„Auf jeden Fall unverzichtbar“Bornheimer Schulsozialarbeit erhält dritte Stelle

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Gut vernetzt: Kathrin Friedrich, Christian Brackhagen, Gökhan Büyükbezci, Sabine Krüger und André Decker (v. l.)

Gut vernetzt: Kathrin Friedrich, Christian Brackhagen, Gökhan Büyükbezci, Sabine Krüger und André Decker (v. l.)

Bornheim – Wie wichtig den Bornheimer Kommunalpolitikern die Schulsozialarbeit ist, betonen sie in jedem Fachausschuss und geben Geld für die soziale Hilfestellung. Aber wie genau funktioniert Schulsozialarbeit eigentlich? Jacqueline Rasch fragte nach.

Wann und wie ist die Schulsozialarbeit in Bornheim gestartet?

Kathrin Friedrich, Fachbereichsleiterin Jugendsozialarbeit bei der Katholischen Jugendagentur Bonn: Ab 2012 gab es die Möglichkeit für Kommunen, über den Kreis Gelder vom Bund zu bekommen aus dem Topf des Bildungs- und Teilhabepakets für Schulsozialarbeit. Zeil war und ist es immer noch, dass das Paket von bedürftigen Familien vermehrt in Anspruch genommen wird. Man hatte festgestellt, dass es gar nicht abgerufen wird, Leute nehmen die Leistungen nicht in Anspruch ...

... weil sie die Möglichkeit gar nicht kennen?

.. weil sie es nicht wissen, weil sie Unterstützung brauchen. Der Bund hat gesagt, wir brauchen eine praktische Hilfe vor Ort und hat dabei an die Schulsozialarbeit gedacht. Das war der Anfang. Über einen Verteilerschlüssel wurde ermittelt, wie viele Schulsozialarbeiter jede Kommune bekommt und in welcher Trägerschaft das Angebot organisiert werden soll. Bornheim hat sich für die Katholische Jugendagentur entschieden, damals für zwei Vollzeitstellen und eine Vollzeitstelle bei der Stadtverwaltung. Danach sah sich der Bund außen vor, es wurde Landes- und Kommunalsache. Und es war an uns, zu zeigen, dass Schulsozialarbeit wichtig ist. Lehrer und Schulleiter haben Fürsprache gehalten, es ging durch die Ausschüsse und ist erhalten geblieben.

Danke-Demo

Eine Demonstration der Zustimmung im Bornheimer Schulausschuss? Das hatte es noch nicht gegeben, bevor Eltern und Lehrer im Juni 2018 große Spruchbänder mit Aufschriften wie „Bornheim braucht Schulsozialarbeiter“ und „Kein Kind zurücklassen!“ entfalteten als Dankeschön für die Sozialarbeit an den Grundschulen, die die klamme Stadt mitfinanziert. Der Sozialausschuss hatte einstimmig beschlossen, die Schulsozialarbeit befristet bis 2020 mit insgesamt drei Stellen weiterzuführen – eine Stelle mehr als bisher. Die Katholische Jugendagentur Bonn sollte auch die dritte Stelle besetzen. Ursprünglich wurden die drei Stellen aus Bundesmitteln finanziert, seit 2015 sind das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Bornheim eingesprungen. (jr) Foto: Rasch

Was hat sich geändert?

Es gab im vergangenen Jahr die Möglichkeit, die dritte Stelle noch mal neu zu besetzten in Form von zwei Mitarbeitern, die jeweils eine halbe Stelle haben. Damit haben wir wieder die ursprünglichen drei Stellen. Die Stadt Bornheim hatte den Wunsch geäußert, alle Grundschulen zu berücksichtigen; vorher waren nur vier Grundschulen bedacht plus das Stadtteilbüro Bornheim plus Verbundschule.

Was genau machen Sie eigentlich an den Grundschulen?

Christian Brackhagen, seit 2012 Schulsozialarbeiter in Bornheim: Oberster Arbeitsauftrag ist die Beratung zum Bildungs- und Teilhabepaket. Die Familien können verschiedene Leistungen beantragen, zum Beispiel für Ausflüge und Klassenfahrten, für Mittagessen, Nachhilfe, also Förderung im schulischen Bereich, und außerschulische Angebote wie den Vereinsbeitrag Musikschule oder das sogenannte Schulbedarfsgeld. Wir sind dafür da, die Eltern zu informieren und bei der Antragstellung zu unterstützen. Darüber hinaus schauen wir, welche zeitlichen Ressourcen noch da sind, um andere Dinge zu machen, zum Beispiel Projekte, AGs, eine Pausenbetreuung.

Haben Sie für die AGs Beispiele?

In meinem Fall ist das eine Tischtennis-AG mit dem Schwerpunkt Sozialverhalten. Es gibt künstlerische AGs, AGs zur Gewaltprävention, es ist ganz unterschiedlich, je nachdem, welche Bedarfe die Schule hat.

