebe. Das Gefährt stoppte gegen 14.15 Uhr vor der Tribüne am Alten Rathaus, als sich Funkentöter Volker Derkum ein Herz nahm, zum Mikrofon griff und sagte, der Rosenmontag sei für viele Menschen ein besonderer Tag, auch für ihn, denn am Rosenmontag 2015 habe er seine Freundin Kristin Heiderich kennengelernt, „und ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen“.

Dann kniete er nieder und stellte ihr im quasi intimen Rahmen vor mehreren tausend Zeugen die entscheidende Frage. Und Kristin sagte Ja. Volkers Vereinskollegen, die eingeweiht waren, legten dem Brautpaar weiße Schärpen um und stülpten ihm einen schwarzen Zylinder auf den Kopf. Riesiger Jubel auf dem Marktplatz. Erster Gratulant war Oberbürgermeister Ashok Sridharan, der „eine tolle Verlobungszeit und eine sensationelle Hochzeit“ wünschte. Einen weiteren Antrag soll es bei der KG Narrenzunft Endenich gegeben haben.

Ansonsten war Ludwig van Beethoven der Star des mit fast 6000 Teilnehmern wohl längsten Bonner Rosenmontagszugs aller Zeiten. Er brauchte fast fünf Stunden, bis er von der Thomas-Mann-Straße aus in die Altstadt rollte und war da noch nicht am Ziel der vier Kilometer langen Strecke. Rund 250 000 Zuschauer jubelten den Jecken und dem Prinzenpaar Richard I. und Katharina III. zu, berichtete am Abend Zugleiter Axel Wolf.

Beethoven dominiert den Bonner Rosenmontagszug

Es dürfte in Bonn in den einschlägigen Geschäften keine graue Perücke mehr zu kaufen geben, so viele Haarteile in der Anmutung des Beethovenschen Feuerkopfs wurden gesichtet. Dazu Fräcke und rote Schals, wie der große Sohn der Stadt, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, sie gerne trug. Ob als aufgeblasenes Winkemännchen auf der Tribüne der Stadtwerke, als Beobachter am Straßenrand oder auf Motivwagen: Überall war der Meister.

Der Festausschuss Bonner Karneval hatte Beethoven nicht nur das Sessionsmotto „Jötterfunke överall – Ludwig, Bonn un Karneval“ gewidmet, sondern für ihn einen eigenen Zoch im Zoch organisiert mit Wagen und Fußgruppen. So gab es erstmals bei den Rosenmontagszügen von Bonn, Köln, Düsseldorf und Aachen je einen Wagen mit dem gleichen Motto: „Ode an die Freu(n)de“.

Entworfen hatten ihn der berühmte Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly und der Kölner Zeichner Dirk Schmidt. Zur Besatzung gehörte unter anderem der Vorsitzende des Vereins Bürger für Beethoven, Stephan Eisel, von einem Kommentator als „das wandelnde Beethovenlexikon“ bezeichnet. Vom Gefährt des Beethoven-Hauses mit Direktor Malte Boecker an der Spitze regnete es Beethoven-Fruchtgummis, eine Sonderedition von Haribo in einer Stückzahl von 90 000 Päckchen, die es im Handel nicht zu kaufen gibt.

Positive Bilanz

Die Stadtverwaltung zog am späten Nachmittag eine erste positive Bilanz für den Rosenmontagszug. Er sei ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Der Stadtordnungsdienst sorgte mit 59 Mitarbeitern für Sicherheit und Ordnung. 19 Falschparker wurden abgeschleppt und bei rund 300 Jugendlichen etwa 250 Flaschen Alkohol gefunden, die ausgeleert werden mussten. Eine stark betrunkene und hilflose Jugendliche wurde dem Sanitätsdienst übergeben.

Nur einige jugendliche „Chaoten“ fielen unangenehm auf, weil sie Gläser und Flaschen vom Stadthausplateau in der Maxstraße auf den Zug warfen. Polizei und Stadtordnungsdienst nahmen die Personalien auf.

Die Feuerwehr verzeichnete keine, der Rettungsdienst acht Einsätze. Der Sanitätsdienst des Veranstalters war bei 18 Hilfeleistungen gefragt. 350 Safe-Packs wurden an Jugendliche verteilt, etwa 20 Liter alkoholische Getränke wurden gegen Snacks, Trinktütchen oder Handschuhe eingetauscht. (wki)

Die Fidelen Walzbröde in der Kolpingfamilie Bonn-Zentral kamen als „Dämm Ludwig sing 11. Sinfonie“. Neun hat er geschrieben, eine 10. wird gerade aus seinen hinterlassenen Notizen per Computer hergestellt, wie die elfte klingt, wissen wir nicht. Vielleicht wie ein Popsong, denn als überlebensgroßer Pappkamerad mit E-Gitarre auf einem weiteren Motivwagen rockt Ludwig die Welt. Aber da war doch noch was mit Beethoven? Richtig, die Beethovenhalle, die seit 2016 saniert und vielleicht 2024 fertig wird. Oder gar später? Die Bonner CDU orakelte einen neuen Fertigstellungstermin: „Mir baue an der Halle fleißig – und fiere mett üch 2030“. Ex-Prinz Willi Baukhage zog wie immer einen Handkarren, auf den er neben einer Beethovenskulptur auch die nach ihm benannte Halle in Gold gestellt hatte als Symbol für Geldverschwendung.

Mit derlei sanfter Kritik hatte der Circus Comicus aus Bad Honnef nichts am Hut, bei den 250 Clowns herrschte Allotria pur. Sie feuerten Papierschnipsel aus ihrer Konfettikanone, ließen große bunte Seifenblasen platzen oder strahlten mit ihren bunt geschminkten Gesichtern.

Fast genau so groß war die Gruppe des Collegium Josephinum, das in diesem Jahr 100 wird. Man hatte den Eindruck, die ganze Schule sei unterwegs. Nach dem Sieg im Karnevalsspiel hatten die Telekom Baskets Grund zum Lachen: Sie warfen fröhlich Bälle unters Volk. Auch die Uni war jot drop: Sie ist Exzellenz-Universität und verteilte Quietscheentchen und Papiertaschentücher in nachhaltiger Verpackung.

Womit wir beim Klima wären. Auf den Umweltschutz wies die Vereinigung „Jeck op Future“ hin, dabei ist der bönnsche Zoch der einzige klimaneutrale Rosenmontagszug der Welt, denn der Karnevalsverein der UN Funken hat ein Zertifikat eines indischen Biomassekraftwerks zur Kompensation der rund 1000 Tonnen CO2 -Ausstoß gekauft, die der Umzug verbraucht. Da würde Beethoven glatt die „Pastorale“ anstimmen.

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