Wie sind die Aufgaben bei Ihnen verteilt?

Gökhan Büyükbezci, seit März Schulsozialarbeiter in Bornheim: Vom Inhalt her machen wir alle dasselbe, decken aber verschiedene Schulen ab – in erster Linie Beratung und Hilfestellung bei Anträgen plus Workshops und AGs. Ich habe jetzt eine Schülersprechstunde eingerichtet, einmal wöchentlich eine Stunde, in der die Schüler unangemeldet zu mir kommen können, um Sorgen loszuwerden.

Welche Sorgen sind das?

Streit mit der besten Freundin, zum Beispiel. Meine Präsenzzeit ist am höchsten an der Martinusschule in Merten, dann noch die Markusschule in Rösberg und die Thomas-von-Quentel-Schule in Walberberg. Die Themen sind grundschulspezifisch.

André Decker, stellvertretender Leiter der Verbundschule Uedorf: Bei den älteren Schülern haben wie andere Themen, beispielsweise Schulmüdigkeit eines Achtklässlers. Wir überlegen dann zusammen, welches Angebot wir machen können.

Sabine Krüger, Schulsozialarbeiterin: Hier herrschen die Jugendlichen-Themen vor wie Mobbing, das allerdings schon in der Grundschule losgeht, Cybermobbing ...

André Decker: ... eine Thematik, die viel Zeit in Anspruch nimmt, die mit ins Schulleben getragen wird. Wir sind dankbar, dass wir dann jemanden haben, mit denen wir Schüler zum Gespräch bitten können. Und fehlt oft einfach die Zeit.

Würden Sie sagen, die Schulsozialarbeit ist unverzichtbar?

André Decker: Auf jeden Fall! Wir haben auch lange dafür gekämpft, dass die Stadt Bornheim die Schulsozialarbeit ausbaut. Was sie ja jetzt auch mit der dritten Stelle getan hat.

Kathrin Friedrich: Es war kontinuierliche Lobbyarbeit, und zwar von allen Beteiligten. Wir wollen gut mit der Stadt im Gespräch sein, und nicht nur fordern, sondern auch Danke sagen. Lobbyarbeit muss auch Richtung Land gehen, bis zu denjenigen, die das Geld bereitstellen. Die Gelder sind noch befristet. Die Entscheidung steht noch aus, wie es in zwei Jahren weitergeht. Wir brauchen Kontinuität.

Wie viel Zeit haben Sie für Ihr Angebot in den Schulen, sagen wir pro Woche?

Christian Brackhagen: Das ist unterschiedlich. Ich bin an der Sebastianschule in Roisdorf tätig und an der Nikolausschule in Waldorf, jeweils zwei Tage in der Woche. Hinzu kommt die Arbeit im Stadtteilbüro beim Kollegen David Meyn. Diese Vernetzung untereinander ist auch eine Besonderheit bei uns.

Ist der Zeitraum ausreichend?

Das ist im Prinzip Minimum für die Präsenz an der Schule. Besser wäre mehr, aber dafür müsste mehr Geld aufgewendet werden, um mehr Personal einstellen zu können. Man kann so arbeiten, man kann so auch etwas bewirken.

André Decker: ... aber es könnte deutlich mehr sein.

Sabine Krüger: Ich bin an der Wendelinusschule in Sechtem nur alle zwei Wochen für zwei Stunden zur Sprechstunde. Das ist eigentlich gar nichts.

Kathrin Friedrich: Wenn man davon spricht, was Schulen und Jugendhilfe gemeinsam brauchen, könnte man sagen, dass jede Schule einen Schulsozialarbeiter benötigt. Aber wir sind auch in der Realität unterwegs. Ganz wichtig ist für uns, dass mit den relevanten Akteuren eine Vernetzung stattfindet, also hin zum Jobcenter, zur Stadt Bornheim, zum Jugendamt, zum Schulpsychologischen Dienst. Gelebte Kooperation findet natürlich mit dem Stadtteilbüro statt. Das belebt beide Systeme.

Was wünschen Sie sich für die Schulsozialarbeit in Bornheim?

Kathrin Friedrich: Dass sie auch an den neuen Schulen gut anläuft.

Würden Sie sagen, dass die Probleme von Kindern und Jugendlichen größer geworden sind in den vergangenen zehn Jahren?

Kathrin Friedrich: Ein großes Thema ist Armut bei Kindern und Jugendlichen. Deshalb sind Zugänge zu Geld und die Beratung für Familien wichtig.

Die Finanzierung ist bis 2020 in trockenen Tüchern. Was passiert dann?

Zurzeit ist das Projekt zu 60 Prozent über das Land finanziert, zu 40 Prozent über kommunale Eigenmittel. Die Frage wird sein, wo Schulsozialarbeit verankert ist. Wie läuft sie inhaltlich weiter? Man kann schon sagen, dass das Interesse hoch ist, sie weiterhin wie jetzt in der Jugendhilfe zu verorten.

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